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PROLOG

„Selig die Friedfertigen, denn sie werden Gott schauen!“

(Matthäus, 5–7: aus den sogenannten „Seligpreisungen“ der

„Bergpredigt“, einer – nach einer älteren Quelle – aus Sprüchen Jesu zusammengestellten Rede auf einem Hügel im Heiligen Land.)

„Gerade ist meine Maschine in Rom gelandet, Chérie! Drück’ mir die Daumen, dass alles so läuft, wie ich es mir wünsche. Eigentlich bin ich ja sehr zuversichtlich, dir schon bald das Startzeichen zum Umzug nach Rom geben zu können, mein Schatz!“

Nichts in seinem Äußeren deutet darauf hin, dass es sich bei dem zweiundfünfzigjährigen, hochgewachsenen und körperlich durchtrainierten Herrn in grauem Maßanzug mit hellblauem Seidenhemd nicht um einen angesehenen Geschäftsmann oder hohen Politiker vom Schwarzen Kontinent handelt, der an diesem 30. März 2039 italienischen Boden betreten hat.

Wie ein Kirchenmann sieht er jedenfalls nicht unbedingt aus – was ihm ganz recht ist. Weder ein Kreuz, noch ein weißer Priesterkragen verraten den Stand eines Klerikers.

Kardinal Maurice Obembe plaudert an diesem wunderschönen Frühlingstag wohlgelaunt per Smartphone mit Schwester Monique, einer rund zehn Jahre jüngeren schwarzen Nonne vom Orden der Kleinen Schwestern Jesu, die ihm seit etwa fünfundzwanzig Jahren nicht nur den Haushalt führt, sondern in erster Linie sein Bett wärmt. Genaugenommen, seit er einst in einer Gemeinde im ostafrikanischen Staat Ghanumbia seine kirchliche Laufbahn als selbständiger Pfarrer einer katholischen Gemeinde gestartet hat.

Auf einmal fühlt der hohe Kirchenmann sich beobachtet. Er muss sich gar nicht erst umdrehen, so etwas hat er im Gefühl …

Um etwaige unerwünschte Lauscher in die Irre zu führen, fügt er schnell ein herzliches „Danke für deine guten Wünsche, Papa!“ und „Gelobt sei der Herr!“ hinzu und beendet umgehend das Gespräch, um sich seinem Diener und „Mädchen für alles“, Patrick „Paddy“ Lumboa, zuzuwenden. Ihn hat er als Begleiter und Helfer im Konklave mitgenommen: gilt es doch, einen neuen Papst zu wählen.

„Ich werde mich jetzt um das Gepäck kümmern, Eure Eminenz!“

Der schwarze Bedienstete des Kardinals grinst bis über beide Ohren, ahnt er doch, mit wem sein Herr gerade so vertrauliche Worte gewechselt hat. Er weiß schließlich alles über Maurice Obembe und Schwester Monique: Er ist bei ihm immerhin ebenso lange als Adlatus beschäftigt, wie die schöne schwarze Nonne als Haushälterin. Aber um Privates, gar Intimes über seinen Herrn auszuplaudern, müsste Paddy Lumboa schon gehäutet und gevierteilt werden.

Als ihn jetzt der eiskalte Blick des Kardinals trifft, friert sein frivoles Grinsen augenblicklich ein; devot senkt Lumboa seinen Krauskopf, um eilig seinen Pflichten nachzukommen, während der Geistliche, einer von über einhundertfünfzig wahlberechtigten Kardinälen, sich gemächlich zubewegt auf den Infoschalter des internationalen Flughafens Leonardo da Vinci in der Seebad- und Hafenstadt Fiumicino in Latium, Provinz Rom.

Er möchte sich nach der bestsortierten Buchhandlung im Flughafengebäude erkundigen, um den neuesten Vatikanführer und ein ganz spezielles Buch über die Malereien in der Sixtinischen Kapelle zu erwerben, während sein Diener sich um den vorbestellten Wagen samt Chauffeur sowie um das umfangreiche Gepäck seines Herrn kümmern wird.

Maurice Obembe ist sich jetzt, nach mehrmaligem Umschauen, sicher, dass ihm – zumindest im Augenblick – niemand folgt. Sein Vater hat ihm schon oft im Scherz vorgeworfen, er litte an Verfolgungswahn.

Die Dame, mit der der Kardinal soeben kurz gesprochen hat, ist in der Tat Schwester Monique gewesen, seine langjährige Geliebte, die eigentlich Monica Mbeke heißt und nur sehr entfernt mit ihm verwandt ist. Ihren Familiennamen hat sie längst in Obembe umgewandelt hat, um das Märchen ihres Bruder-Schwester-Verhältnisses glaubhaft zu machen.

Sie freut sich für Maurice, der vermutlich kurz vor dem Ziel seiner Träume steht. Zumindest ist er davon überzeugt. Im Augenblick hält sich die schöne Nonne noch im Kardinalspalais in Daressalam auf und sitzt sozusagen auf gepackten Koffern. Sie wartet nur noch auf das endgültige Startzeichen ihres geistlichen Liebhabers.

Wenn nur nicht diese grässliche Unrast in ihr wäre, mit der sie am heutigen Morgen aufgewacht ist! Sie weiß, dass diese Unruhe mit einem verrückten und beängstigenden Traum zu tun hat, an den sie sich leider nicht mehr im Einzelnen entsinnen kann; immerhin hat sie verstanden, dass er sie vor Gefahren, vor Unheil und einer großen Katastrophe warnen wollte.

Und zwar vor einem Desaster, das nicht sie selbst direkt betreffen, aber doch indirekt mit ihr verbunden sein wird; denn das Unglück würde eng mit dem Mann verknüpft sein, den sie über alles liebt und nach dessen Wünschen sie ihr ganzes bisheriges Leben ausgerichtet hat.

„Reiß dich zusammen!“, befiehlt sie sich streng. „Es handelt sich nur um einen ganz dummen Traum. Ich tue besser daran, noch einmal mein Gepäck und die Reisedokumente zu überprüfen. Ich sollte dankbar sein, dass Mère Sophie, meine Oberin, mir die Erlaubnis erteilt hat, praktisch mein restliches Leben im Vatikan zu verbringen, sollte Kardinal Obembe zum Papst gewählt werden.“

Allzu viel wird sie zwar nicht mitnehmen – in Rom gibt es bekanntlich alles Nötige zu kaufen. Aber es gibt Dinge, die eng mit ihrer afrikanischen Lebensart verbunden sind und die sie in der Fremde schmerzlich vermissen würde. Außerdem sind auch Sachen dabei, die ihr helfen sollen, das nagende Heimweh, vor dem ihr regelrecht graut, etwas leichter zu ertragen.

Der Pontifex

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