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05. Glasgow, 15. November 2013

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The lost breeze kissed her bright blue eye,The bee kissed and went singing by,A sunbeam found a passage there,A gold chain round her neck so fair;As secret as the wild bee’s songShe lay there all the summer long.

(John Clare 1793 – 1864, Secret Love)

Er wartete, sah dabei immer wieder unauffällig auf seine Armbanduhr. Halb zehn. Er war eine halbe Stunde zu früh dran und hatte deshalb noch genügend Auswahl an freien Plätzen gehabt, saß jetzt im Halbdunkel in der Ecke mit freiem Blick zur Eingangstür. Obwohl er durstig war, versagte er es sich, ein Getränk an der Bar zu holen. Niemand sollte sich später an ihn erinnern.

Das One up füllte sich langsam. Einige Paare saßen an den Tischen, auch Männer in Anzügen – Geschäftsleute oder Bankbedienstete – schon sichtlich angeheitert, die ihr Feierabendbier ausdehnten, um gleich das Wochenende entspannt zu beginnen.

Die Eingangstür öffnete sich wieder und spuckte eine weitere Gruppe herein. Ein Frauenquartett, offensichtlich nach einem längeren Einkaufsbummel noch unterwegs. Sie schleppten Unmengen von Plastiktüten mit sich. Er verzog angewidert das Gesicht. Oberflächliche Tussen, die nichts anderes als den neuesten modischen Firlefanz im Kopf hatten. Mit blondierten Haaren, falschen Wimpern und Nägeln, in hochhackigen Pumps und engen Röcken.

Er wandte den Blick von den schnatternden Frauen wieder zur Eingangstür. Jeder, der das Lokal betrat, musste erst über die steile Treppe hochgehen, die beinahe wie ein Nadelöhr wirkte, bevor er diesen Ort des lasterhaften Vergnügens aufsuchen konnte. Mehr denn je fühlte er sich wie ein Fremdkörper.

Noch einmal sah er auf die Uhr. Hoffentlich erschien sie zum richtigen Zeitpunkt. Unpünktlichkeit war eine hässliche Untugend. Es überraschte ihn ein wenig, dass sie so plötzlich ein Treffen vorschlug, vorher hatte sie sich ziemlich zurückhaltend gegeben. Was ihn natürlich noch anstachelte, sich um sie zu bemühen. Aber auf Dauer konnte wohl keine seinen verführerischen Einflüsterungen widerstehen – Gott verzeihe ihm dieses widerwärtige Spiel! Es lag daran, dass sie hungrig waren. Gierig nach Sünde und verbotenen Vergnügungen. Nun – er würde ihnen allen die Augen öffnen!

Auch dieser. Er hatte auf dem Foto, das sie ihm schickte, sofort gesehen, dass sie eine von ihnen war.

Ja, ganz gewiss! Er erkannte solche wie sie auf Anhieb. Die blauen Augen mit diesem frechen Ausdruck, Blicke, die ständig die Umgebung absuchten, das dunkle Haar, das sie offen trugen und es immer wieder mit einer bewusst einstudierten Geste zurückstrichen, die Finger, die damit spielten. So kokett, so gefallsüchtig. Der Gang, wenn sie durch die Straßen liefen, mit wiegenden Hüften und das perlende, helle Lachen. Er würde dafür sorgen, dass sie lernten, sich zu benehmen.

Auch sein neues Opfer würde diese Lektion erfahren. Gleich heute Nacht.

Die Tür öffnete sich erneut, brachte einen Schwall kalter Luft mit und dann sah er sie. Sie ließ ihren Blick schweifen, ein wenig eingeschüchtert von der lärmenden Menschenmenge. Natürlich konnte sie ihn in der dunklen Ecke nicht wahrnehmen und sie wusste nicht, wie er aussah. Damit hatte er Zeit, sie noch ein wenig zu beobachten. Ihr hübsches Gesicht, das nun so gar nicht selbstsicher wirkte, ihr gekünsteltes Lächeln, auffordernd und schüchtern zugleich. Er musste sie einfach noch ein wenig zappeln lassen! Unter dem Mantel trug sie ein rotes, kurzes Kleid. Wie billig! Er hatte rot noch nie leiden können!

Anstatt durch das Lokal zu gehen blieb sie einfach, wo sie war, starrte hilflos in das Halbdunkel. Jetzt sprach sie der Barkeeper an und nahm ihre Bestellung auf. Sie setzte sich halb auf einen Hocker, ließ ihre Blicke bemüht lässig schweifen. Ein Glas mit Gin and Tonic wurde vor sie hingestellt und sie stand wieder auf, sah sich unschlüssig um. Dummes Frauenzimmer! Er erhob sich ein wenig, winkte. Ein erleichtertes Lächeln glitt nun über ihr Gesicht. Sie kam zögernd auf ihn zu, hielt sich krampfhaft an der Handtasche fest.

„Butterfly0406“?

Beinahe hätte er sie in dem Lärm nicht gehört. Er nickte und lächelte. „Freut mich, dich endlich kennen zu lernen.“

Schmetterlingstränen

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