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Gelübde an die Gottesmutter
ОглавлениеLeider lässt sich aus keiner zeitgenössischen Quelle ein Anhaltspunkt für das Gründungsdatum gewinnen. Früheste authentische Zeugnisse liefern zwei Urkunden Heinrichs IV. aus dem Jahr 1065. Sie erlauben – ohne Zeitangabe – den Schluss auf eine Gründung des Domes durch Konrad II. Urkundlich belegt ist eine Schenkung Konrads II. an Speyer vom 11. September 1024, also kurz nach seiner Wahl, in Ingelheim. Mit der Schenkung erfüllte er womöglich ein Gelübde an die Gottesmutter, das er vorher für den Fall seiner Erhebung zum König gegeben haben mag. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch ein Kirchenbau Teil dieses Gelübdes war. Der Auftrag für den Neubau eines Domes hätte zu diesem Zeitpunkt erfolgt sein können. Als Konrad II. 1039 und Gisela 1043 starben, befand sich der Dom im Bau.
Das Jahr 1030 als Gründungsdatum taucht erstmals in einer anonymen Bischofschronik aus dem frühen 14. Jahrhundert auf. Der Legende nach wurden die Limburg, der Dom und das St.-Guido-Stift in Anwesenheit Konrads II. am gleichen Tag, dem 12. Juli 1030, gegründet. Der 12. Juli hatte deshalb besondere Bedeutung, weil man das Datum lange sowohl als Geburtstag als auch als Beisetzungstag Konrads II. im Jahr 1039 ansah. Der Bleiplatte im Sarg zufolge war die Bestattung jedoch am 3. Juli 1039. Wenn also der 12. Juli als Gründungsdatum angenommen wird, dann kommen nach Anton Doll nur die Jahre 1025 und 1029 in Betracht, weil Konrad II. am 14. Juli 1025 in Speyer und am 12. Juni 1029 in Straßburg geurkundet hatte. Der 12. Juli 1030 scheidet für Doll gänzlich aus. Als feierlicher Baubeginn in Anwesenheit des Stifters kommt für ihn eine Reihe weiterer Tage in Betracht, aber nie ein 12. Juli. Außerdem schließt er Aufenthalte während der kalten Jahreszeiten aus. Hans Erich Kubach nennt die Jahre 1025, 1029 und 1030 als mögliche Gründungsjahre. Stefan Weinfurter hält den späten September 1025 als Gründungszeitpunkt für wahrscheinlich. Im Hinblick auf Chronologie und Baufortschritt wird eine Grundsteinlegung nach 1030 eher unwahrscheinlich sein.
Matthias Untermann schließt aufgrund skeptischer Schätzung des möglichen Baufortschritts auf einen noch früheren Baubeginn. Nach seiner Auffassung, publiziert 2017 im vierten Band des Pfälzischen Kirchenlexikons, war 1024 mit dem Dombau längst begonnen worden. „Die seit dem 14. Jahrhundert behauptete Verbindung des Baubeginns mit einer Initiative Kaiser Konrads II. ist fiktiv […]. Die 1024, 1025 und 1027 für Speyer ausgestellten Urkunden Konrads II. […] nehmen keinen ausdrücklichen Bezug auf einen laufenden oder geplanten Domneubau […]. Das Jahr des Baubeginns ist also unbekannt.“ Für Untermann dürfte der „erste Spatenstich“ angesichts des um 1040/1045 erreichten Bauvolumens und der verschiedenen Planwechsel deutlich vor 1024 gelegen haben. Für den Autor ist der Dom eine Gründung um 1015/1020 in der Verantwortung Bischof Walters von Speyer (um 965 – 1027, reg. 1004 – 1027) und des Domkapitels. Walter selbst war ein hochgebildeter und im Reich gut vernetzter Bischof. „Ein Dombau in Speyer fügt sich ein in die Neubauten der meisten deutschen Domkirchen in dieser Epoche“, schreibt Untermann. Aufgrund der Unsicherheiten in der frühen Planung könne der Dom kaum der Initiative des Königs zugeschrieben werden. Die Förderung Speyers durch Konrad II. nach dessen Regierungsantritt 1024 führte zu Planänderungen, die die Errichtung der damals größten und modernsten Kirche im Reich zur Folge hatte, argumentiert Untermann.
Erwin Reidinger vertritt die These, dass die Anlage der Längsachse des Mittelschiffs auf einen Sonnenaufgang deute, der am 25. September 1027 stattgefunden haben müsse. Das Querschiff mitsamt dem Altarhaus weise gegenüber dem Langhaus einen Achsknick nach Süden auf. Die astronomische Berechnung des Sonnenaufgangs für deren Ausrichtung ergäbe den 29. September, den Festtag des Erzengels Michael. Durch die Achsverschiebung erlebe das Altarhaus gegenüber dem Langhaus eine „Steigerung der Heiligkeit“. Weil dort am Altar die Auferstehung des Herrn am dritten Tag gefeiert wird, müsse die Ostchor-Orientierung grundsätzlich nach der Langhaus-Orientierung – drei oder mehrere Tage später – vorgenommen worden sein, so die Idee, die Reidingers These zugrunde liegt. Der Orientierungstag habe die Heiligkeit dieses Kirchenraums demnach steigern sollen, so dass dafür ein noch höherer kirchlicher Festtag anzunehmen sei. Da der salische Herrscher, so besage es die Legende, bei der Grundsteinlegung des Domes anwesend war, liege der Baubeginn des Domes – dieser Methode entsprechend – im Zeitraum vom 25. bis 29. September 1027.
Der These, dass sich aus der Ausrichtung eines Kirchenbaus auf diese Weise Aufschlüsse über dessen Gründungsvorgang gewinnen lassen, erteilt Stefan Weinfurter mit Blick auf den Speyerer Dom eine Absage. Der Dom weise keineswegs zwei Bauteile (Langhaus einerseits, Querhaus und Altarhaus andererseits) mit zwei klar unterschiedenen Mittelachsen und in sich stimmigen Baukörpern auf. Vielmehr gingen die Linien und Winkel wild durcheinander, so Weinfurter. Diesen Befund könne man nicht mit einer bewussten und gewollten Planung erklären. Außerdem verweist Weinfurter auf die Annahme von Walter Haas, dass das Langhaus und die Ostteile nicht in einem Zug abgesteckt werden konnten, weil auf einem Teil des Geländes ältere Bauten standen. Diese habe man nicht alle vor Baubeginn beseitigen können, weshalb sie beim Vermessen im Weg standen. Damit sei die Ungenauigkeit in der Bestimmung des rechten Winkels auf Messfehler zurückzuführen, begründet Weinfurter: „Für den Speyerer Dom erweist sich die Erklärung und damit die gesamte Methode letztlich mehr als hypothetisch […]. Vor allem die Annahme eines Zweistufenverfahrens von Langhaus-Orientierung und Chorraum-Orientierung halte ich im Falle des Domes von Speyer für unhaltbar.“