Читать книгу Im Königreich Mjelvik - Karl Friedrich Kurz - Страница 12
Oline fliegt
ОглавлениеDie Dame Oline hat den König auf die Knie gezwungen, des Königs Burg erobert, alle Weiber von Mjelvik geärgert und die Männer aufgeregt. Sie hat den Kontoristen Mikkelsen von seinem Platz am Herrentisch vertrieben — ist sie vielleicht jetzt satt und zufrieden?
Weit entfernt! Ihr Geist hat einen hohen Flug und wird voller Unruhe immer noch mehr aufwärts getrieben.
Wenn nun also dieser Schmied Nils Ytra, der ja nichts als ein gewöhnlicher Häuslerbub ist, mit seinem Motorrad in der Welt herumknattern kann, warum sollte da eine Oline Jensen nur auf ihren Füßen das elende Stücklein Weg zur Landungsbrücke gehen und im besten Falle mit der Reitpeitsche pfeifen? Glaubt man denn, Oline sei so harmlos?
Da irrt man sich. Oline führt mit dem König im dunklen Zimmer ein Zwiegespräch. Der König nickt kurz und amerikanisch, obschon es keiner sehen kann. Der König schreibt einen Brief in die Stadt und bestellt ein Automobil.
Denn Oline hat ihm im Dunkeln zugeflüstert: „Alle besseren Leute haben ihr Automobil. Warum solltest gerade du, der du doch der König von ganz Mjelvik bist, kein Automobil haben?“
Gut gesagt! Dieser Schuß saß mitten im Schwarzen. Und so mußte also der König schreiben und konnte nicht anders. Er gab vielleicht sein letztes Geld her. Niemand kann wissen, wie schwer es ihm gerade in diesen Tagen wurde.
Aber ein König ist kein Kärrner. Der nächste Dampfer brachte das Automobil. Es wurde von acht Männern vorsichtig und mit großem Aufwand an Reden und Zurufen zur Burg hinaufgeschoben.
Herrgott, welche Aufregung, welches Wundern! An diesem Tage rauchten alle Gassen Mjelviks nach verbrannter Hafergrütze.
Am Abend standen die Weiber in langer Reihe am Bach entlang und schabten ihre Kochtöpfe mit feinem Sand. Ja, das war ein Spektakel.
Auf Trollhaugen stand nun der Wagen, rotlackiert und glänzend auf seinen Gummirädern, roch nach Wohlstand und Leder und verwegener Leichtfertigkeit.
Aber leider war nun kein Mensch da, der diese Maschine in Gang bringen konnte. Der König berief Thorfinn, den blonden Sohn des verstorbenen Kontoristen Ellingsen, zu sich, stattete ihn aus und befahl ihm, schleunigst in die Stadt zu fahren und die neue Wissenschaft mit den Motoren zu erlernen. Nach kaum einem Monat kehrte Thorfinn wieder zurück, mit zwei Fässern Benzin und vielerlei Kenntnissen. Er schraubte ein wenig am Wagen herum, füllte die Behälter und schwang einen Hebel. „Pf — pf ... Brrrrr.“ Los ging die Motorkraft.
Es tobte im Wagen, daß die Erde erbebte und das gewöhnliche Volk die Flucht ergriff. Thorfinn öffnete die Tür, und Oline stieg unerschrocken ein. Großartig!
Selbst die Weiber vergaßen für ein paar Minuten ihren Neid und ihren Haß vor aufrichtigem Staunen.
Ja, da flog nun Oline durchs lange Tal hinan und achtete wohl darauf, daß der blaue Seidenschleier tüchtig hinter ihrem Haupte herflatterte. Sie erregte überall ungeheures Aufsehen. Hühner und Pferde ergriffen die Flucht. Auch die Menschen flüchteten. Nur die tapfersten Hunde empfingen das rote, fauchende Ungeheuer mit wütendem Gekläff.
Aber Oline wiegte sich in weicher, federnder Seligkeit. Als sie von dieser Fahrt zurückkam, sagte sie zum König, sie sei glücklich. „Ja, heute bin ich vollkommen zufrieden“, sagte Oline Jensen. „Alles ist jetzt in Ordnung.“
Der König nickte. Auch der König war zufrieden.
Vor einigen Wochen war vielleicht sein Inneres noch ein wenig bedrückt wegen diesem teueren Wagen. Aber heute hat er eine mächtig große Bestellung erhalten von seinem tüchtigen Agenten Erling Eichennase. Das Automobil ist schon wieder verdient, die Ausgabe eingebracht und sogar noch ein wenig darüber. Kaufmannsglück.