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Straßen erbeben, Gebäude wanken – Schwertransporte als Sicherheitsrisiko

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Die Behinderungen müssen zum Teil enorm gewesen sein, und zwar nicht nur dort, wo gebaut wurde, sondern auch auf den Zufahrtsstraßen, auf denen die Anlieferung von Baumaterialien und der Abtransport von Schutt erfolgten. Viele Routen kamen dabei wegen der Enge der Straßen oder scharfer Kurven, aber auch wegen gefährlichen Gefälles nicht infrage. Schwertransporte – Travertin, Marmor, Ziegel und andere Steine sowie Holz für Gerüste und Verschalungen – wurden mit Ochsenwagen durchgeführt. Ein von zwei Ochsen gezogener Wagen hatte eine Ladekapazität von rund 500 kg. Für schwerere Lasten mussten erheblich mehr Zugtiere zusammengespannt werden – bis zu einem Dutzend. Zwar sind Einweiser (cursores, „Läufer“) nur für außerstädtische Straßen bezeugt,34 doch dürfte das ein Zufall der Überlieferung sein: Riesentransporte benötigten im städtischen Raum Sicherungsmaßnahmen, Passanten und andere Fahrzeuge mussten gewarnt und aufgehalten und schwere Unfälle so vermieden werden.

Vielleicht waren die vicomagistri als Chefs der Straßenviertel in die Planung und Durchführung problematischer Transporte eingebunden. Da es indes keine Verkehrspolizei gab, mussten die Bauunternehmer im Prinzip mit eigenen Kräften sicherstellen, dass ihre Wagen Engstellen passieren konnten und möglichst wenige Menschen zu Schaden kamen. Wenn etwas passierte, musste das privatrechtlich über Haftungs- und Schadenersatzklagen geregelt werden.35 Staatliche Stellen griffen nicht ein – und verhängten bei Verkehrsverstößen, aus heutiger Sicht höchst ungewöhnlich, auch keine Bußgelder. Führerscheine konnten sie erst recht nicht einziehen – weil es keine gab.

Manche Schwertransporte stellten sich als wahre Ungetüme dar, die lange Straßenabschnitte blockierten. In ihrer Untersuchung zum Bauverkehr am Beispiel des Septimius-Severus-Bogens rechnet Diane Favro damit, dass „für die größten Fundamentblöcke Wagen mit rund 30 Ochsengespannen (nötig) gewesen seien, die sich über 75 m erstreckten“.36 Diese Kolonnen bewegten sich im Schneckentempo vorwärts. Normale Ochsengespanne legten etwa 3 km in der Stunde zurück; Mammutgespanne mit 30 Zugpaaren dürften nicht einmal die halbe Geschwindigkeit erreicht haben. Auf manchen Straßen kam der Verkehr dadurch stunden-, wenn nicht tagelang zum Erliegen. Dies umso mehr, als außergewöhnlich schwere Lasten auch eine Gefahr für die Infrastruktur bedeuteten: für die Kanalisation nicht weniger als für von Baufälligkeit bedrohte Gebäude entlang der Route.

Wie akut die Gefahr war, zeigt die Tatsache, dass neben incendium, „Brand“, das zweite tagtägliche Risiko für die in Rom lebenden Menschen die ruina schlecht gebauter Wohnhäuser war, ihr „Zusammenbruch“. Solche Katastrophen waren „normale“ Ereignisse, die das Leben in der Stadt überschatteten. Selbst die palastartigen domus der Reichen und auch manche Tempel drohten beim Vorüberfahren schwerer Lasten ins Wanken zu geraten.37 „Straßen erbebten unter der langen Reihe von Lastwagen“,38 und wenn „eine von tausend starken Gespannen gestützte Säule transportiert wird“, kommt es regelmäßig zum urbis tumultus, berichtet Tibull:39 Die Stadt ist gewissermaßen in Aufruhr – und das meint sicherlich nicht nur die akustischen Begleitumstände, sondern beschreibt auch, wie in solchen Augenblicken auf den betroffenen Straßen alles drunter und drüber ging, weit über das übliche Maß hinaus.

Anwohner und Passanten reagierten besorgt und erschreckt, manche sicher auch panisch, „wenn große Lasten mit einer langen Reihe von Wagen befördert werden und die Räder jedes Mal mit kräftigeren Stößen in die Schlaglöcher knallen: Dann wirst du spüren, dass die Erde bebt (terram concuti senties).“40

Angesichts dieser Erschütterungen war die Furcht nicht ganz unbegründet, eine schlecht gesicherte Ladung könnte ins Rutschen kommen und Passanten könnten von schweren Marmorblöcken oder ausladenden Baumstämmen getroffen werden. So übertrieben satirisch Juvenal die Situation darstellt – als begrübe eine Ladung ganze Menschenmassen und zermalmte sie so, dass nichts von ihnen übrig blieb41 –, so realistisch dürfte der bange Blick mancher Fußgänger nach oben gewesen sein, wenn sich ein Wagen-Ungetüm näherte. Auch Horazens Blick geht ja besorgt nach oben, wenn „ein Kran einen Steinblock oder einen Riesenbalken in die Höhe hievt“.42 Sicherlich genossen manche Römer solche „Begegnungen“ auch als spectacula und gaben sich dem neugierig interessierten spectare, dem „Zuschauen“, hin – aber möglichst aus sicherer Entfernung …

Die Straßen von Rom

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