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„265 Kreuzungen der Laren“ – die augusteische vicus-Reform des Jahres 7 v. Chr.

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Die vici bildeten schon in republikanischer Zeit auch organisatorischadministrative Einheiten. In Krisenzeiten wurden die Bürger vicatim, „vicus für vicus“, oder per compita, „über alle zentralen Kreuzungen“ und Nachbarschaften aufgefordert, Wachen zu organisieren und sich in Gebeten und Umzügen gemeinsam an die Götter zu wenden. Auch bei der Ausgabe von Getreide und Öl wurden die vici als Verteil-Einheiten zugrunde gelegt.22 Das alles setzt zumindest eine basale Organisationsstruktur voraus. Außerdem scheinen die Vorsteher der vici die Listen über die regelmäßigen Empfänger öffentlichen Getreides, vielleicht auch allgemeine Bürgerlisten über die im Viertel wohnhaften Menschen geführt zu haben. Bei dem von ihm in Auftrag gegebenen recensus populi, einer „Volkszählung“, stützte sich Caesar jedenfalls auf die Angaben der Mietshaus-Eigentümer in den einzelnen vici, so wie einige Jahrzehnte später auch Augustus eine Volkszählung vicatim durchführen ließ.23

Auf diesen Grundlagen konnte Augustus bei seiner umfassenden vicus-Reform des Jahres 7 v. Chr. aufbauen. Sie war Teil einer grundlegenden Neuorganisation der Verwaltung Roms: Die Hauptstadt wurde in 14 Regionen gegliedert24 – und gleichzeitig in wahrscheinlich 265 vici. Diese Zahl gibt der Ältere Plinius für die compita Larum an, die „Kreuzungen der Laren“, die allgemein mit der Zahl der vici gleichgesetzt wird.25 Augustus dürfte die alten Kieze weitgehend beibehalten, sie aber in neu besiedelten Stadtteilen – etwa in der 14. Region Trans Tiberim – aufgestockt haben. Die Zahl der vici hat sich vermutlich im Laufe der Jahrhunderte verändert; die – allerdings nicht sehr verlässlichen – Regionalkataloge des 4. Jahrhunderts verzeichnen rund 400 vici. Obwohl rund 120 vici namentlich bekannt sind, lässt sich keine vici-Topographie erstellen, auch weil die Grenzziehungen bis auf wenige Ausnahmen nicht rekonstruierbar sind.

Geht man von einer Gesamteinwohnerzahl Roms von einer Million aus, so entfielen statistisch rund 3800 Menschen auf jeden der 265 vici. Da es sich um eine primär topographische Einteilung handelt – den „Umkreis“ einer Hauptkreuzung bzw. einer großen Verkehrsachse – und historische Grenzen eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben dürften, ist mit einer gleichmäßigen Verteilung allerdings nicht zu rechnen. Die Zahl der Bewohner wird zwischen den einzelnen vici beträchtlich geschwankt haben; nachweisen lässt sich dabei aber aufgrund der dürftigen Quellensituation nichts.

Wohl aber ist klar, dass Augustus bei der Neuordnung auf die grundlegende Demographie und die Geschichte der vici gewissermaßen als Kleine-Leute-Viertel Rücksicht genommen hat. Die nunmehr vier für jedes Jahr tätigen vicomagistri, „vicus-Vorsteher“, stammten größtenteils aus dem Freigelassenen-Milieu. Hier eröffnete sich für Unterprivilegierte eine Chance, zum Amtsträger – wenn auch mit sehr begrenztem Amtsbereich – aufzusteigen. Dieses Angebot wurde offenkundig gern angenommen: Von den 275 im Jahr 136 namentlich auf der sog. Basis Capitolina verzeichneten vicomagistri waren nur 36 Freigeborene. Alle anderen waren liberti, „Freigelassene“.26

Die vicomagistri erhielten auch eigene Fasti, d. h. ein fortlaufend ergänztes chronologisches Verzeichnis der jeweiligen Beamten. Es begann mit dem Jahr 7 v. Chr. und wirkte auch dadurch traditionsbildend, dass Amtsinhaber sich als vicomagistri des soundsovielten Jahres (nach Einführung der Position) bezeichneten. Die vier gleichgestellten Vorsteher wurden auf ein Jahr gewählt; eine Wiederwahl war zulässig. Über die Wahl- und Wahlrechtsmodalitäten ist nichts bekannt, aber sicher war die Wählerschaft unter Ausschluss der Frauen und Sklaven auf die Einwohner eines vicus beschränkt – in der augusteischen Staatsverfassung ein Stück direkte „Demokratie“, die aber auch vom Kaiserhof beaufsichtigt und gelenkt worden sein dürfte. Angesichts der „aufrührerischen“ Tradition der vici im 1. Jahrhundert v. Chr. ist nicht davon auszugehen, dass Augustus gerade hier die Aufsichts-Zügel besonders locker gehandhabt hätte.

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