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Wer nicht alt werden will, muss jung sterben!

Es gibt nur einen Weg zum Glück und der bedeutet, aufzuhören mit der Sorge um Dinge, die jenseits der Grenzen unseres Einflussvermögens liegen.

Epiktet (ca. 50–138), griechischer Philosoph

»Wer nicht alt werden will, muss jung sterben« – das klingt brutal, ist aber die Wahrheit. Niemand wird leugnen, dass irgendwann die Kräfte nachlassen. Aber es ist ein Worst-Case-Szenario sich auszumalen, dass man irgendwann womöglich ein Pflegefall wird, dass man langsam in die Demenz gleitet und nicht mehr ganz auf der Höhe seiner bisherigen geistigen Wahrnehmungen mitspielt. Dieser schlimmste Fall tritt nicht zwangsläufig ein – und man kann etwas dagegen tun!

Die im Alter von 103 Jahren verstorbene Nobelpreisträgerin und Neurobiologin Rita Montalcini verfasste im Alter von 89 Jahren ein kleines Buch mit dem Titel »Die Vorzüge des Alters«. Ihre These: Obwohl wir täglich und unwiderruflich Hunderttausende von Hirnzellen verlieren, schafft es ein kognitiv wie kreativ trainiertes Gehirn problemlos, ganze Regionen zu reaktivieren. Wer seine grauen Zellen beständig auf Trab hält, darf im hohen Alter durchaus auf geistige Fitness hoffen. Anstatt jede Erinnerungslücke zum Alzheimer-Debakel aufzubauschen, sollten wir unser ohnehin ständig wachsendes Wissen dazu nutzen, freies Assoziieren zu üben, herumzuspinnen, zu träumen und uns spielerisch in unbekannte wie noch ungedachte Regionen zu begeben.

Wir allein bestimmen, ob wir das Ticken des Sekundenzeigers als nahendes Todesurteil empfinden oder als Soundtrack für ein erfülltes Leben.

In dem Haus, in dem ich wohne, lebt eine alte Dame. Allein in einer Zweizimmerwohnung. Ich sehe sie sehr oft, wenn sie mit einem Stock, leicht gebeugt, zum nahen Elisabethmarkt geht. Bei schönem Wetter setzt sie sich auf eine Bank und beobachtet die Besucher. Sie hat schlohweißes Haar, ihr kleines Gesicht zeigt die Linien eines langen Lebens. Sie sagt zu meinem Hund »Na du«, nickt mir freundlich zu und geht ihres Weges. Wirklichen Kontakt sucht sie nicht. Sie scheint sich selbst zu genügen. Dass sie alt ist, ist nicht zu übersehen. Aber dass sie über 100 Jahre hinter sich gebracht hat, erscheint mir unglaublich. Einmal sind wir doch ins Gespräch gekommen.

»Wissen Sie«, sagte die alte Dame, »es ist eine Gnade so alt zu werden! Zwar sehe ich nicht mehr so gut und auch das Treppensteigen fällt mir schwer! Die Gelenke zwicken immer häufiger! Aber sonst kann ich nicht klagen. Ich versorge mich noch ganz allein. Darauf bin ich richtig stolz! Allerdings«, sie sieht meinen Hund an, »so ein Tierchen hätte ich schon noch gern! Aber – was nicht geht, geht eben nicht!«

Der Firlefanz und die Sorgen, die sich 40 Jahre jüngere Frauen um ihr Alter machen, sind meilenweit von ihr entfernt. Ängste um Falten und Figur scheint sie nie gekannt zu haben. Sie trägt ihr hohes Alter wie eine Aufgabe, die man ihr überantwortet hat.

Viel zu früh bereut?

Es ist falsch zu glauben, dass jung das absolute Gegenteil von alt ist. Jung: mutig, unbekümmert, unternehmenslustig. Alt: ängstlich, zögerlich und in der Vergangenheit lebend. »Alt«, sagt die französische Schauspielerin Catherine Deneuve, »ist immer mindestens 15 Jahre älter, als ich es bin!« Die Harvard-Professorin Ellen Langer meint dazu: »Die wirklichen Alten, also diejenigen, die sich dem Altwerden ergeben haben, erkennt man daran, dass sie viel zu viele Einwände haben, sich viel zu lange Rat einholen und viel zu früh bereuen.«

Mit 70 hat man zwar schon eine Menge Jahre hinter sich. Einen Grund sich ausrangiert zu fühlen, minderwertig oder überflüssig, sehe ich nicht. Im Gegenteil. Selbst wenn ich nicht gern 100 Jahre werden möchte, 15 oder 20 gute Jahre kann ich mir absolut noch vorstellen. Natürlich nur dann, wenn die Gesundheit einigermaßen mitspielt. Das Wissen, selbst alt zu sein, hat in diesem Zusammenhang eine weniger bedrohliche Wirkung. Was sind 70 Jahre, wenn wir einer Hundertjährigen, die ihr Leben noch völlig allein regelt, gegenüberstehen?

Aber vielleicht wäre es ein erster Schritt, um das beunruhigende Empfinden, das sich einschleicht, wenn es um die Worte alt oder Alter geht, in den Griff zu bekommen, wenn wir unterschiedliche Begriffe für die Jahre nach dem 65. Geburtstag finden. Bei einer Umfrage in einer Zeitschrift kamen Vorschläge wie: das dritte oder das vierte Lebensalter. Da das Wort Alter sehr angstbesetzt ist, schlägt eine andere Studie Lebensphase vor. Das hört sich nicht ganz so dröge an wie das dritte oder vierte Lebensalter und ist nicht so vorbelastet wie die Begriffe: Alte oder – noch schlimmer – Seniorin.

Früher hieß alt zu sein, besonders für Frauen, nicht mehr mitspielen zu dürfen im großen Lebenstheater. Man war Oma, verbitterte Jungfer oder einsame Witwe. Nur ganz selten wurde man als Gegensatz zum Herrn des Hauses als Herrin des Hauses, als diejenige, die das Sagen hatte, akzeptiert.

»Männer reifen – Frauen verblühen«

Das ist eine selbst unter Frauen noch immer weit verbreitete Sichtweise. Nur zögerlich ändert sich dieses altersschiefe Frauenbild. Männer sollten sich hin und wieder ihr eigenes Spiegelbild ins Gedächtnis rufen, auch wenn sie im Alter auf eine Karriere verweisen können. Leider wird die Welt immer noch zu einem großen Teil von alten Männern regiert – in Politik und Wirtschaft, Justiz und Presse, Kunst und Kultur. Männer definieren sich über ihren Job. Zu viele Frauen hingegen immer noch über ihr Aussehen.

Dazu trägt auch eine Anzahl von »Hardcore-Machos« bei. Sie pöbeln und schlagen um sich wie wild gewordene Stiere. Silvio Berlusconi, der ehemalige italienische Premier, versammelte für seine »Bunga-Bunga-Spiele« nur Frauen um sich, die seine Enkelinnen hätten sein können. Donald S. Trump, amerikanischer Präsident, macht ebenfalls keinen Hehl daraus, dass für ihn Frauen ein Ablaufdatum haben, dessen Gipfel bei 45 Jahren liegt.

Da gibt es im Netz aufwendig gestaltete antifeministische Blogs, etwa einen, der »Männer Magazin« heißt und von einem Typen verantwortet wird, der sich Leutnant Dino nennt. Ob ein Rest von Ironie hinter der Namensgebung steckt? Gelesen wird es von unzähligen Gleichgesinnten ab 45. Sprüche wie: »Frauen sind Haustiere. Alte Frauen sind unnütze Haustiere« sind da noch die harmlosesten. Solche Blogs erwachsen aus einem Umfeld, das die oben beschriebene Sicht auf ältere Frauen pervertiert und auf die Spitze treibt. Das Leben ist zu kurz, um sich mit solchem Gesudel aufzuhalten. Lassen Sie sich nicht verunsichern – Ihre Erfahrung, Ihr Leben haben Respekt verdient und Sie sollten die erste sein, sich diesen Respekt zu zollen.

Also Ladys: Falls Sie auf solche Statements stoßen, ob im Netz oder in der direkten Konfrontation, führen Sie sich vor Augen, dass es sich hier um bedauernswerte Exemplare der männlichen Gattung handelt, die keineswegs satisfaktionsfähig sind. Mögen die Herren welken, wir reifen!

Ist das Alter noch zu retten?!

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