Читать книгу Im Königreich Mjelvik - Karl Friedrich Kurz - Страница 14
Zwei Flaschen
ОглавлениеEs bleibt trotz allem fast unbegreiflich und wunderbar, welche Gewalt der Laienprediger Ole Mathiessen im Laufe der nächsten Wochen über die verirrte Seelenherde Mjelviks gewann. Insbesondere über die Seelen weiblichen Geschlechts. Fünfmal in der Woche hält er seine Abendversammlungen ab und müht sich und arbeitet und kämpft mit dem Teufel. An diesen fünf Wochentagen müssen die Männer Mjelviks, soweit sie der Bruder- und Schwesterngemeinde nicht selber beigetreten sind, ihr Abendbrot kalt essen oder selber aufwärmen.
Jeden Abend legt der Emissär seinen tröstlichen Arm um die Schulter einer irrenden Frauenseele und geleitet sie voller Zuversicht in die dunkle Kammer. Und der Mithelfer Haakon kennt hinfort seine Pflicht und weiß, was zu tun ist, wenn nach dem ersten Choral das Ringen mit der Verstocktheit noch kein Ende fand. O nein, Haakon pocht jetzt nicht mehr in teuflischer Unwissenheit an die Kammertür. Alles ist schon so großartig in Schwung gekommen.
An Sonntagen hält der Emissär seine Versammlungen schon vormittags ab. Er schert sich dabei nicht um Hausfrauenpflichten und Mittagessen. Wenn es das Seelenheil angeht, ist er scharf und streng und unerbittlich wie das Messer des Schlächters. Wie ein Schlachtmesser trinkt er immerfort Blut und kann seinen Durst doch nicht stillen. Die Frauen aber gehorchen seinem Winke. Sie sind dem Schlachtmesser auf Gnade und Ungnade verfallen.
Die Frauen stellen, ehe sie ihr Haus verlassen, und schon im Sonntagsstaat, den Topf mit der Grütze aufs Feuer. Wird aber der Emissär in seinem Eifer gar zu gewaltig, oder bekommt er es mit einer besonders hartnäckigen Austreibung zu tun, so daß er Ort und Stunde vergißt, ja, dann brennt die Grütze, die auch in Mjelvik an starre Naturgesetze gebunden bleibt, gründlich an.
Wenn die Frauen schließlich doch wieder an ihre Töpfe denken und nach Hause eilen, sind sie wohl innerlich erhoben; aber sie haben kein gutes Gewissen. Und sie öffnen die Küchentür — oha! Da strömt ihnen Rauch und Dampf entgegen. Nicht nur die Grütze, sondern auch der Kochlöffel darin ist verbrannt und verkohlt.
Und dann werfen die Frauen ihren Sonntagsstaat und alle innerliche Erbauung eiligst von sich und rennen mit ihren schwarzen Kochgeschirren an den Bach hinunter.
Da stehn sie nun in langer Reihe. Aber jetzt hilft kein feiner Flußsand mehr. Hei, jetzt müssen sie die Schlacken mit groben Steinen aus ihren Töpfen klopfen.
Begreiflicherweise entsteht ob solcher Wirtschaft mancher eheliche Unfrieden, mit Zank, Fluchen und Schlagen. Trieb der Laienprediger mit vieler Mühe einen Teufel aus dem Hause, so schleicht sich auch schon ein anderer wieder ein. Diese Sache hat ebenfalls zwei Seiten.
Das muß sogar der Abgesandte des Himmels an seinem eigenen Leibe erfahren. Er hat nun im Hause des Krämers ein halbes Jahr lang in Ruhe und Frieden gewohnt und in dieser Zeit mehr als hundert Dosen Ölsardinen, zwei Roquefortkäse und einige Töpfe französischen Senf verzehrt. Er hat sich mit fetter Milch und feinster Weizenmehlgrütze ernährt und ungeheure Kräfte aufgespeichert. Nun auf einmal läßt ihn seine Eßgesundheit im Stiche. Schon am frühen Morgen fühlt er einen dumpfen Druck unter den Rippen. Der Druck ist bald links und bald rechts, bald stärker, bald schwächer; aber er ist immer da. Und will trotz Rizinusöl und Painexpeller und warmen Umschlägen nicht weichen. Das stört des Emissärs innere Ruhe, so daß er den Kampf mit dem Bösen, der so glorreich begonnen, hinfort nicht mehr mit allen Mitteln führen kann.
Benjamin Sagensen und sein Weib Magnhild denken nach und besinnen sich und können nicht begreifen, woher das Leiden ihres Gastes kommen möchte. Sie haben ihm das viele und teuere Essen gewiß aufrichtigen Herzens gegönnt. Ohne Seufzer und Hinterhältigkeit stellten sie es vor ihn auf den Tisch.
Die Tücken der Welt sind ungeheuer. Der Emissär hat an diesem Morgen ein Fläschchen feinstes Haaröl aus dem Laden geholt und auf einen Zug ausgetrunken. Aber davon wurde es nur noch schlimmer. Nun mußte er Schleim aufstoßen. Und nun sah es tatsächlich so aus, als sei sein ganzer Leib mit dieser fürchterlichen zähen Unheimlichkeit angefüllt. Auch sein Schlaf wurde schlecht. Er schreckt oft auf und stößt die schwersten Zischlaute aus und schlägt mit den Armen um sich und schwitzt. Und jede Nacht träumt er böse Träume und kämpft mit Stieren und Löwen.
In der Kammer nebenan liegt der Krämer, hinter dem weichen warmen Weibe Magnhild und sperrt die Augen auf und lauscht auf alle die schlimmen Töne, die durch die Wände dringen. Der Krämer starrt in die brausende Finsternis der Herbstnächte und fürchtet sich. Und warum muß er an den Hornlöffelmeister denken, der draußen am Waldrand einsam in seiner Bretterbude wohnt? Und warum muß er denken, daß die Nächte jetzt schon kalt sind und daß der Hornlöffelmeister friert und allen Winden, die durch die Risse hereinstoßen, wehrlos ausgeliefert ist?
„Das kann er gar nicht aushalten“, murmelt der Krämer-Benjamin in die Dunkelheit hinaus. „Nein, das kann ein Mensch unmöglich aushalten.“
Mehr und mehr denkt der Krämer-Benjamin an diese elende Hütte. Das lenkt ihn von der eigenen Unruhe ab und besänftigt das pochende Herz. Es erfüllt ihn mit einer Art Dankbarkeit. Er beschließt, etwas zu tun.
Am Morgen macht er sich auf den Weg. Unter dem Arm trägt er eine dicke Rolle Teerpapp. Der Hornlöffelmeister liegt noch in seinen drei Margarinekisten und will sich nicht ohne weiteres wecken lassen.
„Ja, da liegt nun dieser Mensch und schläft“, seufzt der Krämer-Benjamin. „Und das Leben hat ihn wahrlich hart angefaßt ... Aber er liegt dennoch da, wie die pure Seligkeit ...“
Und der Krämer geht noch einen Schritt weiter in seiner Wohltätigkeit. Er klinkt die Tür zu und zündet auf dem Herd ein lustig Feuerchen an. Und als das Feuerchen seine blauen, goldbefranzten Zungen emporschnellt, starrt der Krämer hinein und denkt allerlei sonderbare Gedanken, nickt mit dem Kopf und lächelt in tiefer Trauer.
In dieser elenden Hütte steht ein reicher Mann, der es sich sogar leisten kann, einen Emissär im Hause zu halten und ihn mit den teuersten Importartikeln und Weizengrütze zu füttern. Benjamin Sagensen. Er hat sich der Witwe des Post-Nikolaj angenommen. Magnhild wurde rund und dick von seiner Liebe und Fürsorge ... Aber jetzt züchtigt ihn der Himmel mit diesen bangen Nächten und vielen unnützen Gedanken.
Schon zweimal hat der Distriktsarzt Kringlen am Krämer herumgeklopft, gedrückt und gehorcht. „Es ist nichts“, sagte der Arzt. „Ein wenig Nervosität. Es geht Ihnen viel zu gut, lieber Sagensen. Zuviel Glück kann mit der Zeit auch Beschwerden machen.“
Alle Leute sagen dasselbe. „Es geht Ihnen zu gut, Sagensen.“ Und sie lächeln und legen sich nachts in ihre Betten und schlafen. Und keiner weiß, welch schreckliche Augen die Nacht hat.
Hier in dieses Feuerchen starrt ein reicher Kaufmann und tut Buße und demütigt sich immer mehr. Er zündete das Feuerchen auf dem Herde des gezeichneten Mörders an. Und seht, jetzt mahlt er sogar Kaffee und geht vors Haus hinaus und spült die Tasse im Bach. Kann denn ein Christenmensch und reicher Krämer sich überhaupt noch mehr demütigen und hinopfern?
Bei alledem weiß der Krämer-Benjamin, daß der Hornlöffelmeister ihm mit keiner Silbe danken wird. Aber das kann ihn nicht hindern, dem Mörder noch die Hand auf die Schulter zu legen, um ihn wachzurütteln. Die Sonne scheint durchs Fenster und schaut dem allem zu. Es ist eine gute weiche Herbstsonne, die da hereinschaut.
„Am Morgen lag Eis auf dem Wasser“, sagt der Krämer-Benjamin. „Fast einen Finger dick war es.“
Dazu gähnt der Hornlöffelmeister wiehernd, indem er seine langen Arme ausstreckt. Wenn er sich so in seinem Elend ausdehnt, nimmt er die ganze Länge und Breite seines Hauses ein.
Wie in einem Sarge liegt er, denkt der Krämer mit kaltem Unbehagen. Und die dumpfe Traurigkeit, die ihn für eine Weile verlassen, kehrt abermals in seine Seele zurück.
„Bald kommt der Winter ... und du kannst es nicht aushalten“, sagt er.
Es scheint nun aber so, daß dieser gelbe Hornlöffelmeister sich gar keine Gedanken macht und weder den Sommer noch den Winter fürchtet. Das bemerkt der Krämer-Benjamin mit Staunen und denkt wieder bei sich selber: Dieser Mann ist vielleicht glücklicher als ich ... Er kennt keine Angst. Vielleicht friert er nicht einmal in seinem miserablen Bett ... Aber warum mag ihm wohl der Bart ausgegangen sein? Er ist ja so glatt und weich am Kinn wie ein Frauenzimmer ...
Der Hornlöffelmeister kriecht, völlig angekleidet, mit Kittel und dicken Strümpfen aus dem Bett, schlüpft in die Holzschuhe, und damit steht er fertig für den Tag gerüstet da. Er sagt: „Also der Winter kommt? — Laß ihn nur kommen ...“
Herrgott, wie kann dieser Mensch doch sorglos dahinleben! Ein Krämer aber muß sich stetsfort plagen mit Zahlen und Rechnen und beim Wiegen ein wenig mit dem Finger und kleinen Kunststößen nachhelfen und das Maß nicht ganz füllen, und auf so manches andere achten, um im Leben vorwärtszukommen. Ein reicher Krämer spült sogar zuweilen seinen Mund mit starkem Salzwasser, um diese kleinen heimtückischen Tierchen zu töten, die stets lauern und es auf das Leben wohlhabender Menschen besonders abgesehen haben. Der Hornlöffelmeister gurgelt nicht und läßt seine Zähne gelb und morsch werden. Er fürchtet weder das Leben noch den Tod.
Jetzt aber rafft sich der Krämer-Benjamin auf und kommt auf den Zweck seines Besuchs. „Das geht niemals an“, sagt er in bestimmtem Tone. „Du wirst in deiner Kiste erfrieren und verderben. Sieh, ich habe dir eine Rolle dicke Teerpappe mitgebracht und Stifte ... Trink jetzt zuerst deinen Kaffee, dann werde ich dir zeigen, wie das gemacht werden soll.“
Wie ihm befohlen, trinkt der Hornlöffelmeister den Kaffee und tritt dann mit dem Krämer vor die Tür. Die Menschen haben allen Widerstand in diesem Manne gebrochen und ihn gelb und gefügig gemacht. Er nagelt Teerpappe auf die Bretter. Er macht sich keine Gedanken und überläßt andern die Sorgen.
„Und jetzt müssen noch dicke Leisten her“, erklärt der Krämer-Benjamin. „Und auf die Leisten noch einmal Pappe. Und obendrauf Bretter.“
„Ja“, sagt der Hornlöffelmeister.
„Aber Bretter und Leisten, die hab’ ich nicht.“
„Nein.“
„Aber es muß sich auch dafür Rat finden.
„Ja.“
Der Hornlöffelmeister redet nicht viel und verschwendet keine Worte. Es bleibt aber rührend, mit welcher Geduld der Krämer sich dieser Hütte annimmt. Er betrachtet sie von allen Seiten. Dann geht er nach Hause und schreibt einen kleinen Brief.
„Da!“ sagt er zu Salomonsen, seinem Gehilfen. „Trag das nach Trollhaugen. Aber du sollst es dem König selber abgeben.“
Und der König läßt sich auch diesmal nicht lumpen. Der König darf niemals der Letzte sein, wenn es ein gutes Werk zu vollbringen gibt. Schon am andern Tage hält ein Karren vor der Hütte am Waldrand, und Leisten und Bretter werden abgeladen. Jetzt ist alles da. Und alles ist im Überflusse da.
Der Krämer-Benjamin erscheint abermals, wirft das Wams und die Weste mit den vielen blanken Knöpfen von sich, nimmt Maß und schwingt den Hammer. Frohgemut sagt er: „So wird es drüben gemacht! Einer soll dem andern helfen.“
Er fängt an zu schwitzen und vergißt im Eifer sich selber und den eigenen Kummer. Am Abend sind die Verkleidungsbretter festgenagelt. Und in dieser Nacht schläft der Krämer viele Stunden lang. Am Morgen erwacht er, gestärkt an Seele und Leib. Wie neugeboren fühlt er sich. So lohnt sich Milde und Guttätigkeit. Wenn die Reichen sie mehr übten, wäre ihnen selber wohler.
Aber der Emissär hat eine schlimme Nacht gehabt, mit blutigen Stierkämpfen und Märtyrerverbrennungen und Pechfackelrauch und solchen Sachen. Verdrossen und mürrisch sitzt er am Frühstückstisch, fletscht die Zähne nach dem Roquefortkäse und hat für die fürsorgliche Frau Magnhild nicht das übliche schöne Wort. Nein, der Emissär ist weder erquickt noch neugeboren. Es geht abwärts mit ihm.
Und wenn es immer so weitergeht, muß es bald mit ihm am düsteren Ende angelangt sein. Das aber wünscht der Emissär trotz aller Verdienste und der sicheren Aussicht auf jenseitige Belohnung durchaus nicht. Im Gegenteil bestrebt er sich, den Weg durch das irdische Jammerund Lastertal noch so viel, als in seiner Macht liegt, in die Länge zu dehnen.
Nach dem Frühstück verläßt er das Haus, wie alle Tage, mit der Ledertasche, in der er erbauliche Schriften führt. Er sucht aber jetzt nicht die bedürftigen Frauen auf. O nein, heute hat dieser Laienprädikant nicht Sinn für weibliche Seelen, so durchdrungen wie er ist von dem Mangel seines eigenen Leibes. Müden Ganges steuert er zur Ortschaft hinaus, biegt beim Birkenwalde ostwärts und nähert sich einem großen weißen Haus. Und das ist der Doktorsgaard. Schüchtern und fragend klopft er an die Tür. Er ist sich selber nicht mehr gleich. Böse Ahnungen machen ihn zaghaft.
Ja, der Doktor ist zu Hause. Der Doktor hat doch nicht viel Arbeit in diesem Distrikt. Wenn der Tabak und die Literatur und ein gewisser Schwächezustand unter der trockengelegten Bevölkerung nicht wären, wüßte der Doktor manchen lieben Tag nicht, was er treiben sollte. Auch heute sitzt er in seinem Lehnstuhl, die Pfeife in der einen Hand, ein Buch in der andern, und wartet, bis einer in seine Stube tritt und mit Verschämtheit ein kleines Rezept fordert.
„Guten Tag.“ Und vor dem Distriktsarzt Kringlen steht der Mann der Austreibungen, der starke Teufelsbändiger, der Mann der Donnerworte. Seine Brauen sind über der Nase zusammengewachsen. So finster sind sie. Fürchterliche Brauen, die vor eiskalter Entschlossenheit starren. Aber in diesem Augenblick zucken sie. O, wie der Emissär sich fürchtet! Der Mann der gewaltigen Geräusche. Der Mann mit den Funkenblicken. Sogar seine Knie beben, und es fällt ihm schwer, dem Doktor seine Krankheit zu schildern. Und als er sich gar hinlegen und vor diesen kühlen, ruhigen Augen seinen Leib entblößen und ausbreiten muß, wird ihm vor Aufregung fast übel. Dem Emissär ist ungefähr zumute wie einem schwarzen Sünder vor dem Richterstuhl.
Nach wenigen Minuten zeigte es sich hingegen, daß all die Angst und der Aufwand von Gedanken und kläglichen Möglichkeiten für nichts waren. Doktor Kringlen wäscht seine Hände mit wohlriechender Seife, blickt über seine Brille hinweg: Nichts als Neurasthenie!
„Ein bißchen Nervosität“, sagt der Doktor mit blondem Lächeln. „Ein bißchen überernährt. Vielleicht ein wenig zu vollblütig ... Es ist nichts“, sagt er. Und er öffnet in der Apotheke ein Glas. Und dann öffnet er noch ein Glas und mischt im Mörser ein Pulver.
„Was ist das?“ fragt der Emissär mit Anteilnahme.
„Nichts weiter ... Natrium bicarbonicum und Magnesia. Das wird Ihnen gegen die Verschleimung helfen.“
„Nein“, entgegnet der Emissär. „Pulver? Nein, ich kann keine Pulver einnehmen!“
Doktor Kringlen läßt den Mörser sinken und blickt auf.
„Nein. Unmöglich. Ich kann Pulver nicht hinunterschlucken. Haben Sie nicht etwas Flüssiges? Etwas Natürliches?“
Ja. Und nun lächelt dieser Doktor wieder sein kleines hübsches Lächeln. „Doch“, sagt er. „Aber dann müßte ich zuerst ein Rezept schreiben.“
„Schreiben Sie in Gottes Namen ein Rezept, Doktor! ... Als Medizin ist es keine Sünde ...“
Doktor Kringlen schreibt das Rezept. Der Emissär öffnet seine braune Ledertasche. Jetzt liegt neben der erbaulichen Literatur eine Flasche mit kaltem, glattem Schlangenleib.
Leichten Herzens verläßt der Emissär den Doktorgaard. Gesetz und Gewissen sind respektiert und alles in Ordnung. In der Tasche ist nun ein Stoff, der die zähen Übel zersprengen wird. Ein Mann geht dankbaren Herzens.
Im Garten stößt er mit einer langen und bleichen Persönlichkeit zusammen. Er erkennt darin seinen jungen tüchtigen Mithelfer Trygve, den Sohn des Bauern Högseth vom Blaatal. Siehe da, dieser Mithelfer drückt sich nach kurzem Gruße scheu um die Ecke und verschwindet auf der Hinterseite des Hauses. Natürlich wittert der Emissär hierin unverzüglich Unrat und verbotene Wege. Er legt sich auf die Lauer und fängt Trygve ab.
Und, lieber Bruder Trygve ...! Ja, und da steckt also die Flasche hinten im Rockschoß.
Lieber Bruder Trygve, welche Sünde! Aber dir ist Heil widerfahren. Der Herr hat dir deinen starken Hirten auf den Weg gestellt.
Schon hat der Emissär seine entschlossene Hand auf die Flasche gelegt. „Und du weißt doch, Bruder Trygve, daß es verboten ist. Gott helfe dir — es ist sogar doppelt verboten! Einesteils von der Religion, andernteils vom Gesetz ... Wie willst du das verantworten?“
Großer Meister! ... und dein Mithelfer Trygve hat diese Flasche ja auch nur als Medizin geholt, mit ärztlichem Rezept und auf gerechtem Wege. Großer Meister, zürne nicht.
„Ha!“ sagt der Emissär scharf und ohne Wankelmut. Wie könnte er denn solches vergeben. „Niemals! Hast du, Bruder Trygve, vielleicht schlaflose Nächte?“
Nein, Gott sei Dank! Der Mithelfer hat einen gesunden Schlaf.
„Hast du, Bruder Tryge, vielleicht Schleim im Hals?“
„Schleim? Nicht die geringste Spur.“
Ja, der Mithelfer kann zufrieden sein, daß ihm sein großer Meister auf den Weg gestellt worden, im rechten Augenblick, als Retter.
„Und du bist nicht krank, Bruder Trygve. Her mit der Flasche! Und jetzt schreite ruhig weiter und laß mich allein, daß ich für dich ringe und diesen bösen Feind auf der Stelle vernichte.“
Bedrückten Herzens wandelt ein junger Mann das Sträßlein hinunter, das er hoffnungsfroh emporgestiegen.
Der Emissär aber öffnet seine braune Tasche und legt eine glatte Schwester zur andern.