Читать книгу Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels - Karolin Freund - Страница 12
2.1.2.1 Entschluss
ОглавлениеWesentliches Merkmal des Entschlusses ist, dass sich in der Rede eine Situationsveränderung vollzieht, herbeigeführt durch eine Entscheidung oder ihre Aufhebung. Die Kategorie des Entschlusses trägt darum das Merkmal des ‚aktionalen‘ Monologs.1 Als weitere Merkmale können hinzukommen: ein enger ‚Ich-Bezug‘ zur Figur, die klare Äußerung zur gefassten Intention, eine geäußerte zeitnahe Ausführungsabsicht, Bezug auf eine konkret zu vollziehende Handlung sowie Zukunftsorientierung und Selbstversicherung. Kennzeichnend für den Entschluss ist zudem, dass er Informationen vergibt, die unmittelbar die Handlung weiter führen.
Kongruent dazu verhält sich die Zeitvermittlung: Der Entschluss ist grundsätzlich proleptisch. In Anlehnung an Genette untergliedert Holger Korthals die zu den Anachronien zählenden Prolepsen (und Analepsen) zunächst in extern und intern, um in einem weiteren Schritt die internen in kompletiv und repetitiv zu untergliedern.2 Externe Prolepsen beziehen sich auf Geschehen, das außerhalb der Basiserzählung liegt, interne auf das Geschehen innerhalb der Basiserzählung. Kompletiv sind Prolepsen, wenn das erzählte Geschehen nicht noch einmal an der ‚richtigen‘ Stelle aufgegriffen wird und repetitiv, wenn das Geschehen ein weiteres Mal vorkommt. Für die Dramaturgie heißt das, dass insbesondere die internen repetitiven Prolepsen von Relevanz sind. Sie tragen wesentlich zur Spannungserzeugung bei und werden in die für das Drama entscheidenden Ebenen untergliedert: einerseits in zukunftsgewisse Vorgriffe, ‚annonces‘, und andererseits zukunftsungewisse Vorausdeutungen, ‚amorces‘.3
Ein Ereignis, das im späteren Handlungsverlauf stattfindet, zuvor in einer Figurenrede zu berichten oder zu evozieren, stellt genau jenes Moment dar, das einen Entschluss im Monolog bewirkt, weshalb ein Entschluss immer proleptisch ist.
Beispielhaft lässt sich die Funktionalisierung durch Entschluss ohne vorangehende Reflexion, die insgesamt nicht so häufig wie die Verbindung aus Reflexion und Entschluss in den Fastnachtspielen von Sachs zu finden ist, in G 45 Der groß Eyferer, der sein Weib Beicht hoͤret (vv. 85–96) aufzeigen:
85 | Das wird eben ein spiel fuͤr mich; |
Beym Caplan wil entlehnen ich | |
Ein Pfaffenrock vnd Kappenzipffel, | |
Den schlag ich vmbs maul mit dem gipffel | |
Und setz mich hintern Altar rund, | |
90 | Nimb kleine steinlein in den Mund, |
Daß sie mich an der Red nicht kenn. | |
Wenn mein Weib kombt zu beichten denn, | |
Da will ich gwissen grund erfahrn, | |
Was sie hat than bey iren Jarn, | |
95 | Auch was sie noch treib vber tag. |
Die kunst mir gar nit fehlen mag. |
Dem Monolog geht ein Dialog des Mannes mit seiner Frau voraus, in dem sie sagt, dass sie am nächsten Tag zur Beichte gehen will. Weil der Entschluss ohne Reflexion auskommt, wird die Handlung beschleunigt. Der ‚Eyferer‘ beschließt sofort, sich als Geistlicher zu verkleiden. Die Erklärung, wie er an die Kleidung des Geistlichen kommen und seinen Platz in der Beichte einnehmen wolle, ermöglicht es Sachs, diesen Teil nicht dramatisch darstellen zu müssen. Weil die Entscheidung für zukünftiges Handeln fällt, erzeugt der Monolog Spannung, ob es dem ‚Eyferer‘ gelingen wird, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Die größte Schwierigkeit der typologischen Einordnung des Entschlusses besteht in der Abgrenzung zur Enthüllung, da in beiden Kategorien oftmals die Ich-bezogene Formulierung „ich will“ Verwendung findet. Während jedoch die Enthüllung eine bereits feststehende Absicht vorstellt oder berichtet, initiiert der Entschluss eine neue Handlung der Figur.