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Der Schrei

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DER SCHREI

Als ich die alte verkratzte LP Live at the Village Vanguard Again! noch mal auflegte, an jenem kühlen Frühlingsmorgen in einem Dorf in Südfrankreich, und sie bei offenem Fenster laut hörte, krakeelte der stolze Hahn des Nachbarn exakt in dem Moment, als Pharoah Sanders mit seinem Solo loslegte. Und ich schwöre: Der Hahn und dieses verrückte Saxophon kreischten um die Wette, dass man kaum noch unterscheiden konnte, was Tier und was Instrument war. Es fiel mir auf, wie gut die beiden zusammen klangen, und ich ging nach draußen, um diesem Höllenspektakel zu lauschen. Dann bekam ich Besuch und das Erste, was mein Gast tat, war, wortlos zum Plattenspieler zu rennen und die Musik auf minimale Lautstärke herunterzudrehen. Ich sagte nichts, aber als die Musik schwieg, hatte auch der Hahn ausgekräht und widmete sich wieder seinen drei Hühnern. Abends, endlich allein, legte ich die verstaubte Platte erneut auf, das knisternde Kaminfeuer wärmte mir den Rücken an diesem nasskalten Aprilabend in der Provence, die eigentliche Wärme jedoch strahlte dieses Solo von Pharoah Sanders ab, für das man Coltranes Band seinerzeit so attackiert hatte. Nach Pharoah, dem Enfant terrible, kommt Trane wieder ans Mikrofon, so konzentriert und motiviert, als hätte er die ganze Zeit innerlich weitergespielt. Mit noch kraftvolleren Gesten knüpft er an Sanders' Botschaft an und verwebt alles kunstvoll miteinander. Wieder ertönt »Naima«, das er für seine erste Liebe geschrieben hatte, jetzt variiert er den Song in alle Richtungen und Johns Horn hat jenen besonderen Klang, der entsteht, wenn einfach alles stimmt - das Blatt, das Mundstück, die perfekte Symbiose von Körper und Instrument. Rudy Van Gelder saß am Mischpult und fing das Ereignis ein: John Coltrane - live at The Village Vanguard, 28. Mai 1966. (Jeder Toningenieur weiß, dass es nicht die schönen Mikrofone, sondern erst mal die Musiker selbst sind, die einen solchen Sound hervorbringen.) Ein Jahr später, am 17. Juli 1967, einem Montag, stirbt John Coltrane um vier Uhr morgens, zwei Monate vor seinem 41. Geburtstag, im Huntington Hospital in New York City.


John Coltrane - Biografie

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