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1.1 DENKMODELLE

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Was sind Denkmodelle? Denkmodelle sind die Gewohnheiten des Geistes. Wie Gewohnheiten, sind sie vielfach unbewußt, aber dennoch nicht weniger wirksam. Sie formen das Denken, geben ihm Richtung und Gestalt, noch bevor eine Beobachtung, eine Anschauung zu ihrer Bestätigung herangezogen wird. Denkmodelle bestimmen in sozialer Resonanz feststehende Überzeugungen. Sie fuhren ein eigenständiges Leben, das nur mäßig von gegensätzlichen Erfahrungen geprägt wird. Vor aller Wirklichkeitserkenntnis sind Denkmodelle soziale Wirklichkeit.

Es war diese Struktur, die Ludwick Fleck und Thomas S. Kuhn zu ihrer Kritik am traditionellen Wissenschaftsverständnis führte.2 Denkmodelle haben eine soziale Struktur, einen sozialen Zusammenhang, mit je eigener Reproduktion und Tradition, sind, wie Hegel sagte, »objektiver Geist«, nicht bloß individuelle Denkform. Sie sind ein Paradigma. Denkmodelle besitzen eine kommunikative Wirklichkeit, sie formen nicht nur den Blick auf die Tatsachen, sie formen auch die vielfältigen Diskussionen der Wissenschaftler und Politiker. Das Bild, das die analytische Philosophie und der kritische Rationalismus von der Entwicklung der Wissenschaft zeichnete, das Bild vom rastlosen Versuch, die Formen des Denkens mit der Materie der Erfahrung zu erfüllen, war nicht einfach nur naiv. Dieses Bild verkannte das Denken als eigene soziale Wirklichkeit. Carnap, Neurath und Popper verstießen gegen ihr eigenes Prinzip der empirischen Fundierung. Sie blickten auf vermeintliche Tatsachen und vergaßen das, womit sie auf die Tatsachen blickten. Genauer gesagt: Die analytische Philosophie unterließ es, den tatsächlichen Denkprozeß in der Wissenschaft zu untersuchen. Statt dessen unterstellte sie nur ein formal zwar komplexes, jedoch völlig inhaltsarmes Denkmodell: Die moderne Logik. Vom frühen Wittgenstein bis zu Popper durchzieht ein Glaube die Beschreibung wissenschaftlichen Denkens: Der Glaube an die Gültigkeit nur eines Denkmodells, das der formalen Logik und der auf dieser Basis errichteten Mathematik.


Physikalismus als Theorieideal

Der Wiener Kreis

Das Neue an den Arbeiten von Ludwick Fleck – der eigentliche Vorläufer – und Thomas S. Kuhn ist keine Abkehr von der Empirie. Vielmehr steht der Begriff des Paradigmas für die Empirie, allerdings nicht die der »Tatsachen«, vielmehr die Empirie der Praxis der Wissenschaftler. Fleck und Kuhn fragen: Warum denken Wissenschaftler in dieser oder jener Theorie. Sie fragen nicht primär: Was glauben Wissenschaftler mit dieser oder jener Theorie zu entdecken. Die Zweiteilung der Welt in eine unendliche Fülle von Fakten und die logischen Gesetze (»logischer Empirismus«) vergißt, daß sich die »Fakten« immer schon in einer interpretierten Form, in einer gedachten Form zeigen. Es gibt für die Wissenschaft keine vorsprachliche Welt. Deshalb ist es auch weder den Mitgliedern des Wiener Kreises noch Karl Popper gelungen, das Problem der Übersetzung von »Beobachtungssätzen« (Basissätzen) in Aussagen der Theorie zu lösen.

Die fragwürdigen Grundlagen der Ökonomie

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