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„Denn bei Dir ist die Quelle des Lebens, und in Deinem Lichte sehen wir das Licht.“ (Psalm 36)

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Schwester Monique hat sich mittlerweile längst zurückgezogen, und zwar in ihr eigenes kleines, aber feines Appartement, das sie mit ihrer Nichte Angélique teilt. Ihr Geliebter hat wieder einmal durch nichts erkennen lassen, dass er heute Nacht (wie während der vergangenen Nächte auch) „ihre Gesellschaft wünscht“ …

Und sich ihm förmlich aufzudrängen ist ihre Sache nicht. Das hat die schöne Frau, die ihr ganzes Leben nur nach ihm, seinen Launen, Bedürfnissen und Gelüsten ausgerichtet hat, noch nie getan.

Es mag widersprüchlich erscheinen, aber es ist dennoch die Wahrheit: Trotz jahrzehntelanger häufiger und äußerst lustvoller und abwechslungsreicher Sexualpraktiken ist Monique im Grunde ihres Herzens eine demütige, treue, bescheidene und – ja, man kann sagen, eine keusche Geliebte gewesen und geblieben. Er hat sie geformt nach seinen Bedürfnissen und sie war eine gelehrige Schülerin, die nicht einmal im Traum daran denken würde, ihn jemals mit einem anderen Mann zu hintergehen.

Alles, was sie je getan hat, geschah allein für Maurice Obembes Befriedigung. Falls er sie jedoch als Geliebte nie mehr wird haben wollen, würde sie das in Demut hinnehmen und ertragen müssen. Auch wenn es ihr sehr, sehr schwer fiele …

Eine Rückkehr in ihr Kloster in Ghanumbia zieht sie keinesfalls in Erwägung. An Tagen, an denen ihre „Gastgeberpflichten“ nicht benötigt werden, streift Monique in zivil durch Rom, um all die vielen Sehenswürdigkeiten aus weit über zweitausend Jahren zu genießen, von denen sie vor Jahren im Schulunterricht gehört hat.

Meistens wird sie dabei von Angélique begleitet. Was Monique am meisten Freude bereitet, ist das kindlich-naive Staunen der Jüngeren, die um vieles weniger Ahnung von Europas Kunstschätzen besitzt als ihre Tante.

* * *

In der nächtlichen Stille seines modern und bestens ausgestatteten Arbeitszimmers überlegt der Papst wohl zum hundertsten Mal immer wieder das Gleiche: Wie mögen sich anlässlich seiner ersten Predigt seine Einlassungen für die überrumpelten Gläubigen tatsächlich angehört haben? Ausgerechnet er, der der große Friedenspapst werden sollte, forderte sie zum Kampf auf?

Vatikan-Kommentatoren und selbsternannte „Papstversteher“ hatten sich auch, wie von ihm erwartet, umgehend mächtig ins Zeug gelegt und das Gesagte flugs ins rein Theoretische transponiert: Das Gesagte wäre nur rein ideell zu verstehen und keineswegs real! Der Heilige Vater sei selbstverständlich ein zutiefst friedliebender Mensch und jede Aufforderung zum Kampf sei sozusagen nur „metaphysisch“ gemeint und habe nichts mit Bomben und Granaten zu tun.

Leo muss heute noch darüber grinsen, sobald er daran denkt.

‚Wahrscheinlich sind sich bald alle hinter vorgehaltener Hand einig gewesen, es sei wohl am klügsten, meine Ausführungen so weit wie möglich mit Stillschweigen zu übergehen.’

„Meine Güte“, murmelt der Papst leicht erschrocken. „Schon wieder eine Übereinstimmung mit Johannes Paul II.! Muss ich mir tatsächlich allmählich Sorgen machen?“

Seine von Anfang an kircheninternen Gegner und Neider in Rom haben offenbar einmütig beschlossen, „den Ball vorerst flach zu halten“, wie es Kardinal Carlo di Gasparini burschikos auszudrücken beliebt. O, ja, auch Leo Africanus hat seine Zuträger im Vatikan, die ihm über alles, was relevant sein könnte, Bericht erstatten …

Zu denen, die fürs Totschweigen plädieren, sind für den Heiligen Vater auch jene zu zählen, die jeden Tag stärker versuchen, ihm Hindernisse in den Weg zu legen, Knüppel zwischen die Beine zu werfen oder seine Anordnungen einfach ins Leere laufen zu lassen – in der Annahme, er sei so töricht, es nicht zu bemerken.

Der Pontifex

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