Читать книгу Der Pontifex - Karla Weigand - Страница 11

„Ihr werdet euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, auf dass euer Glaube bewährt und viel kostbarer befunden werde als vergängliches Gold.“ (1. Petrusbrief, 1, 6–7)

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Innerlich frohlockend, aber äußerlich gelassen, sieht Maurice Obembe zwei Kardinäle auf sich zu kommen. Mit offenem Blick und freundlichem Lächeln kommt er ihnen, die mindestens fünfzehn bis zwanzig Jahre älter sind als er, ein paar Schritte entgegen. Einen von beiden, einen umgänglichen Spanier, kennt er ziemlich gut; der andere, ein etwas gebückt gehender Franzose, gilt allgemein als streng und verschlossen, ein Hardliner, wie er im Buche steht.

Was die Herren von ihm wissen möchten, erfüllt den Geistlichen aus Ghanumbia mit stiller Genugtuung und lässt sein Herz insgeheim höherschlagen.

„Verehrter Bruder in Christo, nur mal so zu unserer Information“, beginnt der französische Kirchenmann betont lässig, während der spanische sein farbiges Gegenüber wohlwollend mustert: „Einmal angenommen, die verehrte Wählergemeinde wäre des Patts zwischen den beiden asiatischen Kandidaten müde und zeigte sich bereit, ihre Gunst möglicherweise einem schwarzen Mitbruder zu gewähren: Wären Sie in diesem Falle bereit, die Wahl zum Heiligen Vater anzunehmen?“

„Falls dem nicht so wäre, zögern Sie bitte nicht, uns das mitzuteilen, damit wir nicht noch mehr unnütze Zeit vergeuden!“, fügt der Spanier, ein hochgewachsener, sich betont aufrecht haltender Andalusier mit unleugbar maurischem Einschlag, mit einem gewinnenden Lächeln hinzu.

Der Angesprochene verfügt über genügend schauspielerisches Talent und hat keine Mühe, sein Triumphgefühl zu verbergen. Ehrfurchtsvoll neigt er seinen glattrasierten Schädel vor den älteren Kardinälen.

„Es wäre mir eine überaus große Ehre, von meinen hochverehrten Brüdern in Christo für würdig erachtet zu werden, Mutter Kirche als Oberhaupt der Gläubigen in Demut und größter Verantwortung zu dienen. Selbstverständlich würde ich mich in diesem Fall dem Votum des erlauchten Gremiums nicht verweigern!“

Mit Erfolg bemüht Obembe sich, den zwei hohen Geistlichen nicht mit triumphierender Miene hinterherzuschauen, als sie sich zu den anderen Konklave-Teilnehmern zurückbegeben. Für ihn besteht in diesem Moment nicht mehr der geringste Zweifel: Er hat es geschafft! Natürlich weiß er auch, dass unangenehme Überraschungen nie ausgeschlossen sind; dennoch fühlt er sich so gut wie am Ziel.

Im Laufe der Zeit haben sich die Wahlmodalitäten stark verändert. Anders als früher muss nicht mehr krampfhaft wochen- oder gar monatelang nach einem Kompromisskandidaten gesucht werden. Hat nach dreißig Wahlgängen immer noch kein Kandidat die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht, kann die absolute Mehrheit die Entscheidung bringen.

‚Und die wird dann auf alle Fälle mit meinem Namen verbunden sein!’ Freilich hofft er insgeheim, dass es etwas schneller gehen wird. Es würde sein Ansehen erhöhen …

Nach längerer Zeit schweifen seine Gedanken ab zu seiner Geliebten Monique, die sicher schon ungeduldig auf sein Startzeichen wartet, den Flug nach Rom antreten zu können. Natürlich freut er sich auf ihr Kommen – obwohl er sich zu seiner eigenen Verblüffung eingestehen muss, sie bisher nicht allzu sehr vermisst zu haben.

‚Sollte ich mich ihr womöglich ein wenig entfremdet haben?’, fragt sich der Kardinal insgeheim. Allerdings verwirft er den Gedanken sofort als völlig absurd. Er mag viele Fehler haben – Untreue gehört definitiv nicht dazu. Seit er mit der schönen Monique zusammen ist, hat er keine andere Frau mehr angesehen, geschweige denn angerührt.

Der Pontifex

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