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9. Siegfried und Brunhild

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Aus Wittich Wielands Sohn.

(Amelungenlied I.)

Sie ritten eine Strecke, dann hielt der Meister gut,

Nicht länger mocht' er bergen den Groll in seinem Mut:

Er wandte sich zu Heimen und sprach: „Womit erweist

Dein Mund nun, daß du älter als ich und Herdegen seist?

Es geht dir an die Ehre, wenn du es nicht bewährst.“

„Die Sorg' ist überflüssig, wie du sogleich erfährst,“

Sprach Heime der junge; „doch reit dein Roß nur zu,

Wir traben sachte weiter, so meld' ich alles in Ruh'.

Du warst noch ungeboren, als ich das Weltlicht sah;

Nach meines Vaters Stuten Studas hieß ich da.

Nichts Liebers wüßt' auf Erden mein Vater Adelger:

Von den Fohlen, die sie warfen, kam all der Reichtum ihm her. –

Viel ist in deutschen Zungen von Brunhild der Maid

Gesagt und gesungen, wie kühn sie war im Streit.

Sie ging von Haupt zu Füßen gehüllt in blanken Stahl:

Da kürte sie Godan in seiner Schildmädchen Zahl.

Walküren reiten bewehrt durch Luft und Meer,

Auf kühnen Wolkenrossen stürmen sie einher,

Licht strahlt von ihren Spießen und Funken sprühn aus Nacht,

Wenn sie die Helden kiesen, die blut'gen Opfer der Schlacht.

Von den Mähnen ihrer Rosse befruchtend träufelt Tau,

Doch oft zerschmettern Schloßen die Hoffnung der Au:

So weben sie Geschicke und ihre Spule rauscht

Verborgen jedem Blicke, von keinem Ohre belauscht.

Wer aber Godans Mädchen im Grimm der Schlacht gefällt,

Dem küßt sie die Wangen und schön erliegt der Held.

Sie führt ihn gen Walhalla zu hoher Väter Schar,

Sie reicht mit holdem Gruße den Met im Becher ihm dar.

Als Godan Brunhilden zur Kriegsnorne kor,

Da tat sie es an Kühnheit den Schwestern all zuvor.

Sie fuhr unersättlich von Krieg daher zu Krieg

Und Königreiche zitterten, wenn sie das Schlachtroß bestieg.

Ihr stand am Friesenmeere die Burg, die Segard hieß,

Wo sie auf fetten Marschen ihre Stuten werden ließ,

Die wie die Vögel flogen, vater- und mutterhalb

Aus edelm Stamm gezogen, weiß, grau, braun oder falb,

Doch stets von einer Farbe. Da sah man auch die Zucht

Der muntern Fohlen grasen, berühmter Rosse Frucht,

Dazwischen mut'ge Hengste, beides schön und groß,

Zu allem abgerichtet, schnell wie der Habicht im Stoß.

Brunhildens Stuten pflegte mein Vater Adelger,

Mit Rossen umzugehen verstand kein Mensch wie er. –

Nie einen Hengst beschreiten wollte die stolze Maid

Eh' sie für König Gunther der kühne Siegfried gefreit.

Das schuf meinem Vater herrlichen Gewinn:

Er hatte so gedungen mit der Königin;

Was männlichen Geschlechtes von ihren Stuten fiel,

Das sollt' ihm angehören. Brunhilden deucht' es nicht viel;

Doch konnt' es ihm genügen, er ward ein reicher Mann.

Hei! was er Tonnen Goldes für manchen Hengst gewann!

Ein ganzer Hort alleine kam in der Friesen Land

Durch Brunhilds Lieblingsstute, die Disa wurde genannt.

Der erste von den Hengsten, der ihr von Godans Roß,

Dem achtgehuften Sleipner, auf Segard entsproß,

Denn oft besuchte Hnikar die schlachtenfrohe Magd,

War Grani der wilde: der wurde Mimen zugesagt

Für Fafner, seinen Bruder. Ihr hörtet von dem Schmied,

Der Siegfried den schnellen in den Wald beschied,

Wo brütend über Schätzen der gift'ge Drache lag:

Da gewann der Held den Grani und den Hort mit einem Schlag. –

In meinen ersten Tagen hört' ich von Rossen nur,

Von Stuten und von Fohlen, das war mir Muttermilch;

Noch lief umher der Knabe im groben Röckchen von Zwilch,

Da war mein erstes Lallen: Gebt mir ein Pferd, ein Pferd!

Doch erst nach manchen Jahren ward mir der Wunsch gewährt

Ein Heupferd unterdessen zum Spotte gab man mir,

Wie sie im Grase hüpfen; doch an dem winzigen Tier

Hatt' ich meine Freude: es sprang, ich sprang ihm nach

In Sätzen, glücklich war es, daß mir kein Bein zerbrach.

Und zu Brunhildens Küche hüpfte mein grünes Roß;

Ich eilt' ihm nachzuhüpfen durch all den dienenden Troß.

Da war es unterm Herde verschwunden auf einmal;

Doch hört' ich es noch zirpen. Nun blieb mir keine Wahl:

Ich nahm ein langes Eisen, das auf dem Boden lag,

Mit dem der Küchenjunge das Feuer zu schüren pflag,

Und scharrte meine Grille damit aus dem Versteck.

Doch wie ich wieder aufstand, da stieß ich, welch ein Schreck:

Zwei Töpfe um, die Brühe floß weithin durch das Haus.

Da begann der Koch zu zürnen, zum Schlage holt' er schon aus.

Als plötzlich durch ein Wunder seine Rache sich verschob:

Es konnte mich nicht treffen die Hand, die sich erhob.

Dies Wunder hatte Godan gewirkt, der starke Gott,

Brunhilden zu bestrafen für ihren frevelnden Spott.

Helmgünther hieß ein König, dem Godan Sieg beschied,

Und Agnar ein andrer, den lang' das Kriegsglück mied.

Doch jetzo half ihm Brunhild wider Godans Macht,

Helmgünther fiel bezwungen und Agnar siegt' in der Schlacht

Das ließ nicht ungerochen Godan an seiner Magd,

Dem er den Sieg verheißen, daß sie dem Sieg versagt.

Da sollte sie nicht länger Walküre sein:

Das Los ward ihr beschieden, das allen Frauen gemein,

Eines Mannes Bett zu teilen und sein Geheiß zu tun.

Sie sprach: „Du magst gebieten; doch hier gelob' ich nun,

Mich keinem zu vermählen, der Furcht empfinden kann,

Ja lieber wollt' ich sterben, als daß er würde mein Mann.“

Da stieß ihr Allvater den Schlafdom ins Haupt.

In voller Waffenrüstung sank sie machtberaubt

Dahin zu tiefem Schlafe. Und alles schlief mit ihr,

Es schlief was Odem holte auf Segard, Mensch oder Tier.

Die Küh' im Stalle bogen die Knie und nickten ein,

Die Jagdhunde streckten sich auf ihr Nagebein,

Die Tauben auf den Zinnen, die Fliegen an der Wand,

Die hatten alle Sinne zum süßen Schlummer gewandt.

Da ward es in der Küchen auch still um mich her,

Das Feuer auf dem Herde flackerte nicht mehr,

Der Bratenwender feierte, der Braten hört' am Spieß

Zu brutzeln auf, die Rechte der Koch ermüdet sinken ließ,

Die mich zerbleuen sollte; ich selber lag und schliefe

Der uns befallen hatte, der Schlaf war fest und tief.

Die Zeit stand still auf Segard, der Tag war wie die Nacht,

Der Morgen wie der Abend, sie wurden schlafend verbracht.

Doch draußen gingen Wochen dahin und Monden gar,

Aus Monden wurden Jahre, wir schliefen immerdar.

Und niemand könnt' uns wecken: dazu gehörte Mut,

Denn um das Schloß geschlagen war eine webende Glut,

Die auf und nieder wallte und niemand ließ heran.

Doch Allvater hatte den Ausspruch getan:

Wer durch das Feuer reite zu Brunhildens Saal

Und ihr den Harnisch löse, der sei ihr Herr und Gemahl.

Viel Königssöhne kamen dahin von Zeit zu Zeit,

Die alle freien wollten die königliche Maid;

Doch als sie Segard sahen von Webeglut umloht,

Da scheuten ihre Pferde und mancher fiel in den Tod.

Godans Zauberfeuer befing die Feste dicht,

Doch um die Marställe draußen brannt' es nicht,

Noch wo mein Vater wohnte; auch fiel er nicht in Schlaf.

Wohl war es ihm empfindlich, als mein Verlust ihn betraf.

Da ward aus seinem Stalle Gram, Sleipners Sproß,

Verkauft an Fafners Bruder, das windschnelle Roß;

Von dem empfing es Siegfried, als er den Schmied erschlug:

Davon ist viel gesungen, ich übergeh' es mit Fug.

Noch zornig aus der Schmiede ritt der Degen gut,

Er verhing dem Rosse Zügel und Zaum im wilden Mut,

Es durfte mit ihm rennen wohin es ihm gefiel:

Da war die liebe Heimat seines Laufes erstes Ziel.

Es trug den Unverzagten Brunhildens Burg so nah,

Daß er das Zauberfeuer um Segard weben sah

Und auf dem Turm bewegungslos das Königsbanner stehn.

Der Drachentöter konnte der Vögel Stimmen verstehn.

Da klang es in den Lüften wie Nachtigallenschlag:

„Nun lodert fünfzig Jahre die Glut und einen Tag;

Der sie löscht ist nahe. Wer zu Brunhildens Saal

Durch Webelohe reitet, der wird ihr Herr und Gemahl.“

Der teure Degen hörte, was ihm der Vogel sang:

Doch wie er durch die Flammen den wilden Gram zwang,

Da war es eine Schildburg, beglänzt von Sonnenschein:

Die Schilde schoben willig sich auf und ließen ihn ein.

Da fand er in der Feste die allertiefste Ruh',

Die Sonne schien vom Himmel, doch alles schlief noch zu.

Die braunen Jagdhunde schnüffelten im Traum,

Die Schlagtauben hatten das Köpfchen unter den Flaum

Des Flügels verborgen, und als er kam ins Haus,

Da streckte noch die Rechte der Koch nach mir aus,

Noch saß die Magd als rupfe sie an dem schwarzen Huhn,

Noch schien der Küchenjunge die schwere Arbeit zu tun.

Und in den Kammern neigten die Häupter schlummerschwer

Der Truchseß und die Schenken und der Diener zahllos Heer.

Die Fliegen an den Wänden schliefen süßen Schlaf,

Und wie er weiter eilte, schlief alles fest, was er traf.

Und rings blieb es stille, kein Lüftchen regte sich,

Er hörte seinen Atem: das deucht' ihn wunderlich.

Nun kam er zu dem Saale: da schlief im Waffenkleid

Ein Mann so voll gerüstet, als käm' er eben vom Streit.

Dem band er von dem Haupte den Helm: da war's ein Weib:

Wie angewachsen fugte der Stahl dem schönen Leib.

Ihn aufzuschlitzen dacht' er mit klugem Schwertesschwang:

Vom Haupt bis ganz hernieder und an den Armen entlang

Zerschnitt der Held die Rüstung und ritzte nicht die Haut;

Dann schält' er aus dem Eisen die wonnigliche Braut.

Sie war so schön geschaffen, o Wunder, Glied für Glied:

Da mußte sie erwecken mit einem Kusse Siegfried.

Der Kuß war ergangen, sie schlug die Augen auf:

Mit Staunen lehnte Siegfried auf seines Schwertes Knauf.

Er sah die blauen Augen und senkte Blick in Blick.

Sie frug: „Das Godan fügte, hat sich erfüllt das Geschick?

Kam hieher der kühne Siegfried, Siegmunds Sohn?

Fiel in der Grüne der Wurm der Heide schon?

Durch Webeglut zu reiten, wer hatte sonst die Macht?“

Er sprach: „Es ist ein Welsung, der dieses Werk hat vollbracht.“

Da erhob sich von dem Pfühle die schöne Königin

Und schritt an Siegfrieds Seite durch die Gemächer hin.

Der Truchseß und die Schenken, der Diener zahllos Heer

Erstanden aus dem Schlafe und Leben ward um sie her.

Da regten wiederkäuend die Kühe sich im Stall,

Die Jagdhunde sprangen empor mit lautem Schall,

Die Fliegen von den Wänden summten durch den Raum,

Die Taube zog das Köpfchen hervor aus wärmendem Flaum.

Die Magd rupfte weiter an ihrem schwarzen Huhn,

Der Küchenjunge eilte die Arbeit zu tun.

Das Feuer flammte wieder, so ward an seinem Ort

Der Bratenwender munter, der Braten brutzelte fort.

Doch auch der Küchenmeister, der vor dem Herde lag,

Erstand in seinem Zorne und gab mir einen Schlag.

Da hub ich an zu weinen und lief aus dem Haus;

Doch vergaß ich nicht des Heupferds, das nahm ich mit mir hinaus.

Schluchzend und heulend kam ich vor das Tor

Zu meines Vaters Wohnung. Der sprang erstaunt hervor:

War ich es, der Knabe, der ihm entlaufen ist?

Nun hatt' er funfzig Winter den kleinen Studas vermißt.

Die Mutter sagt', ich wär' es, kaum mochte Zweifel sein:

„Und bist du's, so bewähr es: wo warst du? sag uns fein.“ –

„Ich war in Brunhilds Küche, da schlug mich der Koch,

Weil ich mein Heimchen holte; ich aber holt' es mir doch.“ –

„Hat dich der Koch geschlagen? das räch' ich, wart, er soll“ –

Da liefen aus dem Schlosse die Leute freudenvoll.

Er frug: „Was ist geschehen, daß ihr so lärmt und tobt?“

Da hieß es: „Brunhild wurde dem kühnen Siegfried verlobt.“

Kaum wollten ihn erkennen die Leute, die er frug,

Denn er war alt geworden, doch glich er Zug um Zug

„Dem Schaffner Brunhildens, der bei den Ställen wohnt.“

Sie waren jung geblieben, von all den Furchen verschont,

Die das Alter gerne in Stirn und Wange gräbt.

Er sprach: „Erst wird mir deutlich, welch Wunder wir erlebt;

Die in der Feste schliefen, ich hielt euch all' für tot,

Und freute mich der Fügung, daß ich nicht teilte die Not.

Hätt' ich nun mit geschlafen! so wär' ich jung wie ihr.

Doch tröstet mich der Knabe, der mit dem Heimchen hier:

Zu Brunhilds Küche hüpft' er ihm nach vor manchem Jahr;

Er soll mir Heimchen heißen, der Springinsfeld, immerdar.“

Nicht länger hieß ich Studas; mir war es anfangs leid;

Doch aus dem Heimchen wurde ein Heime mit der Zeit:

Da ließ ich mir's gefallen, der Name sagt mir zu.

Hab' ich dir nun bewiesen, daß ich älter bin als du?“ –

K. S. [Karl Simrock]

Sagen aus dem Rheinland

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