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Motive für den Abriss der Ostpartie
ОглавлениеHeinrich IV. ließ in einem ersten Schritt den östlichen Teil des Altarhauses samt rechteckig ummantelter Apsis bis auf die Krypta, die Turmschäfte und das westliche Gewölbejoch abtragen. Als Gründe für diesen Teilabriss nennen die Quellen Probleme mit den Fundamenten wegen des Rheinverlaufs. Von Absperrbauten gegen die Fluten wurden bei den Untersuchungen in den 1930er Jahren keine Anzeichen gefunden. Auch Schäden, die durch Hochwasser entstanden sein könnten, wurden nicht augenscheinlich. Das Strombett war weit vom Bau entfernt und lag so tief, dass dieser bei einer Überflutung kaum hätte in Mitleidenschaft gezogen werden können. Auch damals gab es schon „Fake News“. Auf diese Weise wollten die genannten Quellen die Bauschäden verschleiern, die aufgrund unordentlicher Arbeit entstanden waren. Tatsächlich war das Mauerwerk des ersten Domes mangelhaft vermörtelt. Zwischen den äußeren Quaderschalen klafften zum Teil große Hohlräume. Diese Tatsache allein reicht aber als Grund für eine so gewaltige Baumaßnahme nicht aus. Es muss für den großen Umbau ein ganzes Bündel von Gründen gegeben haben. Das Verlangen des Herrschers nach adäquater Repräsentation spielte zweifellos eine maßgebliche Rolle. Darüber hinaus hatte sich die Baukonzeption aufgrund der vielen Planänderungen weiterentwickelt (Walter Haas).
Das Innere der Ostkrypta blieb unverändert. Die Fundamente und die Wände wurden nach außen hin verstärkt (Abb. 21) und das Altarhaus darauf neu aufgebaut. Es entstand jeweils innen und außen eine halbrunde Apsis mit einer beeindruckenden Gliederung durch Blendarkaden (Abb. 22). Kunstvolle Steinmetzarbeiten traten erstmals zutage, wie etwa ein figürliches Trommelrelief an einer der Halbsäulen (Abb. 23). Die Apsis wurde von einer Galerie bekrönt. Die Stützen erhielten an Basen und Kapitellen erstmals reichen, nach antikem Vorbild gestalteten Schmuck. Die Bauleute statteten die Apsis mit Rundbogenfenstern aus. Im 19. Jahrhundert wurden diese verlängert. Bei der Restaurierung in den 1960er Jahren verkürzte man die hohen Fenster wieder auf ihr ursprüngliches Maß und öffnete das Rundfenster der Apsis. Daher entsprechen heute die Proportionen wieder ihrem Ursprung.
21 Grundriss der Krypta des Domes mit schematischer Darstellung der wichtigsten Bauphasen, moderne Gruftanlage (mit springender Schnitthöhe eingeschnitten).
22 Hochromanische Ostansicht mit Stützbogen Johann Leonhard Stahls von 1756 und Ostgiebel von 1963. Rhythmisch gegliederte halbrunde Apsis, von Laufgang mit Stützensystem aus Pfeilern und Säulen bekrönt, individueller Ornamentschmuck an Basen und Kapitellen sowie figürliches Trommelrelief an einer der Halbsäulen.
Ein Kranz von halbrunden Muldennischen und von Halbsäulendiensten, die das horizontale, dreiteilige Gebälk nach oben durchdringen und die Fenster rahmen, gliederten das Innere kraftvoll. Das an dieser Stelle gleich zwei Mal verwendete dreiteilige Gebälk löste die einfachen Schmiegengesimse der Krypta ab (Abb. 24). Wandkapellen sparte man aus den dicken Seitenwänden des Altarhauses aus. Sie lassen die wuchtigen Mauermassen leicht erscheinen. Die kleinen, quadratischen, kreuzgratgewölbten Joche der Kapellen öffnen sich zum Altarhaus in je zwei Rundbögen, die von einer Mittelsäule gestützt werden. Auch die Wandkapellen und zahlreiche Fenster des Altarhauses wurden im 19. Jahrhundert zugemauert, um mehr Malfläche zu erhalten. 1960 öffnete man sie wieder. Das Altarhaus des Baues I schloss nach oben mit einem Tonnengewölbe ab. Daher besteht der westliche Teil, wie oben erwähnt, heute noch in seinen Hüften aus dem Ursprungsbau. Wegen akuter Bauschäden mussten aber, im Rahmen des großen Umbaus (Bau II), die östlichen Teile des alten Gewölbes abgetragen und neu errichtet werden. Die Apsis vervollständigte man mit einer Halbkuppel. Während die Bauleute die Altarhauswände von den Turmwänden an nach Osten völlig neu gestalteten, behielt der obere Raumabschluss – zumindest optisch – sein ursprüngliches Aussehen von Bau I bei. Zeitgleich mit der Neuerrichtung des Altarhauses war die zweigeschossige Kapelle im Winkel zwischen Langhaus und Südquerarm im Bau. Als diese Kapelle gebaut wurde, dachte man offenbar noch nicht an einen radikalen Umbau der Querhausanlage, wie gleich gezeigt wird. Denn diese Doppelkapelle war bald bei der Ummantelung des südlichen Querarmes im Weg.
23 Relief an einer Halbsäule der Apsis, Veranschaulichung des Friedens im messianischen Reich (Jesaja XI, 8).
24 Altarhaus des Domes im Osten. Die Innenwände der Osttürme mit den Blendnischen sowie die Hüften des westlichen Tonnengewölbes stammen von Bau I, der östliche Teil mit der reichen Wandgliederung wurde im Zuge des Neubaus nach 1080 errichtet.