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„Gemeinsames Trinken“ an den Compitalia – ein Straßenfest der kleinen Leute

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Am Vorabend des Festes, das überall in der römischen Welt begangen wurde, hängte man auf dem Land so viele Wollbälle und -puppen an die Laren-Schreine, wie die einzelne familia Mitglieder hatte – Bälle für Unfreie, Puppen für Freie. Angesichts der viel größeren Bewohnerzahlen ging das in der Stadt nicht; dort hängte man alles als Gaben für die Laren an oder vor die Haustüren, in der Hoffnung, dass sie, auf diese Weise besänftigt, Gefahren von den Menschen abwendeten.16 Die Schreine der Schutzgötter des Viertels wurden mit Blumen und Girlanden geschmückt, den Laren wurden Kuchen, Knoblauch und Mohnköpfe dargebracht.17 Umzüge um die Grenzen des vicus herum zur Entsühnung (lustrationes) fanden des Öfteren statt, waren aber kein obligatorischer Bestandteil des Laren-Kults, wohl aber das Opfer eines gemästeten Schweins am Altar der lares compitales.

Wie üblich wurden die Innereien des Opfertieres verbannt und auf diese Weise den Schutzgöttern geopfert, das Fleisch dagegen wurde unter den Menschen aufgeteilt. Es war Teil eines großen Schmauses, für den, wenn das Wetter es erlaubte, auf den Straßen gekocht wurde. Heute spräche man von einem Straßen- oder einem erweiterten Nachbarschaftsfest oder auch von einer großen Kiez-Fete mit vermutlich mehreren Hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern (genaue Zahlen sind nicht überliefert), und zwar einschließlich der Sklaven: Die Compitalien waren ein Fest der kleinen Leute, und die Unfreien wurden zumindest bei dieser Gelegenheit dazugezählt – auch wenn die sozialen Barrieren bestehen blieben und anders als bei den Saturnalien mit dem Fest keine vorübergehende „Aufhebung“ der Sklaverei einherging. Und vor allem wurde kräftig gezecht.

Der Wein floss in Strömen – was auch Ausgelassenheit und Tanz mit sich brachte. Der Alte Cato spendierte seinen Sklaven auf dem Land eine Extraration Wein,18 und in der Stadt dürfte sich manches Compitalia-Fest zu einem ordentlichen Besäufnis aller Feiernden ungeachtet ihres gesellschaftlichen Status entwickelt haben. Einander zünftig zuzuprosten gehörte jedenfalls zum Comment des Nachbarschaftsfestes, und ein römischer Philologe versteigt sich in diesem Zusammenhang sogar zu der abstrusen Etymologie, dass „compita, ‚Kreuzungen‘, „eigentlich von compotare abgeleitet“ seien, und das heißt: „zusammen trinken“, „gemeinsam zechen“.19

Mochte manch einer am nächsten Morgen auch mit einem ordentlichen Kater aufgewacht sein, so wurde das Gemeinschaftsgefühl im vicus durch die Compitalien-Feier gleichwohl – oder gerade dadurch – gestärkt. Indem man teilnahm, grenzte man sich von benachbarten vici ab – ein integratives Moment, das aber offenbar ohne Ressentiments oder gar Feindseligkeit gegenüber anderen Vierteln auskam. Als zusätzlicher Faktor der Identitätsstiftung kamen „Spiele“ hinzu, die innerhalb des vicus organisiert wurden und die sich besonders bei den einfachen Leuten großer Beliebtheit erfreuten. Zu diesen ludi compitalicii zählten Theateraufführungen, Athletenwettbewerbe, Boxveranstaltungen und vereinzelt wohl auch Gladiatorenkämpfe.20 Die Stimmung war hervorragend, wenn „die Straßen von Fröhlichkeit, Spielen und Beifall widerhallten“. Dieses Vergil-Zitat setzt der Kommentator Servius ausdrücklich in Beziehung zu den populären ludi compitalicii.21

Das Compitalien-Fest mit seiner ausgelassenen Stimmung war, wenn man so will, der Höhepunkt in einem vicus-Jahr, und es wurde von vielen Bewohnern des Stadttteils als schmerzliche Sanktion empfunden, wenn der Senat das mit ihm verbundenen attraktive Unterhaltungsprogramm wegen „Aufruhrs“ oder politischer „Umtriebe“ verbot. Offenbar war das Interesse an diesen lokalen Festivitäten und Spielen groß, und es strömten zahlreiche vicani dorthin, sodass sie manchen Optimaten im 1. Jahrhundert v. Chr. als Plattform für gefährliche populare Agitation und möglicherweise sogar für Gewaltaufrufe suspekt waren.

Die Politisierung der – oder auch nur eines Teiles der – vici im Sinne einer Radikalisierung und zunehmenden Gewaltbereitschaft war auf eine relativ kurze Zeit beschränkt. Sie sollte in der Rückschau nicht die positive sozialintegrative Bedeutung der stadtrömischen Kieze auch als durchaus bewusste lokale Kultgemeinschaft überlagern. Gelebt wurde diese Nachbarschaft vor allem da, wo auch ihr in Form des Laren-Altars an der zentralen Kreuzung gut sichtbarer Mittelpunkt war: im Freien, in der Öffentlichkeit, auf den Straßen.

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