Читать книгу Die Angst vor dem Tod überwinden - Karim El Souessi - Страница 10

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2Sterben als physischer Prozess

Jeder Mensch stirbt auf seine eigene Art und Weise. Der eine stirbt langsam, der andere schnell, der eine muss einen mühevollen Todeskampf führen, der andere entschläft sanft. Bestimmte Vorgänge treten jedoch immer wieder auf und auch der biologisch-körperliche Sterbeprozess durchläuft beschreibbare Phasen.

Jahrhundertelang galt der Stillstand des Herzens als Zeichen des physischen Todes. Erst 1966 legte die französische Akademie der Medizin als eine der ersten medizinischen Einrichtungen den Ausfall der Hirnaktivität als ausschlaggebenden Todeszeitpunkt fest und definierte dafür Kriterien. 1997 wurde diese Definition im deutschen Transplantationsgesetz eingeführt. Sie ist in den meisten westlichen Ländern gültig, trotz zahlreicher kritischer Stimmen, die sich darauf beziehen, dass der Status des Hirntodes schwer zu klassifizieren ist, vor allem dann, wenn andere Organe noch funktionsfähig sind.24

In unserem Organismus sterben unaufhörlich in den verschiedenen Organen Zellen ab und werden bis zum Lebensende wieder erneuert. Bis heute kann man nicht wirklich mit absoluter Sicherheit sagen, wann und wodurch der physische Tod eintritt. Selbst medizinische Bezeichnungen wie z. B. Herz-Kreislauf-Versagen, Leberversagen oder Nierenversagen bleiben ungenau. Oft sterben Menschen auf Palliativstationen trotz multiplen Organversagens erst Tage oder Wochen später, ohne dass es dafür eine medizinische Erklärung gibt.

Die physischen Anzeichen für den Tod sind nicht eindeutig. Sie treten nicht immer in einer bestimmten Reihenfolge auf und geben keine Auskunft über den exakten Todeszeitpunkt. Viele derartiger Anzeichen können isoliert auch bei schwerer Krankheit auftreten. In seltenen Fällen können Sterbeprozesse sogar reversibel sein. So schildert Gian Domenico Borasio in seinem Buch „Über das Sterben“25 etliche Fälle, die medizinisch unerklärlich bleiben. Solche Dinge sind kein seltenes Phänomen.

Vor nicht allzu langer Zeit begleitete ich eine alte Dame, die bereits die typische Cheyne-Stoke-Atmung mit immer größer werdenden Zeitabständen hatte, bis ihre Atmung ganz aussetzte. Nach minutenlanger Pause atmete sie plötzlich tief ein, erhob sich im Bett, reichte mir die Hand und stellte sich förmlich und in völliger Klarheit mit ihrem Namen vor.

Aus medizinischer Sicht durchläuft der physische Tod die folgenden drei Phasen:

Präterminale Phase: In dieser Phase treten deutlich sichtbare Symptome der fortgeschrittenen Erkrankung auf. Schmerzen können in dieser Phase in der Regel beherrscht, die allgemeinen Symptome gelindert werden; eine aktive Teilnahme am Leben ist aber nicht mehr möglich. Diese Phase kann mehrere Wochen bis Monate andauern.

Terminalphase: Der Schwerkranke nähert sich dem Tod. Er ist die meiste Zeit oder dauernd bettlägerig. Prognostisch ist sein Leben auf wenige Tage bis zu einer Woche begrenzt.

Finalphase (Sterbephase): Der Kranke liegt im Sterben. Der Eintritt des Todes ist in einigen Stunden zu erwarten.

Man unterscheidet fünf physiologische Haupttodesursachen, wobei die Todesursache meist in der Kombination des Versagens mehrerer Organe besteht:

1. Herz-Kreislaufversagen: als Folge einer Herzinsuffizienz, meist infolge chronischer Erkrankungen wie Diabetes, Rauchen, o.ä., oder Erkrankungen des Herzens selbst.

2. Lungentod: durch plötzliche oder chronische Atemnot; bei chronischer Atemnot meist friedlicher Tod, bedingt durch CO2-Selbstvergiftung (CO2-Narkose)

3. Lebertod: hervorgerufen durch Störung der Entgiftungsfunktion, meist mit Gelbfärbung. Anfallende Abfallstoffe (v.a. Ammoniak) bewirken mitunter Verwirrtheit und Unruhe, in der Regel aber schlafen Leberkranke im Leberkoma friedlich ein, wenn es nicht durch den Blutrückstau zu einer Varizenblutung (platzende venöse Gefäße, meist in der Speiseröhre) kommt und der Tod rasch eintritt.

4. Nierentod: Nierenversagen kann durch Störung des Elektrolythaushalts im Körper zu Verwirrtheit, Herzrhythmusstörungen und Krampfanfällen führen; meist ist der Sterbeverlauf aber ähnlich wie beim Leberkoma.

5. Gehirntod: durch Blutung, Gewebeschwellung, Tumor oder Schlaganfall; verläuft – abgesehen vom Schlaganfall – meist schnell mit rascher Bewusstlosigkeit, allerdings können Schmerzen und Krampfanfälle auftreten.26

Die folgenden Tabellen über die biologische Uhr des Menschen zeigen, dass die meisten Menschen dann sterben, wenn die Körpertemperatur am niedrigsten und der Kreislauf am labilsten ist:27


Abb. 2: Die meisten Menschen sterben, wenn die Körpertemperatur am niedrigsten ist.


Abb. 3: Die meisten Menschen sterben in den frühen Morgenstunden, wenn der Kreislauf am labilsten ist.


Abb. 4: Sterbehäufigkeit im Tagesverlauf

Ferner lassen sich bei einem bevorstehenden Sterbeprozess bestimmte medizinische Veränderungen feststellen.

Diese unmittelbaren Anzeichen sind:

• Wochen bis Tage vor dem Tod verweigern die Menschen feste und auch flüssige Nahrung. Mitbedingt durch Flüssigkeitsmangel kann es dabei zu Verwirrtheit und Panik kommen.

• Die Haut des Sterbenden wird blass, bedingt durch den veränderten Pulsschlag und abfallenden Blutdruck. Die Haut an Füßen, Händen, Fingerspitzen auf der Liegeseite verfärbt sich.

• Der Körper friert und zittert, bedingt durch den Temperaturabfall.

• Der Sterbende erkennt Menschen, auch nahestehende, nicht mehr.

• Die Augen blicken offen oder halb offen in die Ferne, ohne etwas anzusehen. Die Pupillen zeigen keine Lichtreaktion.

• Reaktionen auf die Umwelt kommen zum Erliegen; trotzdem kann der Sterbende noch wahrnehmen und hören, denn der Hörsinn stirbt ganz zuletzt.

• Der „Todeskampf” beginnt durch die Unterversorgung mit Sauerstoff, mitunter begleitet von Hektik und Muskelkrämpfen.

• Der Atemrhythmus flacht ab und verändert sich, der Atem wird laut, ggf. mit Schleimabsonderungen, es setzt eine keuchende Atmung bis zur Schnappatmung ein.

• Der Sterbende fällt in einen langen Schlaf oder in eine Ohnmacht, die kaum vom Schlaf zu unterscheiden ist, und ist nur noch schwer erweckbar. Es kann sich ein sanftes Entschlafen einstellen.

• Es ist auch möglich, dass der Sterbende plötzlich aufwacht und sich in völliger Geistesgegenwärtigkeit aufrichtet.

• Kurz vor dem Sterben können Sterbende mit Blick ins Jenseits ausrufen: ‚Ich komme!’.

Sichere Todeszeichen: frühe Veränderungen

• Zum Zeitpunkt des Todes kann ein krampfartiges Erbrechen auftreten.

• Nach dem Tod erschlafft infolge des Sauerstoffmangels die Muskulatur; Darm und Blase entleeren sich.

• Der Körper erkaltet pro Stunde um ein Grad, nach zwei Stunden setzt die Toten- oder Leichenstarre ein. Sie beginnt mit der Kaumuskulatur und breitet sich dann zu den unteren Gliedmaßen hin aus.

• Etwa 20 bis 60 Minuten nach Eintritt des Todes bilden sich Totenflecke (Livores).

• ‚Leichengift’ gibt es übrigens nicht, nur beim Tod durch Krankheitserreger sollte man vorsichtig sein.

• Sichere Todeszeichen sind außerdem sogenannte ‚mit dem Leben nicht zu vereinbarende Verletzungen’, die den Körper unwiderruflich zerstören, wie z. B. nach schweren Unfällen, tödlicher Waffengewalt, Verkohlung usw.

Sichere Todeszeichen: späte Veränderungen

• Meist zersetzt sich der Leichnam durch chemische Verwesung, bakterielle Fäulnis und Autolyse durch körpereigene Enzyme.

• Im Freien kann er auch von Fliegen und Käfermaden besiedelt bzw. von Ameisen oder Ratten, Füchsen oder Fischen als Nahrung genutzt werden, bis zur Skelettierung.

• Unter Luftabschluss kann sich eine Leichen- oder Fettwachsbildung entwickeln.

• Wassermangel in trockener Umgebung kann den Körper oder einzelne Glieder mumifizieren.


Abb. 5: Herbst im Park in Leipzig

Die Angst vor dem Tod überwinden

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