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Der König und die Investitur

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Der Kaiserdom zu Speyer ist ein Symbol für die kaiserliche Machtfülle des Mittelalters, Spiegelbild für das Prestige der Salierfamilie und Ausdruck des technischen Know-hows sowie des Schöpferwillens der Menschen im 11. Jahrhundert, zugleich aber auch auf einzigartige Weise Architektur gewordenes christliches Credo. So wie sich Macht und Glaube im Dombau widerspiegeln, so gehörten sie im mittelalterlichen Denken zusammen. Die unversöhnliche Auseinandersetzung um die Interessen von Politik und Kirche, die damals im Investiturstreit kulminierte, schlug ein wie ein Blitz und rüttelte an der gesellschaftlichen Ordnung. Schon unter den Franken war es üblich, dass die weltlichen Herrscher bepfründete Kirchenämter vergaben, also Bischöfe und Äbte einsetzten, weil sie sich in ihrem Selbstverständnis als Eigentümer der Kirchen fühlten. Die Macht der Herrscher wurzelte im Religiösen.

Der junge König Heinrich IV. lebte noch ganz in der ottonisch-salisch geprägten Vorstellung eines sakralen, fast klerikalen Königtums, dessen Platz an der Spitze der hierarchisch gegliederten Kirche ist. Die Könige regierten in dem Bewusstsein, dass sie ihre Vollmacht, über andere Menschen zu herrschen, nicht aus sich selbst hatten, sondern dass ihnen diese Macht von Gott anvertraut war. Für die Landesherren war die Ämterbesetzung ein wichtiges Mittel, um ihre Position zu festigen, weil sie verständlicherweise nur ihnen genehme Geistliche einsetzten, die ihre Politik unterstützten und Loyalität erwarten ließen. Schließlich verfügten die Bischöfe und Äbte über wichtige Rechte, die mit umfangreichen Besitzungen verbunden waren. Sie hatten auch häufig wichtige Funktionen im Staatsapparat inne.

Bis zum Beginn der Kirchenreform im 11. Jahrhundert und der Cluniazensischen Reform sah man in dieser Konstellation nichts Unrechtes. Danach kämpften die Reformer vor allem gegen die Vergabe von Kirchenämtern gegen Geld (Simonie), die Priesterehe und die Laieninvestitur. Der Reformpapst Gregor VII. (um 1015 – 1085, reg. 1073 – 1085), zuvor Mönch Hildebrand, formulierte als Grundsatz sinngemäß: Der Papst ist das Oberhaupt der Christenheit; aufgrund seiner Obergewalt kann er nicht nur in die Rechte der Bischöfe eingreifen, sondern auch Kaiser und Könige absetzen. Heinrich IV. hatte 1072 noch den Mailänder Bischofsstuhl mit einem deutschen Erzbischof besetzt. Papst Gregor VII. verbot die Laieninvestitur zunächst nur dem deutschen König. Bei der römischen Fastensynode 1075 verschärfte er – der 1073 per Akklamation vom Volk und von den Geistlichen Roms zum Papst bestimmt wurde und damit gegen das Papstwahldekret von 1059 verstieß, wonach der Papst durch die Kardinäle zu wählen sei – das Verbot der Laieninvestitur: Er drohte Heinrich IV. mit der Strafe des Kirchenausschlusses. Heinrich IV. gelang es, die Reichsbischöfe gegen den Papst aufzuwiegeln. In einem Brief schrieb er an die Bischöfe: „Unter diese (Feinde) rechnen wir auch den Mönch Hildebrand, gegen den wir euch zur Feindschaft aufrufen, weil wir ihn als Eindringling in die Kirche, als ihren Bedrücker, als hinterhältigen Feind des römischen Gemeinwesens und unseres Reiches brandmarken […]. Erhebt euch also gegen ihn, Getreueste, und der erste in der Treue sei der erste, ihn zu verdammen. Wir sagen aber nicht, dass ihr sein Blut vergießen sollt, da ja das Leben nach der Absetzung für ihn eine größere Strafe ist als der Tod, sondern dass ihr ihn, falls er nicht abdanken will, dazu zwingt und einen anderen zum Papst annehmt.“ Beim Hoftag zu Worms 1076 spitzte sich der Konflikt zu. Heinrich IV. schrieb an „Hildebrand“, wie er den Papst verächtlich nannte. Das Textbeispiel zeigt, dass es – übrigens auf beiden Seiten – nicht zimperlich zuging: „Heinrich, nicht durch Anmaßung, sondern durch Gottes gerechte Einsetzung König, an Hildebrand, nicht mehr den Papst, sondern den falschen Mönch. Diese Anrede hast du nämlich für die von dir angerichtete Verwirrung verdient […]. Du scheutest dich nicht nur nicht, die Lenker der heiligen Kirche, nämlich Erzbischöfe, Bischöfe und Priester, die Gesalbte des Herrn sind, anzutasten, nein, wie Knechte, die nicht wissen, was ihr Herr tut, zertratest du sie unter deinen Füßen und gewannst dir dabei die Zustimmung aus dem Munde des Pöbels […]. Du nämlich bist auf folgender Stufe emporgestiegen: durch List – was das Mönchsgelübde verabscheut – bist du zu Geld gekommen, durch Geld zu Gunst, durch Gunst zum Schwert, durch das Schwert zum Sitz des Friedens, und vom Sitz des Friedens aus hast du den Frieden gestört; die Untergebenen hast du gegen die Vorgesetzten bewaffnet, unsere Bischöfe […]. Auch mich hast du angetastet, der ich nach der Überlieferung der heiligen Väter nur von Gott allein gerichtet werden kann […]. So steige du denn, durch diesen Fluch und das Urteil aller unserer Bischöfe verdammt, herab, verlasse den apostolischen Stuhl, den du dir angemaßt hast. Ein anderer steige auf den Thron des heiligen Petrus, einer, der Gewalttat nicht mit Frömmigkeit bemäntelt, sondern die reine Lehre des heiligen Petrus lehrt. Ich, Heinrich, von Gottes Gnaden König, zusammen mit allen meinen Bischöfen sage dir: Steige herab, steige herab!“

Sofort traf Heinrich IV. der Bann des Papstes. Er wurde exkommuniziert und dadurch von allen Sakramenten ausgeschlossen, die Untertanen wurden vom Treueid gegen ihren König entpflichtet. Der König stand nun außerhalb der Kirchengemeinschaft. Rasch schmolz Heinrichs Gefolgschaft. Im Oktober 1076 stellten die in Trebur versammelten Fürsten Heinrich IV. ein Ultimatum: Der König möge Buße leisten und um Rücknahme des Kirchenbannes ersuchen, andernfalls werde ein neuer König gewählt. Heinrich IV. folgte dem Ultimatum. Anfang Dezember 1076 hielt sich der König noch in Speyer auf, an Weihnachten war er in Burgund. Im Januar 1077 erfolgte sein Bußgang zur Burg Canossa in der Emilia-Romagna, wo der Papst als Gast von Markgräfin Mathilde von Tuszien (um 1046 – 1115) weilte. Dort erbat der König beim Papst die Lösung vom Kirchenbann. Drei Tage lang soll er zeitgenössischer Überlieferung zufolge im Büßergewand kniend um Einlass gefleht haben. Nach zähen Verhandlungen wurde dem Ersuchen stattgegeben. Heinrich IV. war augenscheinlich wieder Herr der Lage, der Vorgang war aber ein Rückschlag für das Königtum. Gregor VII. hatte sich durchgesetzt.

Auf einer Fürstenversammlung im März 1077 wurde erstmals die Forderung formuliert, dass die Fürsten über einen neuen König entscheiden sollen und nicht mehr der die Königswürde erlangen soll, der als Sohn die Nachfolge seines Vaters beansprucht. Das Wahlprinzip durch die Fürsten fand Eingang in das Ordnungsgefüge und entsprach einem fundamentalen Wandel in der Reichsordnung, der beim Streit um die Investitur nicht intendiert war, wie Stefan Weinfurter erinnert: „Diese neuartige Fürstenaufsicht über die Eignung und die Amtsführung des Königs war in hohem Maße beeinflusst und begründet durch die Auswirkungen der Kirchenreform im Reich. Dabei ging es zunächst gar nicht um die Mitwirkung der Fürsten, sondern um die Frage, ob der König weiterhin als Stellvertreter des himmlischen Königs eine sakrale und damit unantastbare Stellung einnehmen dürfe oder ob er wie ein gewöhnlicher Laie der geistlichen Autorität der kirchlichen Amtsträger unterworfen sei […]. Da nun die Stellvertreterschaft Christi im Verständnis der Kirchenreformer auf den Stuhl Petri übergegangen war, war die Garantie für das Seelenheil der Menschen an die päpstlichen Weisungen gebunden.“

In der Epoche der Salier gerieten Ordnungsstrukturen ins Wanken. Als zu Beginn des Jahrtausends mit dem Bau des Salierdomes begonnen wurde, waren die europäischen Völker noch im Sacrum Imperium Romanum politisch geeint. Die westliche und östliche Kirche, Rom und Byzanz, waren noch nicht getrennt. Doch bald fiel das Heilige Römische Reich in einzelne Herrschaftsgebiete auseinander und das Schisma von 1054 schließlich spaltete abend- und morgenländische Kirche.

Der Gang nach Canossa als Bild und Begriff für einen als demütigend und erniedrigend empfundenen Bitt- und Bußgang blieb im Sprachgebrauch erhalten.

Der Dom zu Speyer

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