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Vorwort Irgendetwas versteht immer

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Was ist der Mensch in seinem Wesen? Was soll diese ganze Existenz? Gibt es einen tieferen Sinn hinter allem? Diese Fragen sind seit Jahrtausenden jene Leitfragen der Menschheit, die unsere Kultur – Religion und Philosophie, Wissenschaft und Kunst – geprägt haben.

In diesem Buch begegnen sich Laotse, ein chinesischer Weiser, der vor 2.500 Jahren lebte, und Karl Renz, ein deutscher Künstler und Mystiker unserer Zeit. Sie treffen sich dort, wo Zeit und Raum keine Bedeutung haben.

„Laotse“ ist kein Eigenname, sondern eine Ehrenbezeichnung: „Der Alte“. Die Überlieferung sagt, dass ein alter Beamter, der als Archivar von Schriften diente, beim Verlassen des Reiches von einem Grenzer gebeten wurde, seine Erkenntnisse niederzuschreiben. Laotse übergab ihm über 5000 chinesische Schriftzeichen und zog weiter Richtung Westen. Das Werk beeinflusste die Regierungen einiger späterer Kaiser und erhielt den Titel Tao Te King, was in etwa „das klassische Buch vom Sinn und Leben“ bedeutet.

Zu Laotse (Laozi) und der Entstehung des Tao Te King (DaodeJing) gibt es unzählige, oft gegensätzliche Darstellungen. Ebenso unterschiedlich sind die Übersetzungen und Interpretationen, die sich seit dem 19. Jahrhundert in Europa verbreiteten. Im Tao Te Karl ist fast immer die bekannte Übersetzung von Richard Wilhelm herangezogen worden, in einigen wenigen Fällen die von Rudolf Bachofen.

Richard Wilhelm weist in seiner Einleitung darauf hin, dass der Begriff Tao eher wie ein „algebraisches Zeichen“ für etwas anzusehen ist, das eben im Grunde undefinierbar und unaussprechlich ist. Tao wurde unter anderem mit ‚Gott’, ‚das Unergründliche’, oder, wie bei Wilhelm, mit ‚Sinn’ wiedergegeben. In diesem Buch steht stattdessen aber einfach ‚Tao’.

Damit sind wir bei Karl Renz. Die Idee, das Tao Te King mit den ‚Talks’ von Karl Renz in einem Buch zusammenzubringen, stammt von Dietmar Bittrich, der auch „Das Buch Karl“ herausgegeben hat. Karl spricht in seinen Veranstaltungen, die er gelegentlich „Selbstgespräche“ oder „Performances“ nennt, völlig spontan. Ja, er sagt selbst, dass er nicht weiß, was durch ihn oder wovon er spricht. Die hier transkribierten Mitschnitte von Talks beziehen sich nur ganz selten auf explizite Texte aus dem Tao Te King. Es ging vielmehr um eine Zuordnung und gegenseitige Befruchtung der Aussagen von Karl Renz und Laotse.

Wer nun erwartet, dass das eine das andere für den Verstand durchschaubarer macht, wird zwangsläufig enttäuscht. Laotses Sätze können sicher als sinnvolle Handlungsanweisung für Regierende und Manager verstanden werden und könnten da auch bestimmt einen Gesinnungswandel hin zu Bescheidenheit, Güte und Gerechtigkeit bewirken. Doch Karl hat nichts dergleichen im Sinn.

Er spricht genau die Dimension des Tao an, die nicht greifbar und nicht nutzbar ist. Die Absage an das Funktionieren des Menschen in einer durchorganisierten und zielstrebigen Welt zieht sich als Hauptthema durch das Tao Te King und, wenn auch auf einer anderen Ebene, durch die Talks von Karl Renz.

Laotse möchte Menschen und Reich durch eine Ethik schützen, Karl redet jenseits von Gut und Böse. Doch bei allen Unterschieden ist diese Verbindung „aha“-verdächtig. Die Kombination verdunkelt und erhellt, verwirrt und macht klar. Man muss nichts verstehen, aber wie Karl sagt: „Irgendetwas versteht immer!“

Christian Salvesen

Tao Te Karl

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