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1 Gattungsverständnis in der humanistischen Gelehrtenkultur

1.1 Komödie

Das Verständnis von Komödien ging in der Frühen Neuzeit maßgeblich auf Auseinandersetzungen mit Dramen von Terenz zurück, der mit der Wiederentdeckung des Kommentars von Aelius Donatus1 1433 in Italien und spätestens 1456 in Deutschland ins Zentrum des gelehrten Interesses rückte. Als Peter Luder 1456 an der Universität Heidelberg seine Inauguralrede hielt, hob er den didaktischen Wert der Poesie im Allgemeinen und den der Komödien des Terenz im Besonderen hervor.2 Seine ein Jahr später gehaltene Terenz-Vorlesung, in der er gleichfalls den didaktischen Nutzen betont, war so erfolgreich, dass er sie in Erfurt und Leipzig wiederholte.

Luder, wie auch Donat in De Comoedia, stützt seine Argumentation auf Ciceros Lob der Komödie als Spiegel der Sitten und Charaktere.3 Donat führt aus:

Die Komödie ist eine Geschichte, die verschiedene Darstellungen von Leidenschaften von Bürgern und Privatleuten beinhaltet, aus denen man lernt, was im Leben nützlich und andererseits zu meiden sei. […] Cicero sagt, die Komödie sei eine Nachahmung des Lebens, ein Spiegel des Alltags, ein Abbild der Wahrheit.4

Der von Donat formulierte Anspruch an die Komödie, ein Spiegel der Sitten zu sein, war das Hauptargument für Luther und Melanchthon, das Theaterspiel im Verlauf der Reformation zu legitimieren, ermöglicht es doch eine Nachahmung des Lebens und, bei entsprechender Lesart, die Vermittlung moraldidaktischer Inhalte. Neben solcherart Vermittlung trat die universitäre Grammatik- und Rhetorikschulung, eignen sich Komödien doch bestens für die lateinische Sprachausbildung.5

Der didaktische Ansatz im Zugang zum Drama fand schließlich ab dem 15. Jahrhundert seine Umsetzung in der Dramenproduktion. Er war in der Frühen Neuzeit ein wesentlicher Zweck der Dramendichtung. Vor diesem Hintergrund sind auch die Werke von Sachs als Teil eines literarhistorischen Gesamtprozesses zu sehen.

Die Komödie nahm möglicherweise gegenüber der Tragödie in der Frühen Neuzeit eine bevorzugte Stellung ein, weil die Rede vom Drama als Spiegel der Sitten, das eine Besserung des Menschen bewirke, nur die Komödie betrifft. Die Ausnahmestellung von Terenz unter den antiken Dramendichtern spiegelt sich nicht nur bei Donat und Luder, sondern auch im ersten Druck eines antiken Autors und der ersten deutschen Übersetzung wider: 1470 wurde in Straßburg eine Terenzausgabe gedruckt und 1486 übersetzte Hans Neidhart den Eunuchus ins Deutsche. Die mit Anmerkungen versehene Übersetzung wurde ohne große Veränderung, insbesondere ohne Versifikation, sondern unter Beibehaltung der Prosa in die Grüninger-Ausgabe von 1499 übernommen.6

Die Besonderheit von Neidharts Übersetzung ist die ausführliche Kommentierung des Stückes, die auch dramentheoretische Aussagen zum Aufbau von Komödien liefert. Dies ist hervorzuheben, da Neidharts Text mit Sicherheit Sachs bekannt war und als Vorlage für seine Comedi Von der bulerin Thais und iren zweyen bulern, dem ritter Thraso und Phoedria diente.7

Neidhart stellt seinen Erläuterungen zur Komödie ein Vorwort und ein doppeltes argumentum voran. Er gibt nicht nur für die Komödie im Allgemeinen, sondern auch für ihre einzelnen Bestandteile sowie für das argumentum Erläuterungen. Um die Lektüre des Dramas zu erleichtern, geht er zu einer Erklärung des Begriffes comoedia über, den er als dem Leser unbekannt einstuft, denn es bestehe eine „grosse notturfft“, ihn zu erklären.

Ähnlich wie schon Donat bezieht sich Neidhart auf Ciceros Lob der Komödie als Spiegel der Sitten und der Wahrheit und hebt in gleicher Weise den didaktischen Nutzen hervor. Mit der etymologischen Erläuterung des Wortes comoedia ordnet er die Figuren dem mittleren Stand zu. Die Komödie sei in vier Teile gegliedert: (a) der Vorrede („Methaplasmus“) folgen (b) der Anfang und eine Aufzählung der Verwicklungen, so dass das Volk neugierig werde („Prothesis“), woraufhin (c) die Konflikte sich so zuspitzten, dass alle betrübt seien („Epenthesis“), aber am Ende (d) die Betrübnis sich zu einem glücklichen Ausgang wende („Paragoge“). Diese vier Teile werden in fünf Akten untergebracht.8

Im weiteren Verlauf der Kommentierung findet sich eine Differenzierung zwischen Dialog und Monolog, indem Neidhart darauf verweist, dass „man verstan soll welche person in ainer yeden geschicht rede. Es seie das ir lützel oder vil darinn mit ainander reden. Oder es rede ain person mit ir selb.“9 Wie ein Monolog gestaltet sein sollte, erörtert er nicht.

Da eine didaktische Dichtungsintention für nahezu alle frühhumanistischen Dichter zutrifft, ist es keine Überraschung, dass Albrecht von Eybs Abhandlung zur Komödie, die er zwar 1472 und damit vor Neidhart geschrieben hat, die aber erst 1511 gedruckt wurde, ebenfalls im Zusammenhang mit einer Tugendlehre steht. Die Übertragung der Komödien Menaechmi und Bacchides von Plautus und die damit einhergehenden allgemeinen Äußerungen zur Komödie wurden dem Spiegel der Sitten, einer Tugend- und Ständelehre, angefügt und dienen als Beispiele für „falsches Handeln“, d.h. die Plautus-Übertragungen erschienen nicht unabhängig, sondern in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Spiegel der Sitten.10

Eyb wollte keine Übersetzungen antiker Dramen leisten, weshalb er, ähnlich wie Sachs, die Handlung nicht nur christianisierte, sondern auch antike Namen, Sprichwörter und Amtsbezeichnungen durch frühneuzeitliche ersetzte.11

Mit dem Spiegel der Sitten und Neidharts Übersetzung und Kommentierung des Eunuchus liegen zwei Texte vor, die Sachs als Vorlage nutzte und in denen sich theoretische Ausführungen zum Aufbau der Komödie finden. Beide schließen aus der Etymologie auf das Personal der Komödie, wenngleich Eyb daraus eine Ständeklausel ableitet und die Struktur weniger ausführlich als Neidhart beschreibt: Am Beginn und in der Mitte ist sie traurig und zum Ende wendet sie sich ins Positive. Stuplich bemerkt dazu: „Der didaktische Nutzen der Komödie liegt nun darin, daß diese ‚widerwertikait‘ und die ‚verkerten sitten der menschen‘ spielerisch entlarvt und damit angeprangert werden.“12

Der von Eyb ins Deutsche übertragene Plautus ist neben Terenz der zweite wichtige Dichter der Palliata, wenngleich er hinter diesem – vor allem im Schulunterricht – weit zurückstand. Auch für Sachs, der eine der vier Nürnberger Lateinschulen von 1501–1509 besucht hat, dürfte Terenz schon im Schulunterricht präsent gewesen sein.13 So könnte er, wenn auch nicht explizit Dramentechniken, zumindest Latein mit Dramen von Terenz erlernt haben.14

1.2 Tragödie

In Evanthius’ Abhandlung De Fabula, die bis ins 16. Jahrhundert als ein Teil von Donats De Comedia galt, gibt es bereits eine unscharfe Charakterisierung der Tragödie in Abgrenzung zur Komödie,1 die in dieser Form, wie Mitschriften von Studenten zeigen, im Heidelberger Poetikunterricht gelehrt wurde:

Der Unterschied zwischen der Tragödie und der Komödie besteht unter anderem v.a. darin, dass in der Komödie die Schicksale der Menschen unbedeutend, die Gefahren, denen sie begegnen, gering und die Ausgänge der Handlungen glücklich sind; in der Tragödie aber ist alles entgegengesetzt: da gibt es berühmte Persönlichkeiten, große Schrecken und tödliche Ausgänge. Dort beginnt es stürmisch und endet schließlich ruhig, in der Tragödie nehmen die Geschehnisse den entgegengesetzten Verlauf; außerdem gilt, dass in der Tragödie das zu meidende Leben zum Ausdruck gebracht wird, in der Komödie das erstrebenswerte, und schließlich, dass es in der Komödie stets um Fiktives geht, während die Tragödie oft bezüglich der Geschichte für glaubwürdig angesehen wird.2

Der Unterschied zwischen Komödie und Tragödie liegt demnach im unterschiedlichen Ausgang, in der Trennung zwischen Fiktivität und Wahrheit und im unterschiedlichen Stand des Dramenpersonals.

Als einer der ersten deutschen Humanisten äußerte sich Konrad Celtis 1486 in seiner Ars versificandi zur Tragödie. Darin betont er „das moralisch-didaktische, aber auch das rhetorische Element der Tragödien und […] empfiehlt jungen Dramatikern Senecas Tragödien zur Nachahmung“.3 Sein Ziel ist es dabei, neben der weitaus erfolgreicheren Komödie, die Tragödie – und das heißt vor allem die Tragödien Senecas – als Literaturgattung wieder zu etablieren, weil sie Regeln vorgeben, wie Staatsdiener zu leben haben: „sie stellen die Gesamtheit der wichtigsten Regeln für das Leben eines Fürsten dar, und zwar in Form von sehr eindrücklichen Verboten und Lastern.“4

Cora Dietls Untersuchung der neulateinischen Dramendichter Jakob Wimpheling, Joseph Grünpeck, Heinrich Bebel, Konrad Celtis, Johannes Reuchlin und Jacob Locher zeigt, wie heterogen die neulateinischen Dramen sind.5 Einerseits finden sich unter ihnen Rezitationsdramen, die dem Prosadialog ähneln, andererseits können Tragödien bspw. zu Festspielen in Herrscherlob münden. Nur Reuchlins Scaenica progymnasmata stellt eine Ausnahme dar. Seine Komödie ist

„ein dramaturgisch straff durchgearbeiteter, dem klassischen Handlungslauf folgender jambischer Fünf-Akter mit Choreinlagen und geregelten Auf- und Abtritten, der ideal auf einer Terenzbühne aufgeführt werden kann und sich an die Ständeklausel hält.“6

Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels

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