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Türme, Gewölbe und Giebel

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Ob die Vierung am Ende der ersten Bauzeit wie ein Turm über das Dach hinausragte, wissen wir nicht. Hatte der Turm in diesem Fall einen quadratischen oder oktogonalen Grundriss? Sicher ist nur, dass die Unterkonstruktion vorhanden und damit die bauliche Voraussetzung für einen Mittelturm geschaffen war. Das verraten die Verstärkungen an den Vierungspfeilern aus der ersten Bauzeit. Der heutige oktogonale Vierungsturm reicht in die zweite Bauzeit zurück (vgl. Abb. 26). Er wird bordiert mit einer einfachen Zwerggalerie. Wie die Freigeschosse der vier Türme wurden die Wandflächen mit Lisenen und Rundbogenfriesen gegliedert. Im Inneren stellen gewölbte Pendentifs die Verbindung von den Vierungspfeilern zum Achteck des Turmes her. Seit dem Entfernen der Ausmalung sind die drei Stirnbögen wieder sichtbar. Der obere trägt die Last, der mittlere verbindet die gewölbten Zwickel und der dritte Unterzug entstammt der Notreparatur durch Johann Leonhard Stahl von 1758/1759 (Abb. 33). Der Turm besteht im Inneren aus zwei durch Gesimse gegliederte Geschosse und dem achtseitigen Klostergewölbe aus Tuff. Die Muldennischen und Kreisfenster der Wandflächen, die im 19. Jahrhundert vermauert waren, wurden 1964 wiederhergestellt.

33 Johann Leonhard Stahl verstärkte aus statischen Gründen sämtliche Vierungspfeiler mit mächtigen Mauervorlagen. 1759 wurden die Sicherungsmaßnahmen abgeschlossen. Der westliche Unterzug trägt die Jahreszahl.

34 Ansicht des Domes von Osten aus den 1930er Jahren mit barocker Dachneigung, Walmen über den Querarmen und Ostgiebel mit aufsteigender Zwerggalerie sowie vermauerten Arkaden der drei Osttürme. Der Ostgiebel von 1868 wurde 1963 abgebrochen und durch den heutigen ersetzt.

35 Durch die Tieferlegung des Daches sollte der Dom seine romanische Dachneigung wiedererhalten. Das Foto entstand am 7. Oktober 1962.

In einem weiteren Abschnitt wurde das Altarhaus erhöht, um es den bestehenden Bauteilen anzugleichen. Aufgrund der Erhöhung des Baukörpers erhielt das Altarhaus zwischen Türmen und Apsis eine zweite, über der ersten liegende Galerie. Daraufhin benötigte man einen Ostgiebel. Er bestand aus gestaffelten Nischen. Mehr ist über diesen Giebel nicht bekannt. Der romanische Giebel wurde 1756/1757 abgebrochen und durch eine leichte Fachwerkwand mit Krüppelwalm ersetzt. Diese Konstruktion hatte Bestand, bis man dem Altarhaus 1868 einen neuromanischen Steingiebel aufsetzte (Abb. 34). Seine stufenweise ansteigende Säulengalerie passte sich dem steilen Barockdach an. Nach ihrer Beschädigung 1689 wurden auch die romanischen Querhausgiebel im 18. Jahrhundert durch barocke Dachwalme ersetzt.

Im Zuge der großen Domrestaurierung in den 1960er-Jahren wurden die steilen Barockdächer tiefergelegt. Anhaltspunkte für die romanische Dachneigung boten Spuren der Dachanschläge am Vierungsturm und an den beiden Osttürmen. Nach einem ersten, unbefriedigenden Versuch, die richtige Dachneigung zu finden, wurde weiter so heftig diskutiert, dass das offene Domdach lange Zeit nicht geschlossen werden konnte (Abb. 35). Fragen der Statik an der mehrfach geänderten Holzkonstruktion des Dachstuhles wurden vernachlässigt, so dass die Dachkonstruktion erst in den 1990er Jahren entsprechend ertüchtigt wurde. Dabei wurden auch Glasfasermatten auf den Gewölben im Dachraum, die für einen Klimaausgleich sorgen sollten, entfernt.

Nach der Anpassung des Domdaches an das romanische Vorbild bot sich auch die Gelegenheit, die drei Giebel an die neuen Dachneigungen anzupassen. Das Altarhaus erhielt 1963 einen neuen Giebel, eine Rekonstruktion nach dem Vorbild der Mainzer Ostpartie (vgl. Abb. 22). Die neuromanischen Bogenfriese und Gesimse von 1868 wurden dafür zweitverwendet. Für die Querhausgiebel konnte die ursprüngliche Unterkonstruktion des romanischen Giebels gefunden werden, und zwar auf der massiven Rückwand der Galerie. Deshalb springen die Giebel hinter einem Pultdach zurück und sorgen so für eine zusätzliche Horizontale. Dethard von Winterfeld, der die Pläne für die neuen Querhausgiebel fertigte, nahm für die Rekonstruktion die Zeichnung aus der Albertina (Abb. 36) zu Wien (entstanden vor 1613) und die so genannte Kölner Zeichnung (1606) aus dem Wallraf-Richartz-Museum (Abb. 37) zur Grundlage. Beide Zeichnungen bilden den romanischen Bauzustand originalgetreu ab, wie Karl Rudolf Müller eindrucksvoll nachgewiesen hat. Der Vorschlag des damaligen Bauleiters Rudolf Esterer, der die Giebel direkt auf den Säulen der Galerie aufsetzen wollte, wurde verworfen.

Die Frage der Einwölbung der Querhäuser mit Bandrippen konnte die Bauuntersuchung 1996 nicht mit neuen Befunden klären. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Querhäuser zunächst gar nicht oder nur mit einer Holzkonstruktion geschlossen gewesen wären – aber auch keinen Beweis, dass die Gewölbe unmittelbar mit den Querhäusern gebaut worden sein müssten“ (Johannes Cramer). Dethard von Winterfeld ordnet die Bandrippengewölbe beziehungsweise „die Gewölbe mit Diagonalgurten“ der beiden Querarme noch in die zweite Bauzeit des Domes ein (Abb. 38). Zuvor galt die Meinung, dass sie bei der Wiederherstellung des Gewölbes nach einem Brand im Jahr 1159, also erst nach der zweiten Bauphase, gefertigt wurden. Zu der neuen Datierung kam von Winterfeld maßgeblich durch Untersuchungen am Dom zu Worms, dessen Rippengewölbe eindeutig jünger sind als die Speyerer. Durch das Verfahren der Holzdatierung ergab sich für Worms eine exakte Datierung der oberen Gewölbezone zwischen 1132 und 1137. Damit lässt sich – über den Wormser Dom – schließen, dass die Speyerer Bandrippen früher entstanden sein müssen als bisher angenommen. Speyer war also Modell für Worms und den gesamten Oberrhein. Damit wären die Speyerer Bandrippen die frühesten ihrer Art in der ganzen europäischen Architekturgeschichte.

36 Die so genannte „Wiener Zeichnung“, entstanden vor 1613. Die Zeichnung zeigt das historische Aussehen der Nordseite des Domes seit dem frühen 13. Jahrhundert detailgenau. Die bisherige Zuschreibung an Wenzel Hollar als Zeichner ist nach Ludwig Anton Doll und Günter Stein hinfällig (Bleistift- und Federzeichnung, laviert und leicht aquarelliert, 29,4 Zentimeter mal 17,9 Zentimeter).

37 Eine der ersten genauen Darstellungen des Domes von Südwesten mit romanischem Westabschluss, so genannte „Kölner Zeichnung“ aus dem Wallraf-Richartz-Museum in Köln, datiert 1606 (Federzeichnung Tinte auf Papier, 15,8 Zentimeter mal 10,5 Zentimeter).

38 Bandrippengewölbe (Gewölbe mit Diagonalgurten) des nördlichen Querarmes, Ende Bau II.

39 Afra-Kapelle Richtung Osten, Altar und Tabernakel-Stele von Elmar Hillebrand und Kreuzigungsgruppe von Jakob Adlhart. In dem damals noch ungeweihten Raum stand von 1106 bis 1111 der Sarkophag des im Kirchenbann gestorbenen Kaisers Heinrich IV.

Um 1100 entstand im Winkel zwischen Querarm und Seitenschiff der Nordseite eine kleine Kapelle mit Vorhalle, die St.-Afra-Kapelle (Abb. 39). Der Ort war noch nicht geweiht, als Heinrich IV. im Jahr 1106 starb. Weil er sich in seinem zweiten Kirchenbann befand, wurde sein Sarkophag fünf Jahre lang in der noch ungeweihten Afra-Kapelle bestattet, bis er 1111, vom Bann schließlich befreit, in die Grablege seiner Eltern überführt werden konnte.

Über die einstige Farbigkeit des Dominneren ist zu wenig bekannt, als dass man sich eine Vorstellung von seinem ursprünglichen Aussehen machen könnte. Der Fußboden bestand aus einem einfachen Mörtelestrich von leicht rötlicher Färbung. Später wurden Steinplatten darübergelegt. Bislang nahm man an, dass die kleinquadrigen Wandflächen verputzt und die Quader farbig getüncht waren, so dass die architektonische Gliederung betont wurde. Obwohl die Steinoberflächen über Generationen von allen Putzresten befreit wurden, konnten bei der Restaurierung 1996 an drei Stellen des erhaltenen mittelalterlichen Obergadens von Bau II kleine Flächen eines sehr stark verdichteten, nur wenige Millimeter starken, geglätteten Kalkputzes gefunden werden. Der bauleitende Architekt Johannes Cramer stellte fest: „Man wird also vermuten dürfen, dass jedenfalls der Bau von Speyer II insgesamt mit einer solchen Feinputzschicht überzogen war und damit dem Anspruch, an römische Bautradition anzuknüpfen, nicht nur mit der innovativen und damals technisch gewagten Einwölbung, sondern auch und vor allem mit der Innenraumgestaltung nachkam. Der Betrachter sollte im Kircheninneren offenbar gerade nicht den rohen Sandstein sehen, sondern den Eindruck eines aus vornehmem Marmorgestein errichteten oder jedenfalls damit ausgestatteten Bauwerks gewinnen. Leider sind die Befunde insgesamt zu gering und zu kleinteilig, als dass sich über diese generelle Einschätzung hinaus konkrete Hinweise auf die Einzelheiten einer Raumgestaltung des späten 11. Jahrhunderts ableiten ließen“. Dieser Fund gibt also im Hinblick auf die hochromanische Innenraumgestaltung weiterhin erhebliche Rätsel auf.

Der romanische Westbau, der als Querriegel dem Langhaus schon bei Bau I vorgelagert war und dessen Schmalseiten die Seitenschiffwände ohne Absatz verlängern, wurde ebenfalls um 1100 umgebaut. Die Fassade erhielt ein großes, gerahmtes Fenster in der Achse. Weitere Eingriffe in das Gefüge des vorhandenen Baues gab es anscheinend nicht. Auf die beiden bestehenden Geschosse setzte man, östlich an die Türme anstoßend, eine Zwerggalerie. Weil sie auf dem bestehenden Bau aufruhte, lag sie höher als die Galerie des Langhauses. Die Stützen folgten einem bestimmten Rhythmus: Zwischen Pfeilern mit Rundbogenöffnungen saßen vier Bogenstellungen, die von jeweils drei Säulen getragen wurden. Der Laufgang war von einem ornamentierten, rund um den Querbau laufenden Fuß- und Traufgesims besäumt, wobei Letzteres bereits an den Türmen endete. Den oberen Abschluss des Baukörpers bildete ein querlaufendes Satteldach mit Giebeln zu den Schmalseiten. Den Ortgang der Giebel begleitete ein zierlicher Bogenfries, in der Fläche verteilten sich drei Nischen, möglicherweise mit Säulen an den Kanten. Die östliche Traufe des Satteldaches lehnte sich an die Turmwände an. Aus dem Satteldach erhob sich ein achtseitiger Mittelturm. Aber sein tatsächliches Aussehen ist erst aus dem 15. Jahrhundert bekannt. Schallarkaden öffneten den Innenraum, an den acht Kanten befanden sich Lisenen und ein verbindender Rundbogenfries unterhalb der Dachtraufe des Zeltdaches. Vom großen Umbau stammen aber die oberen Teile der beiden westlichen Türme mit queroblongem Grundriss. Das spätere Aussehen des Westbaues um 1606 und vor 1613 ist durch die Wiener und die Kölner Zeichnungen bezeugt.

Im Jahr 1106 war der Umbau weitgehend abgeschlossen. Heinrich V. (1086 – 1125) ließ wohl nur noch einige abschließende Arbeiten ausführen, insbesondere die Vollendung der Türme (ohne ihre späteren Giebel und Helme).

Der Dom zu Speyer

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