Читать книгу Djerba - Ein Ratgeber für Auswanderer, Langzeittouristen und sonstige Urlauber - Karlheinz Blaull - Страница 14
ОглавлениеBen Ali und sein Polizeistaat
Am 7. November 1987 wird Bourguiba dann von seinem Premierminister Zine el-Abdine Ben Ali aufgrund von Senilität abgesetzt. Das Kabinett wurde umgebildet und durch Vertraute von Ben Ali ersetzt. Auch die Néo-Destour Partei wurde durch die nachfolgende Konstitutionelle Demokratische Sammlung (RCD) ersetzt.
Ende 1987entlässt Ben Ali ca. 2500 Gefangene, darunter viele politische und auch ca. 600 islamistische Fundamentalisten. Ghannouchi und andere inhaftierte Mitglieder der MTI kommen 1988 frei.
Auch viele Exilpolitiker kommen wieder nach Tunesien zurück. Nach der Freilassung von Ghannouchi bekommt die verbotene islamistische Partei MIT einen anderen Namen, sie nennt sich nun Ḥarakat an-Nahḍa kurz Ennahda genannt und Ghannouchi stellt vor den Parlamentswahlen 1989 einen Antrag auf Anerkennung der neuen Partei. Parteimitglieder der Ennahda nehmen dann als unabhängige Kandidaten an den Parlamentswahlen teil. Laut offiziellen Zahlen gewinnen sie ca. 14% der Stimmen. Ben Ali ist das aber zu viel und so wird der Antrag auf Anerkennung der Nahda-Partei abgelehnt und ab diesem Zeitpunkt alle Parteimitglieder politisch verfolgt. In der Folge kam es immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen der, der Ennahda nahestehenden islamistischen Studentenunion und der Staatsgewalt. Daraufhin wird der Partei vorgeworfen, einen militanten Flügel zu betreiben und auf einen Staatsstreich hinzuarbeiten. Als Folge wurden rund 30.000 Parteimitglieder verhaftet.
In der Ennahda selbst gab es 1991 auch Meinungsverschiedenheiten über die zukünftige Strategie und einzelne Führungsmitglieder erklärten ihren Austritt. Ghannushi hielt sich zu diesem Zeitpunkt im Exil in London auf, nachdem ihm schon 1989 bei einem Aufenthalt in Paris von der dortigen tunesischen Botschaft die Erneuerung seines Passes verweigert worden war. Von London aus führte er seither die Ennahda-Bewegung an und kehrte erst Ende Januar 2011, nach mehr als 22 Jahren nach Tunesien zurück.
In den folgenden Jahren wird Ben Ali mit über 90% immer wieder gewählt. Er lässt 2002 die Verfassung ändern, damit er als Präsident noch mehr Macht hat und auch 2009 gab es im Vorfeld der Wahlen gesetzliche Änderungen. Die Regierung führte strenge Einschränkungen der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit ein. Öffentliche Kritik wurde nicht geduldet. Gleichzeitig nahmen die Repressionen zu. Oppositionelle Bürger wurden durch strafrechtliche Ermittlungen, willkürliche Verhaftungen, Reisebeschränkungen und Kontrollen gezielt eingeschüchtert, um Kritik zu verhindern und es gab Berichte, dass Sicherheitskräfte Gefangene misshandeln. Unter dem Vorwand den islamistischen Terror zu bekämpfen, mutierte Tunesien zu einem der rigorosesten Polizeistaaten der Welt. Ein Netz von 140.000 Gendarmen, Spitzeln und Denunzianten überzog in dieser Zeit die Nation.
Letztendlich setzte sich unter Ben Ali das totalitäre Trauerspiel, dass zum Schluss schon unter Bourguiba bestand, fort bis zur Revolution 2011. Er wurde schließlich aufgrund des öffentlichen Drucks und durch massive Proteste gestürzt.
Es war aber nicht alleine die Selbstverbrennung des Gemüsehändlers Mohamed Bouaziz am 17. Dezember 2010, der zum Sturz von Ben Ali führte. Schon vorher gab es Proteste und Aufstände im Landesinnern. Die Selbstverbrennung von Bouaziz war nur noch der letzte Funke, der das Fass zum Überlaufen brachte. In den darauf folgenden Tagen kam es landesweit zu Demonstrationen und Gewaltausbrüchen. Die Ordnungskräfte reagierten gleich zu Beginn mit Brutalität und Waffengewalt dagegen. So verloren mehrere Menschen bei den Demonstrationen ihr Leben., trotzdem ließen sie sich nicht abschrecken. Ben Ali versuchte in mehreren Fernsehansprachen die Lage zu beruhigen, alleine es half ihm nicht mehr. Bei seiner dritten Fernsehansprache am 13. Januar 2011 verkündete er, dass er bei der nächsten Präsidentschaftswahlen 2014 nicht mehr kandidieren werde. Es war aber zu spät, die Mehrheit der Tunesier hatte genug von ihm. Am 14. Januar demonstrierten wiederum tausende Menschen in Tunis. Sie riefen wie schon Tage zuvor und überall im Land: „Ben Ali, de gage„ (Ben Ali, verschwinde).
Am späten Nachmittag flieht Ben Ali mit einem Flugzeug nach Saudi-Arabien.
Acht Jahre ist dies nun her und es war der Beginn des sogenannten arabischen Frühlings.
Tunesien war das einzige Land, das es geschafft hat, eine einigermaßen funktionierende Demokratie zu errichten. Diese ist aber noch sehr brüchig, mehrere Regierungen hat es seitdem gegeben und auch die Auseinandersetzungen zwischen den Islamisten und den Sekulären ist noch nicht beendet.
Den Menschen ging es um Freiheit, Arbeit und Mitbestimmung, was ist davon geblieben?
Heute sind viele desillusioniert, sie haben sich mehr von der Revolution versprochen. Die wirtschaftlichen Probleme sind immens. Es sind insbesondere die Menschen im Landesinnern und die jungen Tunesier, die keine Perspektive sehen. Was nützt die Freiheit, wenn man keine Arbeit hat. Viele junge Männer verlassen Tunesien in Richtung Europa, in der trügerischen Hoffnung, dass es Ihnen dort besser geht. Es kommt auch immer wieder zu Protesten und Streiks, die das Land lähmen.
Man kann nur hoffen, dass Tunesien seinen eingeschlagenen Weg der Demokratie weiterverfolgt, die Zukunft wird es zeigen.