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Erweiterung durch Querhauskrypta
ОглавлениеMit der Ausdehnung der Krypta auf das Querhaus erweiterte man erneut das Programm. In der Westwand der Ostkrypta gab es zunächst nur den mittleren Arkadenbogen. Er führte Richtung Westen in einen Raum, dessen Größe, Aussehen und Zweck wir nicht kennen. Dieser Raum lag etwas tiefer als die Ostkrypta, denn die beiden Halbsäulen, die auf der Westseite der Wand den Bogen flankieren, entstanden zeitgleich mit der Arkade. Ihre Basen und Kapitelle liegen tiefer als die der Ostkrypta (Abb. 6). Auf diesem Niveau entstand wenig später auch die Querhauskrypta.
Die beiden Arkaden, die den mittleren Bogen links und rechts flankieren, waren zunächst nicht vorhanden. Sie wurden nachträglich ausgebrochen. Beim Entfernen des Putzes 1961 konnte man sehen, dass der mittlere Bogen aus regelmäßig geschichtetem Quaderwerk besteht, während die seitlichen Bögen unregelmäßiges Füllmaterial aufweisen. Die Gestalt ihrer Unterseite erhielten die beiden Bögen durch das Aufbringen von reichlich Mörtel mit der Kelle. Die Annahme, dass zunächst keine Querhauskrypta vorgesehen war, wird auch durch Lücken im Fundament bestätigt.
Durch das Aufbrechen der beiden Durchgänge der Westwand des Ostarmes entstand eine monumentale Pfeilerarkatur. Diese wird drei Mal Richtung Westen wiederholt. Auf diese Weise wird die Vierungskrypta von den mächtigen Pfeilerarkaden umschlossen. Es entstand ein neuer Raum mit drei Schiffen und drei Jochen. Die Breite der Schiffe wurde übernommen, wie sie von der Ostkrypta vorgegeben war. Das Achsmaß in ostwestlicher Richtung, also der Abstand von Säule zu Säule, wurde vergrößert, so dass die Vierungskrypta kein quadratischer, sondern ein längsrechteckiger Raum wurde (Abb. 7).
Durch dieses System der ausgeschiedenen Vierung werden sämtliche Krypta-Teile optisch voneinander getrennt. Von der Vierungskrypta aus betrachtet, Richtung Norden und Süden, wurde das Geviert mit jeweils neun Gewölbejochen wiederholt. Wieder vergrößerte man dort, wo es möglich und nicht durch bestehende Bauteile vorgegeben war, das Achsmaß. Der Säulenabstand in den beiden Querhauskrypten wurde also in beide Richtungen erweitert. Das war bereits die zweite Steigerung in diesem Bauabschnitt. Trotz der Erweiterung blieb aber das Gestaltungsprinzip gewahrt.
6 Ostwand der Vierungskrypta. Zunächst gab es nur den mittleren Arkadenbogen. Er führte von Osten in einen unbekannten, nicht mehr vorhandenen Raum. Die beiden seitlichen Arkaden wurden zur Erweiterung der Krypta ausgebrochen.
7 Die monumentale Hallenkrypta des Kaiserdomes von Nordwest nach Südost mit Vierungskrypta, östlichem Kreuzarm (links) und dem Südquerarm (rechts).
In der erweiterten Krypta gibt es keine zusammenhängenden Wandflächen mehr. Entsprechend dem Gliederungssystem der Pfeilerarkaden erhielten die Wandflächen nun Blendnischen als ästhetische Modifikation. Gegenüber den flachen Wänden der Ostkrypta sind diese ein zusätzliches Gestaltungselement. Die Schildbögen des Gewölbes ruhen auf Halbsäulen und bilden eine „Wandarchitektur mit doppelter Reliefschichtung“ (Hans Erich Kubach). Die Altäre vor den Ostwänden erhielten durch halbkreisförmige Nischen, die in voller Raumhöhe in die Mauer eingetieft wurden, einen herausgehobenen Platz (Abb. 8).
Im Westen der Vierungskrypta errichtete man als Vorraum einen dreijochigen, gewölbten Raum in gleicher Form. Die Vorkrypta als Vorhalle vervollkommnete das gesamte Erscheinungsbild der Unterkirche (Abb. 9). Für die Zugänge von der Krypta zum Obergeschoss bot sich nun eine komfortable Lösung. Die Treppenläufe über die Osttürme wurden entbehrlich, zumal die Zugangsstufen zur Turmschwelle in der Ostkrypta die neu geschaffene Großzügigkeit der Anlage störten. Der Zugang zum Obergeschoss erfolgte fortan von der westlich vorgelagerten Vorkrypta aus über zwei parallele Treppenläufe, die die neu angelegte Grabanlage flankierten. Sie waren den heutigen Treppen ähnlich, allerdings viel breiter. Der historische Verlauf der alten Treppenanlage ist im teilweise erhaltenen Putz der Wangenmauern der modernen Gruftanlage durch eine Ritzlinie kenntlich gemacht (Abb. 10). Eine in der Treppenwange vorgefundene – wahrscheinlich bauzeitliche – Inschrift konnte bislang noch nicht überzeugend entziffert werden.
8 Südquerarm der Krypta nach Norden mit Blendnischen als Gliederungssystem. Halbkreisförmige Nischen der Ostwand bezeichnen den herausgehobenen Platz der Altäre. Drei Arkaden führen in die Vierungskrypta.
9 Vorkrypta mit rekonstruierter Ostwand des Gräberblocks und der Nachbildung von zwei Halbsäulen. Links Porträtplatte Rudolfs I. von Habsburg († 1291) um 1250.
10 Nördlicher Treppenschacht, Zugang zur Gruftanlage von 1906, heutiger Zustand. Frühsalischer Stufenverlauf links (im Putz nachgeritzt), rechts hinter der Wand Teile der ursprünglichen Vorkrypta.
Konrad II. starb im Jahr 1039. Seine letzte Ruhestätte fand er in ebener Erde am Ostende des Mittelschiffs, zwischen den beiden neu geschaffenen Treppen zur Krypta (Abb. 11). Seinen einfachen Steinsarg bewehrte man mit Eisenbändern, weil die Bauarbeiten am Dom noch in vollem Gange waren. Zu diesem Zeitpunkt müssen die Fundamente für das Langhaus bereits angelegt gewesen sein, und zwar in dessen endgültiger Breite von fast 38 Metern, aber nur in 55 Metern Länge. Die Vorkrypta wurde wenig später im Zuge einer Erweiterung der ursprünglichen Grablege zugeschüttet und eingeebnet. Sie war lange Zeit vergessen und wurde erst anlässlich der Öffnung der Kaisergräber im Jahr 1900 wiederentdeckt. 1960 wurde ein Teil der Vorkrypta wiederhergestellt. Sie bildet jetzt das Bindeglied zwischen der 1902 errichteten Gruftanlage und der Krypta.
11 Isometrische Rekonstruktion der Grablege Konrads II. mit Treppenanlage und Vorkrypta um 1039 (Gewölbe und Pfeiler abgeschnitten).
Insgesamt 78 Halb- und Viertelsäulen sowie freistehende Stützen tragen die 45 Kreuzgratgewölbe der Gesamtanlage, wobei 39 nahezu regelmäßig sind und, wie erwähnt, sechs gedrückte Gewölbe der halbkreisförmigen Apsis geschuldet sind. Gliederung und Rhythmus werden von der Ostkrypta ausgehend im Prinzip wiederholt und optimiert. Obgleich ein einheitlicher Gesamteindruck wahrnehmbar ist, werden separate Räume akzentuiert. Dadurch entsteht die Wirkung der Monumentalität. Die Krypta wuchs auf diese Weise zu einer der größten Anlagen ihrer Art. Hans Erich Kubach bezeichnete die Akzentuierung dieser Architektur als einen ersten Höhepunkt in der Bauentwicklung des Domes und zugleich einen „Fixpunkt in der Geschichte der europäischen Romanik“.