Читать книгу Im Königreich Mjelvik - Karl Friedrich Kurz - Страница 7
Kleopatra
ОглавлениеDie Liebeskönigin sollte, wie sich bald zeigte, von großer Bedeutung für Mjelvik werden.
Sie wurde zwar nicht von einem griechischen Sklaven, in orientalische Teppiche eingehüllt, ans Land getragen, sondern sie ging auf ihren eigenen schlanken Beinen über den Dampfschiffsteg. Und sie kam auch nicht aus einem Lande, das Ägypten heißt, sondern aus einer alten Hansastadt. Oline Jensen heißt sie.
Einmal regierte sie für kürzere Zeit als unumschränkte Herrin auf Trägebö über ein ansehnliches weißes Haus und einen Mann, der ein eigenes Geschäft, ein Motorboot und einen Smoking besaß. Damals war sie eine Dame von vornehmer Herkunft und eine reiche Kaufmannsfrau mit zwei Mägden, einem Klavier und weißen Gardinen an den vielen Fenstern. Damals gab sie noch Gesellschaften und weckte im Frühlingstal Aufsehen und in ihrer Familie helle Begeisterung.
Noch früher weckte sie auch schon Begeisterung, schon zu der Zeit, als sie die Freundin eines Studenten war, der sie „Guppen“ nannte und ihr nebenbei die Anfangsgründe der höheren Bildung beibrachte ...
Das ist nun alles vorbei und überwunden. Es sind Oline Jensen inzwischen vielleicht ein paar Federchen ausgerupft worden. Aber irgendwelchen inneren Schaden hat sie nicht genommen. Gott bewahre — sie blüht prächtiger denn je zuvor!
Jetzt kommt Oline Jensen also aus der Stadt Bergen dahergereist, aus jener Stadt, in der es, wie allgemein behauptet wird, mehr als dreihundert Tage im Jahre regnet und deren Straßen mit runden großen, groben Steinen gepflastert sind. Oline schreitet ans Land von Mjelvik. Ihr Gang ist wahrhaft immer noch königlich. Sie hat sehr hohe Stöckelschuhe an den Füßen. Und wie sie bei jedem Schritt ihre Beine hebt und die Fußspitzen streckt, das ist mehr als reizend — es ist aufreizend. Es ist beinahe übermenschlich.
Ihre Schuhe sind selbstverständlich feine, teure Lackschuhe, Importware. Die Strümpfe darüber sind echte Seidenstrümpfe, wahrscheinlich stammen sie aus der Schweiz oder aus Frankreich, Gott weiß es. Und der backsteinrote Mantel ist mit Marderpelz rundherum und überall aufs prächtigste verziert. Das ist ein Mantel, der mindestens seine fünfhundert Kronen gekostet hat. Man sieht es ihm an.
Am Strande von Mjelvik steht man, was Mode und Frauenherrlichkeit anbetrifft, noch in der Zeit, da Tea jung und reizend war und alle Vorderzähne im Munde trug. Tea wurde bis auf den heutigen Tag an Eleganz noch nicht übertroffen, obwohl sie bereits eine ehrbare Matrone mit Silber im Haar und am Leib ein wenig schadhaft geworden ist.
Wenn also Oline mit solcher Prachtentfaltung ans Land schreitet, muß sie nicht wenig Aufsehen erregen unter den vielen Menschen, die auf der Brücke stehen, um sich den Dampfer zu betrachten. Sogar die Dampfwinden schweigen und halten für einen Augenblick den Atem an. Von allen Seiten wird Oline Jensen mit bewundernden Blicken umflutet. Sie fühlt dieses ehrfürchtige Staunen angenehm und lüstern wie lau rieselndes Wasser auf ihrem ganzen Körper. O, sie möchte jauchzen vor lauter Seligkeit und Freude an sich selber.
Das ist in der Tat ein Höhepunkt. Und um sich selber wenn möglich zu überbieten, hebt Oline jetzt auch den Sonnenschirm und spannt ihn auf über ihrem großen Federnhut, obgleich keine Spur von Sonnenschein ihre zarte Haut gefährden könnte. Aber dieser Schirm schillert schong-schong, rot und grün auf einmal. Und dergleichen ist an dieser Stelle der Erde noch nie erblickt worden.
Man hat zwar in Mjelvik auch zuweilen fremde Touristen gesehen, Engländer und so, kuriose Leute, die wegen einem Lachs tagelang bis an die Knie im kalten Bachwasser herumstehen, Pfeife rauchen, in unverständlicher Zunge reden, das Geld sinnlos wegwerfen und auch sonst noch voller Schrullen sind.
Einige von ihnen fuhren ohne Zweck und nur zu ihrer eigenen Neugierde durchs Tal hinauf, legten den Kopf bald auf die eine Seite, bald auf die andere, sagten „Ah!“ und „Oh!“ und bewunderten — Gott helfe ihnen! — alle die Berge, die doch nichts weiter als nackte Natur sind. Man nennt das Touristtrafik.
Das Volk von Mjelvik lacht nicht wenig über alle diese komischen Menschen und ihren blöden Trafik. Aber ihr Geld wenigstens ist gut und echt — norwegische Silberkronen mit einem Kranz, einem Kreuz und einem Loch in der Mitte.
Nein, Oline zählt nicht zu jener Sorte. Sie wirkt auch nicht so fremdländisch und unheimlich. Nur überwältigend wirkt sie. Und jetzt dreht sie den schillernden Sonnenschirm anmutig auf der Schulter und schaut sich lächelnd um.
So viel scheint hier offenkundig, daß diese prächtige Dame weder im Bachwasser stehen und fischen will, noch als Tourist durchs schwarze Tal hinauffahren möchte, um die hohen Berge anzustaunen. Sie muß also in anderer Absicht nach Mjelvik gereist sein.
Und da steht Sigmund Borsa, der König, und ist nicht weniger überrascht als alle seine Untertanen. Immerhin, er überragt sie trotzdem auch jetzt noch um Haupteslänge. Und er steht da wie ein Leuchtturm, wie eine Säule.
Oline kann sich nicht helfen und steuert auf ihn los. Es mögen zehn oder zwölf Schritte sein. Oline macht sie, indes ihre grauen Augen kräftig und fest auf den Mjelvikkönig gerichtet sind. Ha — ihre Augen ... zwei blaue Stichflammen! Sie stürzen sich auf den König Sigmund wie ein Feuerwirbel.
„Wohnt hier ein Herr Nils Ytra?“ fragt Oline Jensen.
„Was Teufels — Herr?“ fragt der König ganz unmanierlich vor Verblüffung zurück. „Ein Herr? — Nein!“ sagt er.
O, der König! Es gibt doch in dieser ganzen Landschaft nur einen einzigen Herrn. Hier steht er.
Oline muß die Sache etwas näher erklären. „Er ist Schmied — Mechaniker sogar ... er hat ein Motorrad ...“
O ja. In diesem Falle kann es nur Nils Ytra sein, der jüngste Bruder jener Dienstmagd Karin, die vor langer Zeit ein junges Mädchen war und im Herrenhof ihr Glück machte ... Diesen Windhund und Prahlhans von einem Nils darf man also heute Herr nennen!
„Hahaha!“ lacht der König.
Er lacht mit so unverkennbarer Verachtung, daß Oline sich ein bißchen duckt.
Nun, das ist ja auch nur ein Augenblick. Und man könnte wohl meinen, es sei nichts Besonderes daran. Aber dieser Augenblick wird von großen Folgen für den König Sigmund und den Ort Mjelvik.
Ja, nun scheint das ein Tag zu sein wie viele andere Tage. Der König steht auf seiner steinernen Landungsbrücke, ein Auge auf alle die Fässer und Kisten und sonstigen Waren gerichtet und auch auf die Reisenden, die hier das Schiff verlassen. Denn das ist des Königs Landungsbrücke. Und der König erhebt Brückengeld. Jeder muß ihm Zoll zahlen.
„Anders!“ ruft er. „Da! Nimm die Papiere ... ich geh’ jetzt ...“ Er dreht sich um und schreitet davon.
Oline aber macht einen Bogen hinter ihm herum und gelangt an seine rechte Seite.
„Nannte er sich wirklich Herr Nils?“ fragt der König.
Die goldene Kette mit dem goldenen Hufeisen auf seinem Bauch fängt an zu hüpfen. Es führt ein Sträßlein dem Strande entlang. Nachdem sie ein Stück weiter darauf marschiert sind, bleibt der König stehen und weist gleichsam mit der Nase auf ein schwarzes Loch zwischen den steilen Felswänden. „Dort oben wohnt er ... Eine verlotterte Hütte ... und die alte Marte — bewahre meine Seele! Sie ist eine Hexe ... Ytra! Es sind doch die geringsten von allen meinen Häuslern ...“
Oline gesteht, daß sie das nicht wußte. Oline sagt, daß sie nur mit dem Schmied zu reden habe. „Aus gewissen Gründen“, sagt sie.
Aber der Mjelvikkönig schüttelt sein Haupt. Diese junge Dame hat ihn bezaubert und aus dem Gleichgewicht gebracht. Sie wird ihm alsbald zum Verhängnis. Dieses mag seine tiefere Ursache haben. Es hängt wohl damit zusammen, daß der Frühling mit Gewalt in die Erde gefahren ist und in allen stummen Pflanzen und lebenden Kreaturen rumort. Der König wurde aber in der letzten Zeit etwas abgedrängt von seinen Weideplätzen. Ja, er wurde zur Seite geschoben ...
Ist das vielleicht darum, weil er im Laufe der Jahre kahl geworden auf dem Scheitel und seine starken Brauen sich grau färbten? Oder ist es nur das verdammte Geld?
Ganz gewiß hat die Ebbe den König Sigmund aufs Trockene gesetzt. Er hat, wie viele andere, seine Beulen bekommen und seine tiefen Risse beim großen Krach. Aber zugrunde geht ein Sigmund Borsa deswegen noch lange nicht. Im Gegenteil.
Hat er denn nicht seine Seifenfabrik gerettet und die Tonnenfabrik, Säge und Mühle — und die Landungsbrücke dort unten? Und das viele Land und den Hof? Nein, er ist noch nicht am Ende. Die Papiere lauten auf seine Frau. Kristin ... das ist doch alles zum Lachen ... Aber nun wagen diese Menschen ihre Hälse zu strecken. Und sie schielen den König von der Seite an und werden hoch im Hut — zur Hölle mit ihnen!
Der König ist vielleicht gestrauchelt und gestürzt. Aber der hier am Boden liegt, bleibt dennoch ein Riese. Er kann noch immer seine Arme rühren.
Und was die grauen Brauen anbetrifft — ho, in dieser Beziehung soll man bald erfahren, daß es noch bei weitem nicht aus und vorbei ist mit dem König. Ho — nein! Sein Blut kocht noch und schäumt noch. Sein Blut ist jung und wild ...
Aber irgendein böser Geist muß sich gegen den König erhoben haben, ein heimtückischer, feiger Geist, der sich im Hinterhalt und in dunklen Winkeln verbirgt und nicht im offenen Felde stellen läßt. Man kann ihn nicht bekämpfen. Man kann ihn deshalb auch nicht besiegen.
So viel hingegen ist leider gewiß, daß die jungen Mädchen sich zu weigern beginnen, in des Königs Dienste zu treten und im Privatkontor aufzuräumen, daß sie sich nicht länger darum mühen und reißen, Dienstmagd und glücklich zu werden auf Trollhaugen.
Einstmalen geschah das. Und es war eine durch Überlieferung geheiligte Sitte. Sie wurde vom gesamten Volke in Ehrfurcht respektiert.
Und jetzt kichern die jungen Mädchen. „Uff da!“ rufen sie, wenn der König sich ihnen in Wohlwollen nähern möchte. Und sie zwinkern frech mit den Augen und laufen davon... Zur Hölle mit ihnen!
Jawohl. Das wird aber allgemach doch ein ganz verdammter Zustand mit den obstinaten Mädchen — ausgerechnet jetzt in der brausenden Frühlingszeit, wenn sogar die Eisbäche an den Felsen die tollsten Sprünge machen.
Alter? Sollte der König wirklich alt geworden sein? Wer ist es, der das zu behaupten wagt? ... Ist jener Mann dort, der leichten Fußes den Weg heraufkommt, nicht der Müller Indrevig? Und hat der Müller nicht seine zweiundsiebzig Winter auf dem Rücken und vor ein paar Jährchen ein zwanzigjähriges Mädchen zu seiner Frau gemacht? Und ist der Müller seither denn nicht schon zweimal zum glücklichen Vater geworden?
Ja. Jawohl. Der Müller war aber schon ein erwachsener Mensch, als Sigmund Borsa noch auf der Schulbank saß. Überhaupt — es bedarf keiner weiteren Vergleiche...
Wen hat zum Beispiel diese elegante und ausnehmend hübsche Dame von all den vielen Menschen auf der Landungsbrücke angeredet? ... Nun geht sie an des Königs Seite. Und sie plaudert in zehn Minuten von zwanzig Dingen. Und sie lacht. Und das ist wie Vogelgezwitscher und Frühlingsrauschen. Das ist eine andere und feinere Melodie.
Dieser Weg hingegen ist schlecht und voller Steine und Unebenheiten. Die Dame kann nicht so leicht darauf gehen mit ihren zierlichen Füßen und kommt alle paar Schritte aus dem Gleichgewicht und stößt den König ein wenig an mit ihrer weichen Hüfte. Und dann sagt sie jedesmal leise: „Um Verzeihung!“ Und entschuldigt sich.
Aber es passiert ihr doch immer wieder, und sie kann nichts dafür. Sondern die ganze Schuld liegt am unebenen Wege. Nein, dieser Weg eignet sich schlecht für ausländische Lackschuhe.
Des Königs Lippen sind bereits trocken geworden. Er muß sie immerfort mit seiner Zungenspitze anfeuchten. Man mag sagen, was man will: das meiste geschieht doch nur durch das Zusammentreffen bloßer Zufälligkeiten.
Wenn zum Beispiel des Küsters rothaarige Petrine zu Ostern nach Trollhaugen gekommen wäre, könnte es schon möglich sein, daß des Königs Blut heute nicht so gar stürmisch rauschte, und daß sein Leben eine andere Richtung nehmen würde. Aber nein, Petrine kam nicht. Sie hatte natürlich einen Liebsten — so sind diese jungen Wesen heutigestags. Zur Hölle mit ihnen!
Hier geht ein Mann, der sich mit einmal der Mädchen von Mjelvik schämt ... Diese Bauerndirnen mit den breiten Gesichtern und den dicken Beinen, die auch Sonntags noch ein wenig nach Kuhstall und Küchenrauch und schlechtem Fett duften ...
Hahaha! Nein! — Die prachtvolle Dame an des Königs Seite duftet auch. Aber sie strömt alle Wohlgerüche des Morgenlandes von sich aus.
Eins allerdings stört den König. Daß ein so vornehmes Wesen mit dem Schmied Nils reden will — mit einem simplen Nils Ytra vom Tale. Der soll vor allen anderen zur Hölle fahren!
Nils Ytra? Er war ja ein paar Jahre lang fort in der Fremde. Man weiß nicht, was er dort getrieben. Vor kurzem kehrte er mit einem Motorrad zurück. Gut. Er bleibt trotzdem ein Dreckfink, der sich niemals in die Nähe einer feinen Dame wagen sollte.
Der König wird noch heute den alten Isaksen aufs Kontor kommen lassen und ihm einen deutlichen Wink geben.
Das finstere Schweigen des Königs gefällt Oline nicht. Sie erkundigt sich, wann der nächste Postdampfer in die Stadt zurückfährt.
Das werde nicht vor übermorgen um die Mittagszeit sein, sagt der König.
„Du große Welt!“ ruft Oline aus, bleibt stehen und blickt den König mit vollständig leeren Augen an. So sehr ist sie aus der Fassung gebracht.
„Ja“, sagt der König. Und die Dame werde nun zweimal in Mjelvik übernachten müssen, sagt er. Und das ließe sich absolut nicht ändern. Ja, wenn seine Jacht „Solrenningen“ nun gerade hier im Hafen und nicht unterwegs wäre ... Aber so ... Hingegen bei der Marte im Tale dürfe eine richtige Dame sich überhaupt nicht zeigen. Platt unmöglich ...
Und da bleibt also nur noch die einzige Möglichkeit: Trollhaugen.
„Trollhaugen?“
Jawohl, Trollhaugen, die Königsburg. Dort oben steht sie, breit und weiß, hinter alten stolzen Bäumen steht sie. Um Oline wird es hell.
Ach, Oline hat ja schon längst verstanden. Diese gesegnete Oline! Es fehlt ihr doch nicht an Lebenserfahrung und Menschenkenntnissen. Aber sie macht sich nun fabelhaft unwissend und furchtsam und alles in allem ungeheuer reizend. Sie ruft: „Das ist doch völlig ausgeschlossen und unmöglich! Gibt es denn hier gar kein Gasthaus?“
„Unmöglich — wieso? ... Und nicht die geringste Spur von Hotel!“
Alle besseren Reisenden fragen beim Krämer um Unterkunft. Der Krämer-Benjamin ... nein, er ist nicht fein genug ... Er ist nur für gewöhnliche Verhältnisse eingerichtet.
Darauf schweigt Oline und zeigt sich sehr verlegen. Und sie macht vier oder fünf hastige Schritte, als ob sie dem allem entfliehen könnte, und sagt: „Ach, alle Männer sind untreu und schlimm ... Man darf keinem einzigen trauen.“
Was soll nun das heißen? wundert sich der Mjelvikkönig. Aber er ist doch stark von eigenen Empfindungen eingenommen. Er richtet nun auch noch das andere Auge, das eigentlich nur für ferne Dinge bestimmt ist, auf Oline. Und was er sagt, bleibt ebenfalls einigermaßen verwunderlich. „Kristin liegt schon drei Jahre lang im Bett. Sie ist im Winter angezapft worden ... Aber das Wasser sammelt sich schon wieder in den Beinen.“
„Kristin?“
„Ja, meine Frau.“
„Oh!“
Oline ist nicht gefühllos. Nach kaum drei Schritten bezeugt sie dem König mit verschleierter Stimme sogleich noch etwas mehr Teilnahme. „Auch Sie müssen also ein hartes Los tragen!“ Und gleich darauf sagt sie: „Verzeihung!“
Der Weg wird ja immer schlechter.
Der Mjelvikkönig hält inne. „Wenn wir diesen Pfad emporsteigen, kommen wir zu einer kleinen Wiese.“
„Ei!“ wundert Oline sich und läßt zugleich ein paar blaue Blitze aus den Augenwinkeln fahren.
„Ja. Es steht eine kleine Scheune dort.“
„Ach!“ ruft Oline.
„Ja. Vor der Scheune steht eine Steinbank.“
„Das ist aber reizend!“ sagt Oline.
„Es ist auch gar nicht weit ... Eine kleine Viertelstunde ...“
Nun macht sich Oline wirklich gar zu kindisch. Sie schweigt plötzlich und nagt mit ihren Goldzähnen an der Unterlippe. Und dieses raubt dem König seine Besinnung und lähmt alle Widerstände. Das alles gleicht ja einem seligen Märchen. Hier, auf Armeslänge nur, steht des Märchens Prinzessin.
„Wenn es Sie nicht so sehr anstrengt ...“ bittet er.
„Nein“, sagt Oline, „das nicht ... Aber was sollen wir denn dort oben tun?“
Und so bringt sie den König immer mehr aus der Fassung mit ihrer rührenden Unschuld.
„Tun ...?“ stottert er. „Nein ... ich weiß nicht ... Wir könnten uns doch ein Weilchen unterhalten ...“
Hier steht nun der König und ringt mit seinen Gefühlen.
„So selten verirrt sich ein wirklicher Mensch in diese Gegend ...“
Das erscheint Oline nicht ganz unglaubhaft. Sie gibt selber zu, daß sie von diesem Orte Mjelvik nur durch Zufall und den Schmied Nils Ytra Kenntnis erhalten. Wenn jedoch ein schwergeprüfter Mann und König eine kleine Stärkung dringend bedarf, so ist Oline Jensen doch nicht die stolze, hartherzige Dame, die ihn mit kalter Hand und kalten Herzens von sich stoßen möchte. Durchaus nicht. Dahingegen handelt es sich hier nun wirklich um teure Lackschuhe und nicht um Bergstiefel. Und diese Schuhe sitzen außerdem sehr knapp. Wenn sie aus Glas anstatt aus Leder wären, könnte man leicht bemerken, daß die Zehen darin nicht nebeneinander, sondern übereinander liegen. Mit solchen Schuhen in diesen Bergen herumzusteigen, ist für Oline kein Vergnügen, sondern ein Opfer. Wohlan, Oline bringt das Opfer.
„Aber es wird für mich doch sehr beschwerlich sein“, erklärt sie mit einem tiefen Seufzer.
Und da wird der graue König wieder ganz jung und zuversichtlich und feurig. Er ruft; „Ich werde Sie stützen! Kommen Sie nur ... Sie sollen schon sehen, wie ich Sie stützen werde!“
Damit verschwinden die beiden im Tannenwalde.
Und die Bäche rauschen. Und die Vögel in den Bäumen sind völlig verrückt vor Freude und Verlangen.
Nicht vergeblich streicht der schlimme Südwind durch die Berge von Mjelvik. Er bringt alles außer Rand und Band.