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7. Der Turmbau zu Babel

Der Turm von Babel wäre ein Weltwunder, wenn Gott nicht dazwischengekommen wäre. Hat Gott etwas gegen Prestigeprojekte?

Auch die Geschichte vom Turmbau zu Babel (1.Mose 11,1-9) lesen wir heute mit anderen Augen als früher. Sie handelt von Menschen, die anfangen, eine Stadt zu bauen. Prunkstück und Wahrzeichen soll ein Turm werden, dessen Spitze bis an den Himmel reicht. Doch Gott verhindert dieses riesige Projekt. Er bewirkt ein Sprachen- und Stimmengewirr, so dass eine Kommunikation unter den Menschen nicht mehr möglich ist und sie ihre Arbeit nicht fortsetzen können. Sie verlassen die Stadt, lassen den Turm als Ruine zurück und siedeln sich in der ganzen Welt an.

Allerdings wird uns in der Erzählung nicht genau gesagt, worin die Sünde der Menschen besteht, wegen der Gott ihr Werk verhindern will. Hier muss gedeutet werden. Dabei hat sich eine Deutung so durchgesetzt, dass weitere Möglichkeiten kaum mehr in Betracht gezogen wurden. Man verstand diese Erzählung als eine Geschichte von „Schuld und Strafe“. Die Schuld der Menschen konnte nur die Hybris sein, ihre Überheblichkeit. Das schloss man aus ihrem Handeln: Wer einen Turm baut, dessen Spitze bis an den Himmel reicht, kann nur so sein wollen wie Gott. Das kann Gott nicht zulassen. Er kann keine weiteren Götter neben sich dulden. Er muss diese Hybris bestrafen. Darum verwirrt er die Sprachen und zerstreut die Menschen in alle Länder.

Erst in letzter Zeit werden wir darauf aufmerksam, dass diese Deutung zwar ihr Recht auch weiterhin hat, aber dass dabei ein anderer wichtiger Aspekt übersehen wurde. Ein Irrtum? Von Hybris ist in dem ganzen Text keine Rede, und es steht tatsächlich nicht da, dass die Menschen sein wollten wie Gott …

Relecture

Wir unterziehen die Geschichte einer relecture: Wir lesen sie mit anderen Augen. Es spielt nicht nur das Motiv des Turmbaus eine Rolle. Daneben gibt es ein anderes Motiv, das Motiv der einen und der vielen Sprachen. Die Geschichte beginnt damit: „Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache.“ Gott nimmt darauf Bezug: „Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen.“ Und häufig taucht dann das Motiv der vielen Sprachen und der damit verbundenen Zerstreuung der Völker in alle Lande auf.

„Eine Sprache“ zu haben ist von überragender Bedeutung für die Könige und Reiche, die den Anspruch auf die Weltherrschaft erheben. Die Babylonier hatten diesen Anspruch. Das Volk Israel litt darunter. Sprache bestimmt unser Denken. Wer den Menschen eine Sprache verordnet, kann ihr Denken besser manipulieren. Solange die unterdrückten Völker in einem Großreich ihre eigene Sprache sprechen, behalten sie ein Stück Würde und Freiheit.

Das wirft ein völlig neues Licht darauf, warum Gott das Projekt in Babel unterbindet. Er tritt ein für die bunte Vielfalt der Völker und Sprachen. Dafür spricht auch, was vor dieser Geschichte erzählt wird. Da steht die sogenannte Völkertafel (1.Mose 10). In ihr werden viele Völker aufgeführt, die alle nach der Sintflut aus Noahs Nachkommen entstanden sind und über die ganze Erde verbreitet leben, jedes Volk in seiner Eigenart und mit seiner eigenen Sprache: „Sie wurden zu Völkern, von denen jedes nach Sippe geordnet in seinem Gebiet lebt und seine eigene Sprache hat.“ (1.Mose 10,31, GNB)

Heute sehen wir also stärker den Segen, den das Handeln Gottes bedeutet. Gott sorgt dafür, dass die wohldifferenzierte Fülle und Vielheit seiner Schöpfung erhalten bleibt.

Die wünschenswerte Einheit der Menschen kann nicht darin bestehen, dass ein Volk oder Kontinent sich die Herrschaft über die anderen aneignet. Diese Einheit muss sich als versöhnte Vielfalt darstellen. Das ist im Neuen Testament unübertrefflich zum Ausdruck gebracht in der Pfingstgeschichte (Apg 2): Auf dem Marktplatz von Jerusalem versammeln sich Menschen aus allen damals bekannten Ländern. Es herrscht ein wirkliches Sprachengewirr. Die Jünger Jesu werden vom Heiligen Geist erfasst und verkünden die Frohe Botschaft von Christus so, dass alle sie verstehen können. Erstaunt stellen die Menschen aus allen Völkern fest: „Ein jeder von uns hört in seiner eigenen Sprache die großen Taten Gottes verkünden.“ (Apg 2,11)

Die 31 beliebtesten Irrtümer der Bibelauslegung

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