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„Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ (Psalm 103, 2)

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In einem Punkt zumindest irren die Menschen nicht: Der Papst verfolgt tatsächlich einen Plan. Und diesen auch schon über sehr lange Zeit. Schwester Monique weiß nur in etwa und leider auch nur sehr bruchstückhaft darüber Bescheid.

Der Schwur eines sechsjährigen Jungen auf dem sogenannten „Schwarzen Kontinent“ im Jahre 1894 ist bei Seiner Heiligkeit noch keineswegs vergessen. Wurde er in seiner Familie doch über mehrere Generationen tradiert. Einem einstmals geschundenen Volk sollte, wenn auch spät, Genugtuung verschafft werden für zugefügte Schmach. Diejenigen, die sich damals anmaßten, die Herren zu sein, später deren Erben, sollten zur Rechenschaft gezogen werden und dafür büßen, was ihre Vorfahren einst verbrochen hatten.

„Im ehemaligen Deutsch-Ostafrika ist bisher in dieser Richtung noch so gut wie gar nichts geschehen!“, bemängelt Papst Leo nicht zum ersten Mal. „Im Westen des Schwarzen Kontinents ist man ein kleines bisschen eher zur Sache gekommen – wenn auch nicht allzu nachdrücklich.

Immerhin hat man sich vor gut zwanzig Jahren zu einer eher halbherzigen Schadensersatzklage wegen des Genozids der Deutschen vor mehr als einem Jahrhundert durchgerungen. In Namibia reichten die Nachfahren der Völkermordopfer vor einem Gericht in New York Klage ein, nachdem sie sich endlich ein Herz gefasst hatten.“

„Wieso in Amerika?“, wundert sich Schwester Monique. „Was haben denn die Amerikaner damit zu tun – außer dass sie in ihrem eigenen Land selbst Sklavenhalter gewesen sind?“

„Nach einem entsprechenden Gesetz können in den USA Ansprüche von Ausländern geltend gemacht werden, auch wenn die Ereignisse nicht auf dem Boden der USA stattgefunden haben“, bekommen die Schwestern Monique, zweiundvierzig, und ihre Nichte Angélique, vierundzwanzig Jahre alt, zu hören.

Auch letztere eine Klosterfrau des Ordens der Kleinen Schwestern Jesu – und genauso wenig mit Leo XIV. nahe verwandt wie ihre Tante Monique … Die Ordensfrau Monique hatte ihre Äbtissin gebeten, ihre Nichte zu sich holen zu dürfen, um sich in der fremden Umgebung nicht so verlassen zu fühlen.

„Auch das heutige Namibia war einmal eine deutsche Kolonie. Bei Massakern am Volk der Herero und der Nama wurden zwischen den Jahren 1904 und 1908 mehr als einhunderttausend Menschen von den Deutschen getötet.“

So detailliert wussten das beide Frauen bisher nicht.

„Aber die Deutschen haben es immer verstanden“, fährt Leo XIV. fort, „entsprechende Forderungen nach Wiedergutmachung abzuschmettern und stattdessen die Nachfahren der Opfer mit lahmen und vor allem billigen Entschuldigungen abzuspeisen. Und auch das nur nach massivem psychologischem Druck – im eigenen Land übrigens …

Außerdem glaubte man, erst in Bonn, später in Berlin, durch das Gewähren von ‚großzügiger Entwicklungshilfe’ sei man sowieso aus jeder weiteren Verantwortung entlassen und vor finanziellen Regressansprüchen sicher.“

Aus jedem Wort, das der Heilige Vater zu diesem traurigen Themenkomplex äußert, spricht sein Groll über jene über Generationen hinweg tradierte ohnmächtige Wut der indigenen Bevölkerung. Zum Teil kann ihn Monique verstehen – aber eben nur zum Teil. Wie steht es mit der von Christen geforderten Vergebung? „So dich einer auf die rechte Wange schlägt, reich’ ihm auch die linke dar!“

Hatte sich nicht der Gründer ihrer Religion selbst in diesem Sinne geäußert? Für den Heiligen Vater scheint das keine Rolle zu spielen.

Der Pontifex

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