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2.3 Phon, Phonem, Allophon

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Phoneme

Bisher haben wir die Laute oder die Phone nach bestimmten artikulatorischen Merkmalen beschrieben. Damit ist aber noch nichts über ihre Funktion in einer Sprache gesagt. Die Sprachen unterscheiden sich u. a. darin, welche Laute sie zur Bedeutungsunterscheidung nutzen. In bestimmten Varianten des Chinesischen macht es z.B. keinen Unterschied, ob [r] oder [l] gesprochen wird, die Wörter bedeuten in jedem Fall dasselbe. Im Deutschen dagegen gibt es Wörter, die sich nur durch diese Laute unterscheiden, z.B. laufen vs. raufen . Im Deutschen gehören diese Laute zu unterschiedlichen Phonemen, in den chinesischen Dialekten dagegen nicht. Das Phonem ist definiert als die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit in der gesprochenen Sprache.

Während bestimmte Laute frei gegeneinander austauschbar sind, weil sie nie ein anderes Wort ergeben (z.B. [r] und []), können sich beim Austausch anderer Laute neue Wörter ergeben. Diese Laute gehören zu verschiedenen Phonemen. Man sagt auch, dass diese Laute in Opposition zueinander stehen.

Minimalpaartest

Phoneme können mithilfe des Minimalpaartests ermittelt werden. Bei diesem Test werden Wörter gegenübergestellt, die sich nur in einem Laut unterscheiden. Die bedeutungsunterscheidenden Laute in solchen Minimalpaaren gehören zu verschiedenen Phonemen. Phoneme werden in Schrägstrichen notiert.

Beispiele für Minimalpaare

Gasse – Kasse/g/ – /k/
dir – Tier/d/ – /t/
reisen – reißen/z/ – /s/
biete – Bitte/i:/ – //
Masse – Maße/a/ – //
Falter – Halter/f/ – /h/

Durch den Minimalpaartest kann also nachgewiesen werden, dass zwei Laute zu unterschiedlichen Phonemen gehören.

Allophone

Unterschiedliche Laute, die jedoch nie bedeutungsdifferenzierend wirken, heißen Allophone. Allophone sind unterschiedliche Realisierungen des gleichen Phonems. Ein Allophon ist also ein Laut, der als Variante eines Phonems klassifiziert wurde. Bei den Allophonen eines Phonems kann es sich entweder um kombinatorische Varianten handeln, die in einer bestimmten lautlichen Umgebung auftreten oder aber um freien Varianten, die unabhängig von der lautlichen Umgebung vom Sprecher frei gewählt werden können.

kombinatorische Varianten

Nehmen wir ein Beispiel: Möchte man z.B. untersuchen, ob [x] und [ç] im Deutschen verschiedene Phoneme repräsentieren, so gilt es, Wörter zu finden, die sich nur in diesem Laut unterscheiden. Betrachtet man Wörter mit diesen Lauten, so zeigt sich, dass diese Laute jeweils in einer bestimmten Umgebung auftreten. Sie treten in Abhängigkeit von der lautlichen Umgebung auf, wobei [ç] nach vorderen Vokalen steht (z.B. bei ich, daher auch „ich-Laut“ genannt) und [x] nach nicht-vorderen Vokalen, z.B. in ach, weswegen er auch „ach-Laut“ genannt wird. Man spricht hier daher auch von komplementärer Distribution (Distribution bezeichnet die Umgebungen, in denen ein Element auftreten kann). Je nach lautlicher Umgebung kann nur das eine oder das andere Allophon auftreten. Die Laute [ç] und [x] sind somit ein Beispiel für kombinatorische Varianten eines Phonems.

freie Varianten

Als Beispiele für freie Varianten werden häufig die verschiedenen Möglichkeiten der Aussprache von /r/ im Deutschen genannt. Ob man ein gerolltes [r], ein uvulares [] oder den uvularen Frikativ [] ausspricht, trägt nichts zur Bedeutungsunterscheidung bei. Die Wahl einer dieser Varianten ist auch nicht an eine bestimmte lautliche Umgebung geknüpft, es liegen also freie Varianten vor. Etwas anders verhält es sich jedoch mit der vokalisierten r-Variante [] (wie z.B. in Uhr [u:] oder Bruder [bur:d]). Für diese Variante existiert die Beschränkung, dass sie nicht am Anfang einer Silbe auftreten kann.

Phoneme als Bündel distinktiver Merkmale

Phoneme sind abstrakte Einheiten, die als Bündel von Merkmalen dargestellt werden können. Sie unterscheiden sich jeweils durch mindestens ein Merkmal von anderen Phonemen. In dem folgenden Beispiel ist die Rundung das distinktive Merkmal der Phoneme, die in Opposition stehen:

BieneBühne
/bi:n//by:n/
/i://y:/
[+hoch][+hoch]
[+vorn][+vorn]
[+lang][+lang]
[+gespannt][+gespannt]
[-rund][+rund] ← distinktives Merkmal

Nicht in allen Fällen ist klar, ob ein Laut oder eine Lautkombination als ein Phonem zu werten sind. Problemfälle sind hier die Affrikaten und Diphthonge, die entweder als ein oder als zwei Phoneme gewertet werden können.

Wertung von Diphthongen

Betrachten wir zunächst die Diphthonge. Wendet man die Minimalpaarmethode an, so lassen sich die Lautverbindungen in Diphthongen als separate Phoneme nachweisen: Es gibt Minimalpaare zu Wörtern mit Diphthongen, die sich nur in einem Segment unterscheiden, wie kautekannte oder HaubeHalbe . Gegen eine biphonematische Wertung von Diphthongen wurde angeführt, dass ihre Länge die Länge eines Langvokals nicht überschreitet (z.B. BahnBein ). Wir halten es jedoch für entscheidend, dass durch den Minimalpaartest nachgewiesen werden kann, dass Diphthonge keine minimalen bedeutungsunterscheidenden Einheiten sind.

Wertung von Affrikaten

Auch für Affrikaten lassen sich Minimalpaare finden, in denen jeweils nur einer der beiden Teile der Affrikate ersetzt wird, hübschehüpfe , PutzPutsch , ZecheTscheche . Für eine Wertung als ein Phonem spricht, dass Affrikaten sowohl am Wortanfang als auch am Wortende vorkommen können, während viele andere Lautkombinationen am Wortende spiegelbildlich auftreten: Pfennig – Topf, Zahn – Netz, dagegen: Plan – Alp, Trog – Ort, Knecht – Dank. Die Lautkombination [ts] ist dagegen gut zerlegbar und tritt auch umgekehrt als [st] sowohl am Wortanfang wie am Wortende auf wie in Stil und Fest. Insgesamt überwiegen auch bei den Affrikaten die Argumente für eine biphonematische Wertung, insbesondere der Minimalpaartest spricht dafür.

Schwa-Laut

Unklar ist auch der Phonemstatus des Schwa-Lauts, da er als eine reduzierte Variante verschiedener Vokale auftreten kann und zudem häufig weglassbar ist (s. 2.5.2). Es gibt jedoch eine Reihe von Minimalpaaren, in denen der Schwa-Laut distinktiv ist, wie Alter – Alte – , Motto – Motte – , Bube – Bubi – . Dies spricht dafür, den Schwa-Laut als Phonem zu werten.

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