Читать книгу Einführung in die Literatur des Sturms und Drang und der Weimarer Klassik - Kai Kauffmann - Страница 7
1. ,Sturm und Drang‘
ОглавлениеGenese des Epochenbegriffs Sturm und Drang
Die Epochenbegriffe ,Sturm und Drang‘ und ,Weimarer Klassik‘, die in der vorliegenden Einführung verwendet werden, sind auf unterschiedliche Weise entstanden. Im Jahre 1776 benannte der Schriftsteller Friedrich Maximilian Klinger sein Drama Wirrwarr in Sturm und Drang um und lieferte damit die Vorlage für zeitgenössische Kritiker, die aus dem Titel des Stücks ein polemisches Schlagwort gegen den Gefühlskult und die Geniemode in der deutschen Literatur der siebziger Jahre machten. Mit wachsendem Abstand wurde daraus ein historisches Stichwort, mit dem auch ehemalige Stürmer und Dränger die zurückliegende Phase benennen konnten. Dass August Wilhelm Schlegel im dritten Teil seiner Berliner Vorlesungen über Schöne Literatur und Kunst (1801–1804) von den „üblen Manieren der damaligen Sturm- und Drang-Periode“ (A. W. Schlegel 1884/1968, 155) sprach, war aber noch kein Durchbruch zu einem literarhistorischen Epochenbegriff. Ein solcher Durchbruch erfolgte erst 1869 in Hermann Hettners Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts, deren dritter Band Das klassische Zeitalter der deutschen Literatur eine Abteilung mit dem Titel „Die Sturm- und Drangperiode“ enthielt.
Periodisierung des Sturm und Drang
Im Fall des Sturm und Drang sind sich die meisten Literaturwissenschaftler darüber einig, dass diese Periode nach 1765 beginnt und vor 1780 endet. (Bezieht man die früheren Schriften Johann Georg Hamanns und die späteren Dramen Friedrich Schillers ein, erweitert sie sich auf die Zeit zwischen 1760 und 1785.) Als programmatische Schriften gelten Heinrich Wilhelm von Gerstenbergs Briefe über Merkwürdigkeiten der Litteratur (1766/67) und Johann Gottfried Herders Fragmente Über die neuere deutsche Literatur (1767/68). Goethes Drama Götz von Berlichingen, 1771 geschrieben und 1773 gedruckt, markiert den Anfang der literarisch produktiven ,Geniezeit‘, die um 1776 ihren Höhepunkt erreicht und dann rasch ausläuft. Eine in der Forschung immer wieder diskutierte Frage der Periodisierung ist, ob man den jungen Schiller, der erst 1781 mit den Räubern debütierte, noch zum Sturm und Drang zählen soll oder nicht. Überwiegend betrachtet man ihn als einen einzelnen Nachzügler, der das Ende der gesamten Epoche nicht verschiebt.