Читать книгу Die Straßen von Rom - Karl-Wilhelm Weeber - Страница 30

„Dreist hatten die Krämer die Stadt in Beschlag genommen“ – der ganz normale Stau-Wahnsinn

Оглавление

Ganz anders sah es da mit Hindernissen aus, die sich dem Strom der Straßenbenutzer Tag für Tag entgegenstellten: „geparkte“ Lasttiere, ambulante Händler, die ihre Waren im Menschengewühl an den Mann zu bringen versuchten und die z. B. auch die Bauarbeiter mit Speisen und Getränken versorgten, Wasserbecken und Laufbrunnen, die ihre Nachbarschaft mit Trinkwasser versorgten, und möglicherweise auch Bänke, wie sie jedenfalls in Pompeji hier und da auf Bürgersteigen standen.54 Ob sich dieser archäologische Befund auf Rom übertragen lässt, steht dahin. Literarische Quellen erwähnen Bänke als Hindernisse nicht. Wohl aber hatten viele Ladenbesitzer die Neigung, ihre Verkaufsfläche zu vergrößern, indem sie Bürgersteigflächen okkupierten. Die Kunden brauchten so nicht erst die Ladenschwelle zu überwinden, sondern kamen direkt an den Waren vorbei. So verführerisch derart erhöhte Kaufanreize und die damit verbundenen Umsatzsteigerungen waren, so ärgerlich wirkten sich diese künstlichen Hindernisse auf den Verkehrsfluss aus.

„Dreist hatten die Krämer die ganze Stadt in Beschlag genommen“, schildert Martial die skandalösen Übergriffe der Händler auf den öffentlichen Raum, „und dort, wo gewöhnlich eine Schwelle zum Laden war, gab es keine Schwelle mehr“. Breite Straßen seien zu Pfaden verengt worden, schimpft er weiter, Garküchen hätten eine ganze Straßenseite eingenommen, und alle Pfosten und Pfeiler seien mit Krügen an Ketten behängt gewesen …55 Schluss damit!, kam aus dem Palast das Machtwort. Gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. beschnitt Kaiser Domitian diesen Wildwuchs radikal. Und sein Lobredner Martial jubelt: „Barbier, Kneipenwirt, Koch und Metzger halten sich jetzt an ihre Schwelle. Jetzt ist es Rom, vor Kurzem noch war es ein riesiger Laden.“56

Wie lange die Geschäftsleute sich an das kaiserliche Machtwort hielten, ist nicht überliefert. Vermutlich wurden die Restriktionen im Laufe der Zeit aufgeweicht, und peu à peu wurde erneut hier ein Tisch mit Lockangeboten nach draußen gestellt, dort eine Verkaufstheke unter Arkaden eingerichtet und an anderer Stelle ein Sklave postiert, der für die drinnen angebotenen Waren und Dienstleistungen die Werbetrommel rührte. Zur Gänze ließ sich dieses Sich-Vortasten und Vordringen in die Öffentlichkeit kaum verhindern (zumal man das auch wegen der Zugänglichkeit und Transparenz als kundenfreundlichen „Service“ ansehen konnte) – es sei denn, eine strenge Marktaufsicht schritt immer wieder ein und verhängte Bußgelder. Von einer derart strikten Kontrolle kann indes keine Rede sein; die Obrigkeit schaute dem „Marktgeschehen“ eher verständnisvoll zu und setzte wie in vielen anderen Bereichen auf die „Selbstheilungskräfte“ des Marktes. Die aber produzierten eher weitere Staus.

Die Straßen von Rom

Подняться наверх