Читать книгу Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels - Karolin Freund - Страница 20
2.2 Monologanalyse in G 57 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn im Vergleich zur vorreformatorischen Fastnachtspiel-Vorlage
ОглавлениеDas in Handschrift G1 anonym überlieferte vorreformatorische Fastnachtspiel K 37 Ein spil von eim Thumherrn und einer Kuplerin, das vor 1494 entstanden sein muss und, obwohl in Nürnberg geschrieben, weder von Hans Rosenplüt2 noch von Hans Folz3 stammen dürfte, liefert die Vorlage4 für eine Bearbeitung durch Sachs aus dem Jahr 1553. Sachs fügt 10 Monologe ein, anhand derer sich nachzeichnen lässt, wie sie das Handlungsgeschehen der Vorlage verändern und welche Funktionen ihnen hier zukommen.
Das Spiel ist als Handlungsspiel zu klassifizieren, das eine Struktur5 mit nicht-austauschbarer Reihenfolge der Abschnitte aufweist. Darin unterscheidet es sich vom Reihenspiel als dem typischen vorreformatorischen Fastnachtspiel und einem Großteil der Handlungsspiele.6 Eine eindeutige Abgrenzung der Dialogabschnitte ist jedoch nur begrenzt möglich, weil es nur vereinzelt Auf- und Abtritte gibt. Statt von Szenen ist darum von einer Gliederung in Abschnitte auszugehen.
Die fünf Abschnitte haben folgenden Inhalt:
1. Abschnitt: | Die Kupplerin erzählt dem Domherrn von einer Frau, die ihn begehrt. Für ihren Dienst verlangt sie Geld. Der Domherr geht auf das Angebot ein. |
2. Abschnitt: | Der Domherr wird zum Bischof bestellt, weil er einen Brief siegeln soll. |
3. Abschnitt: | Die Kupplerin erzählt einer Frau von einem Verehrer, der die Frau sehen will. |
4. Abschnitt: | Die Magd erkennt in dem Verehrer den Ehemann der Frau und rät ihr, den Mann zu schelten. |
5. Abschnitt: | Die Frau beschimpft ihren Mann. Dieser entschuldigt sich und beschimpft die Kupplerin, die jedoch der Knecht beschützt. |
Die Abschnittseinteilungen gehen mit den Abgängen des Domherrn (mit Boten) sowie der Kupplerin und dem Wiederauftritt der Kupplerin (mit Ehemann) einher. Obwohl es sich um ein Handlungsspiel mit literarischer Vorlage handelt,7 lassen sich durch den Vergleich mit der Bearbeitung von Sachs vom 27. Oktober 15538 in G 57 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn die funktionalen Veränderungen nachweisen, die der Monologeinsatz bewirkt. Ist es dem Dichter der Vorlage möglich, die Handlung ohne Monologe und mit 165 Versen zu vermitteln, nutzt Sachs 426 Verse und 10 Monologe. Insgesamt besteht mit 108 Versen ein Viertel des Spiels aus Monologen.
G 57 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn:
Sz. | Vers | Rede und strukturell-gliedernde Funktionen | handlungsbezogene Funktionen | |
Figur | Zeit und Ort | |||
1 | 1–32 | Auftritt-Abgangs-Monolog | Selbstcharakterisierung, Enthüllung, Affektdarstellung (Klage) | Analepse |
2 | 33–50 | Auftrittsmonolog | Enthüllung, Selbstcharakterisierung, Reflexion | Ortswechsel |
51–60 | Auftrittsmonolog (Zutritt) | Reflexion, Entschluss, Enthüllung | Teichoskopie | |
61–120 | Dialog | |||
121–128 | Abgangsmonolog | Reflexion, Enthüllung | Zeitüberbrückung | |
3 | 129–136 | Auftritt-Abgangs-Monolog | Reflexion, Entschluss, Enthüllung | Analepse, Prolepse, Ortswechsel |
4 | 137–152 | Dialog | ||
153–163 | Auftrittsmonolog (Zutritt) | Fremdcharakterisierung, Reflexion, Entschluss | ||
164–212 | Dialog | |||
5 | 213–218 | Auftrittsmonolog | Reflexion, Enthüllung | Zeitsprung, Ortswechsel, Teichoskopie |
219–240 | Dialog | |||
241–248 | Abgangsmonolog | Reflexion, Entschluss, Enthüllung, Affektdarstellung | ||
6 | 249–258 | Auftrittsmonolog | Enthüllung, Bericht, Selbstcharakterisierung | Analepse, Ortswechsel |
259–264 | Auftrittsmonolog (Zutritt) | Fremdcharakterisierung, Reflexion, Entschluss | Teichoskopie | |
265–286 | Dialog | |||
7 | 287–426 | Dialoge |
Die Handlung teilt Sachs auf sieben Szenen auf:
1. Szene: | Eine ältere arme Frau beschließt, ihr Geld mit Kupplerei zu verdienen. Sie will sich dafür im Dom umschauen. |
2. Szene: | Sie entdeckt einen umherlaufenden Domherrn, spricht ihn an und erzählt, dass ihn eine junge Frau begehre. Für den Verkupplungsdienst bekommt sie von dem Domherrn Geld. |
3. Szene: | Die Kupplerin will sich auf dem Markt nach einer Frau umschauen. |
4. Szene: | Auf dem Markt sieht sie eine Frau, die gerade mit ihrer Magd einkauft. Die Kupplerin erzählt ihr von einem adligen Verehrer. Die Frau ist unsicher, woraufhin die Magd sie überredet, sich mit dem geheimen Verehrer zu treffen. |
5. Szene: | Die Kupplerin will den Domherrn abholen, der jedoch nicht mitgehen kann, weil ihn der Bischof zu sich hat rufen lassen. Die Kupplerin muss einen anderen Mann suchen. |
6. Szene: | Währenddessen hat sich der Ehemann der Frau auf die Suche nach ihr gemacht und ist auf dem Weg zum Markt. Da begegnet er der Kupplerin, die ihm erzählt, dass eine adelige Frau ihn begehrt. Er geht mit ihr mit. |
7. Szene: | Die Magd und die Frau sehen die Kupplerin mit dem Ehemann kommen. Die Magd rät der Frau, nicht zu fliehen, sondern den Mann eines Betruges zu beschuldigen. Das tut sie, woraufhin sich der Mann entschuldigt. Die Frau fragt die Magd, woher sie wusste, dass dies funktioniere. Darauf antwortet die Magd, dass sie zwei Jahre einer adligen Frau gedient habe und die Tricks kenne. Die Frau beschließt das Spiel, indem sie bekundet, in Zukunft keiner Kupplerin mehr zu trauen. |
Eine Kette aus drei Monologen bildet den Einstieg in das Fastnachtspiel. Den ersten (vv. 1–32) spricht die Kupplerin. Strukturell-gliedernd liegt hier ein Auftritt-Abgangs-Monolog vor, genauer: ein Expositionsmonolog, weil vv. 1–20 als externe Analepse die Lebenshintergründe der Kupplerin wiedergibt. Es handelt sich demzufolge auf der Figurenebene um eine Selbstcharakterisierung, die den gesamten Monolog durchzieht:
Ach, was sol ich nun fahen an? | |
Mein Geltlich ich verzehret han | |
Mit schwerer Kranckheit lange Jar, | |
Welches Gelt ich einsammlen war | |
5 | Mit Bulerey in meiner Jugendt, |
Da mir denn hauffenweiß zu trugent | |
Edel, vnedel, Layen vnd Pfaffen. | |
Nun bin ich heßlich, vngeschaffen, | |
Zum buln mein niemand mehr begert, | |
10 | Bin ich auch verachtet vnd vnwert |
Vnd thu mich doch deß Betels schemen, | |
Daß ich solt das Almusen nemen, | |
Mag auch nit spinnen an eim Rocken, | |
Mag auch bey keinem Krancken knocken, | |
15 | Auch nit den Kindern zopffn vnd lausen. |
Sol ich mich den nehren mit mausen, | |
So hab ich sorg der meinen Ohrn; | |
Mir ist die Statt vor versagt worn | |
Von wegen meiner boͤsen stuͤck; | |
20 | Ich denck gleich hinter mich zu ruͤck. |
Vv. 21–32 vermittelt als zukunftsungewisse Prolepse die Absicht, Geld mittels Kupplerei zu verdienen:
Wil mich nun gleich mit Kuppeln nehrn, | |
Dieselben kunst darff ich nicht lehrn, | |
Bin gschwind durch mein arglistig renck, | |
Darmit verdien ich danck vnd schenck, | |
25 | Dieweyl gantz abwegs steht mein Hauß, |
Ist recht gut darzu vberauß, | |
Daß ich drinn zsamm kuppel ein paar, | |
Daß sein sonst niemand wird gewar. | |
Was steh ich, ich wil nein in Thumb, | |
30 | Nach eim Thumbherren sehen vmb, |
Mein handel kecklich fahen an, | |
Dieweyl ich sonst nichts hab zu than. |
Leitet Sachs hier den Monolog zu Beginn des Fastnachtspiels im Nebentext mit der Regieanweisung „redet mit jhr selb“ ein, kam die Exposition im vorreformatorischen Fastnachtspiel noch dem Precursor zu, wie sich unschwer der Vorlage (vv. 4–12) entnehmen lässt:
Got gruß den wirt in hohen eren | |
5 | Und was im got ie tet bescheren |
Und alles, das das sein antrifft! | |
Hie kumpt von Banberg auß dem stift | |
Unsers herrn bischofs sigler her. | |
Herr wirt, der leßt euch piten ser, | |
10 | Das er bei euch hie sigeln het, |
Der wird sich fugen wol herein, | |
Des wolt mein herr euch danken sein. |
In gleicher Weise wie der Precursor bzw. Einschreier von der Publikumsrealität – in diesem Fall das Wirtshaus als Aufführungsort – in das Spiel überleitet, leitet der Ausschreier am Ende des Spiels wieder in diese zurück.9 In der Vorlage übernimmt diese Funktion bereits eine spielinterne Figur, der Knecht, der auch explizit die Funktion des Ausschreiers im Nebentext ausfüllt: „Tumherrn Knecht ist Auszschreier“ (S. 282 v. 3). Er gibt das uneindeutige Ende dem Publikum zur Diskussion frei, indem er den Wirt auffordert mitzureden, in die Wirtshausatmosphäre übergeht und zum Tanz bittet (S. 281 v. 31 – S. 282 v. 9):
Hor, freunt, schlag nit die alten huren, | ||
Laß dich kein kupplerin anfuren! | ||
Herr wirt, redt auch zu den sachen! | ||
Pauker, du solt ein tanz uns machen, | ||
Damit ein end und pald darvon, | ||
Wann wir noch weit haben zu gan. | ||
Tumherrn Knecht ist Auszschreier: | ||
Herr wirt, nu gebt uns euren segen, | ||
5 | Nit von essens noch trinkens wegen, | |
Als man zu gastung laden tut. | ||
Neur das wir euch ein guten mut | ||
Mochten machen, was unser sind hir in. | ||
Got gesegen euch all! Wir faren von hin. |
Die Ansprachen des Wirts zu Beginn und Ende und die Aufforderung zum Tanz verdeutlichen die für das vorreformatorische Fastnachtspiel typischen Grenzüberschreitungen zwischen Schauspielern und Rezipienten.10 Grundlage hierfür ist die Verortung im Aufführungsrahmen, wenngleich die Fixierung in Lesehandschriften erfolgt.
Die Einheit von Publikum, Bühne und Darstellern ist dem Fastnachtspiel des Spätmittelalters selbstverständlich. Die Aufführung vollzieht sich in engstem Kontakt zu den Zuschauern. Die Spieler sprechen die Zuschauer an, gehen (vermutlich) unter sie, werben um Wohlwollen (und indirekt wohl auch um Entlohnung), fordern am Schluss der Stücke zu Musik und Tanz auf.11
Nach Pfisters Terminologie handelt es sich um Grenzüberschreitungen zwischen dem inneren und äußeren Kommunikationssystem, die dem Precursor oder im Fall des Fastnachtspiels K 37 der Spielfigur des Knechtes die Rolle eines vermittelnden Kommunikationsteilnehmers zukommen lassen.12
In den frühen Fastnachtspielen bis 1549 und vereinzelt auch noch danach wählt Sachs eine schon in K 37 teilweise gebrauchte Zwischenform der Einschreier- und Ausschreier-Rede, bei der spielinterne Figuren diese Reden übernehmen. Mit der Einleitungsformel ‚redt mit jhr/jhm selb‘, die erstmals 1544 im Nebentext des Fastnachtspiels G 16 ausgewiesen ist, wenn auch nicht zu Beginn, unterstreicht Sachs den Monologcharakter gegenüber der Begrüßung des Publikums, die zu erwarten wäre.13
Die analeptische Konstruktion und gleichzeitige Selbstcharakterisierung des Expositionsmonologes begründet das Verhalten der Kupplerin, indem er Lebenshintergründe benennt.14 Die Enthüllung, Geld mit Kupplerei zu verdienen, vermittelt den Rezipienten unmissverständlich das Wissen über die leitenden Figurenabsichten und führt ihnen vor Augen, dass es sich bei der auftretenden Figur um eine Kupplerin handelt. Die Affektdarstellung in den einleitenden Worten „ach, was soll ich nun fahen an?“ (v. 1) verdeutlicht ihre verzweiflungsnahe Suche nach einem Lebensunterhalt. Ihrer Selbstcharakterisierung nach möchte sie ihn nicht mit Spinnen oder Krankenpflege verdienen und empfindet Scham bei der Vorstellung, betteln zu müssen. Als in der Stadt „verachtet und unwert“ (v. 10) angesehen, entsinnt sie sich ihrer Kunstfertigkeit in der „arglistig renck“ (v. 23). So erscheint ihr gefasster Plan plausibel, durch Kupplerei „danck und schenck“ (v. 24) zu verdienen, zumal ihr abgelegenes Haus für eine verschwiegene Abwicklung des Kupplergeschäfts gute Voraussetzungen bietet. Das Motiv, durch Kupplerei Geld verdienen zu wollen, ist das handlungsauslösende Moment.15
Der wesentlich informierende Monolog findet sein Ende im sprachlich vermittelten aktiven Übergang, der den Ort16 der Handlung mitteilt: „Was steh ich, ich wil nein in Thumb“ (v. 29). In der Vorlage findet sich für die Fülle an Informationen, die der Expositionsmonolog vermittelt, keine Entsprechung. Auch die Figurenidentität zeigt sich im Haupttext der Vorlage allein dadurch, dass die auftretende Figur von einer den Domherren begehrenden Frau wissen will und dem Domherren dieses Wissen in einer Weise anträgt, das als typisch für das Verhalten einer Kupplerin angesehen worden sein dürfte. Darüber hinaus sind Figur und handlungsauslösende Situation nicht entwickelt; sie erscheinen primär im Nebentext, durch den Titel des Spiels und Rollennamen („Kupplerin dicit“).
Sachs hingegen entwirft Elemente einer Biographie für die Figur, die von „Bulerey in meiner Jugend“ (v. 5) über „kranckheit lange Jar“ (v. 3) bis zur Gegenwart reicht, in der „mein Geltlich ich verzehret han“ (v. 2). Der Monolog, der die Selbstsicht der Figur als Introspektion präsentiert, ist für diese Informationen das geeignete Mittel. Sachs schickt damit der eigentlichen Handlung eine ausgearbeitete Situation voraus, die in plausibler Weise das Handeln motiviert.17
Diese Funktionen des Monologs sind jedoch nicht nur auf den Expositionsmonolog beschränkt, sie gelten auch für den der nachfolgend auftretenden Figur (vv. 33–50):
Ich wil da meine Horas beten | |
Vnd allmitt hin vnd wider tretten | |
35 | Vnd wil als bald im Thumb vmbschawen |
Nach den zarten vnd schoͤnen Frawen, | |
Ob ich der eine vberkoͤmb, | |
Die mich zu eim Bulen annoͤmb. | |
Da wolt kein vnkost ich an sparn. | |
40 | Als denn so wolt ich lassen fahrn |
Daheimen mein alte Schaf schelln, | |
Die nichts kann denn gronen vnd pelln, | |
Wil schir mein gantzen Hof regieren: | |
Was ich jr kauff vnd thu hofieren, | |
45 | Wil sie mir gar zu Herrisch sein, |
Wuͤrd mich endtlichen gar thun ein. | |
Darumb muß ich sie nach gepuͤr | |
Fuͤr den Ars schlagen mit der Thuͤr, | |
Ein blasn anheckn, wie man thut sagen, | |
50 | Vnd darmit auß zum Teuffel jagen. |
Als Auftrittsmonolog übernimmt er die strukturell-gliedernde Funktion, den Beginn der zweiten Szene zu signalisieren. Die Rezipienten erfahren durch die ersten Verse, in denen der Monologisierende die „Horas beten“ (v. 33) und sich im „Thumb“ (v. 35) umschauen will, dass es sich um einen Domherrn handelt. Gleichzeitig verdeutlicht der Monolog die dramaturgisch relevante Information, dass ein Ortswechsel zum Dom hin stattgefunden hat. Diesen Ortswechsel hat die Kupplerin in ihrem Monolog bereits angekündigt. Selbstcharakterisierend enthüllt der Domherr seine Bereitschaft, sich eine Geliebte zu nehmen. In der Vorlage vermittelt der Precursor die Rollenidentität der Figur. Er kündigt nach der Begrüßung des Wirts den Domherrn aus Bamberg an (vv. 7–8):
Hie kumpt von Banberg auß dem stift | |
Unsers herrn bischofs sigler her |
Weitere Erläuterungen zum Agieren des Domherrn finden sich nicht. Vielmehr antwortet er auf die Eröffnung der Kupplerin ohne Umschweife, dass sie die Frau bringen solle, er würde es der Kupplerin lohnen, bitte sich aber Verschwiegenheit aus.
Sachs dagegen entwickelt wie schon im Fall der Kupplerin ein motivationales Konstrukt für das Handeln der Figur. Im Unterschied zur Vorlage hegt der Domherr erstens selbst und eigenständig die Absicht, nach einer Geliebten Ausschau zu halten. Zweitens liefert er in der Rede mit sich selbst eine Begründung für diese Absicht. Diese Enthüllung hat als Kernaussage, dass der Domherr seiner misslaunigen und herrischen Geliebten überdrüssig ist. Obwohl es sich um einen Domherrn mit seiner Geliebten handelt, könnte Sachs hier auf das stereotype Motiv der Fastnachtspieltradition, den Machtkampf zwischen Eheleuten in Haus und Hof, zurückgegriffen haben. In der Regel erfolgt für diesen Konflikt in der Fastnachtspieltradition eine Affirmation der patriarchalen Ordnung. Die Zuflucht des Mannes bei einer anderen Frau und der Wunsch, die eigene zum Teufel jagen zu wollen, erscheinen dann als konventionelles Motiv, nach dem das folgende Handeln plausibel wäre. Wenngleich Sachs für den Domherrn keine ähnlich weit ausgearbeitete Selbstcharakterisierung wie für die Kupplerin entwirft, erfüllt der Monolog insgesamt dennoch dieselben Funktionen und vermittelt darüber hinaus funktional den Ortswechsel.
Die Verwendung der beiden Monologe bewirkt, dass im Dialog zwischen den zwei Figuren einander ergänzende Absichten zusammentreffen, die mittels Gleichzeitigkeit von ‚Motiv und Gelegenheit‘ eine kongruente Zielsetzung für das Handeln ergeben und so eine begründete Ausgangssituation präsentieren.
Dem Dialog zwischen Kupplerin und Domherrn vorangestellt ist jedoch noch ein dritter Monolog (vv. 51–60). Als Zutrittsmonolog gestaltet, fasst die Kupplerin den Entschluss, dem Domherrn von einer schönen Frau zu erzählen, obwohl sie diese noch nicht gefunden hat:
Dort ich ein jungen Thumbherrn sich, | |
Den wil geleich ansprechen ich, | |
Der wird mich je ins Maul nit schlagen, | |
Wil jm von einr schoͤn Frawen sagen, | |
55 | Die ich jm zu kupplen verheiß, |
Wiewol ich noch selbst keine weiß. | |
Villeicht bring ich durch solche renck | |
Von dem Thumbherrn ein gute Schenk, | |
Daß ich ein weyl mich hab zu speissen. | |
60 | Ich wil jm gehen den possen reissen. |
Die hier vorliegende und für das Fastnachtspiel seltene18 Form des Zutrittsmonologs wird besonders durch die Teichoskopie geprägt, die eine bereits aufgetretene Figur identifiziert. Sie verdeutlicht, dass die Kupplerin den Domherrn anspricht, ohne bereits eine Frau für ihn zu haben. Die Rezipienten erhalten damit einen Informationsvorsprung, den es in der Vorlage nicht gibt und den Sachs bewusst für die Situation und für die weitere Handlungssukzession einsetzt. In der Vorlage erschließt sich die für die Kupplerin prekäre Situation nur aus der Art und Weise, wie sie das Interesse der Frau für den Domherrn zu wecken versucht.
Der Monolog erscheint zur Wissensvermittlung besonders geeignet, weil es sich um figurenspezifisches Wissen handelt, das sich durch Darstellung von Gedanken enthüllen lässt. Die Monologfunktion liegt hier in der Explikation der Handlungslogik, die sich durch den Entschluss vermittelt. Obwohl der agierenden Figur für ein erfolgreiches Handeln noch nicht die Mittel zur Verfügung stehen, hier eine dem Herrn gegenüber willige Frau, bewirkt der Monolog eine Situationsveränderung. Den Umstand, dass das Handeln trotz fehlender Voraussetzungen erfolgreich sein muss, fängt Sachs durch erneutes Aufzeigen der Handlungsmotive auf, hier also die Notwendigkeit, den Lebensunterhalt verdienen zu müssen. Charakteristisch für den Zutrittsmonolog mit Entschlusscharakter ist, dass er zum einen in einer für Sachs typischen Weise mittels dargestellter Reflexion die Handlungsintention der Figur noch einmal untermauert.19 Zum anderen deutet er eine mögliche Konfliktentwicklung an, indem die Folgen der in Gang gesetzten Handlung durch die agierende Figur nicht mehr vollständig kontrolliert werden können. Durch das eingegangene Risiko baut sich eine potenziell dramatische Spannung auf. Hier liegt ein gewichtiger Unterschied zwischen Bearbeitung und Vorlage, bleibt letztere doch in schlichter Ereignishaftigkeit verankert, deren Eindimensionalität Sachs mittels Monologen aufzulösen versteht.
Im Anschluss an den Dialog beendet Sachs die zweite Szene mit einem Abgangsmonolog (vv. 121–128) des Domherrn:
Das ist ein vnuerhofftes gluͤck, | |
Das mir selb waltzet auff den ruͤck. | |
Wer mag nur die zart Fraw gesein, | |
Die so bruͤnstig begeret mein? | |
125 | Ich hoff doch, ich woͤlls sehen bald |
Die außerwehlt vnd wol gestalt, | |
Der ich doch gar nit kan vergessen. | |
Ich wil zu Hauß zu den Fruͤessen. |
Im Wesentlichen liegt die Funktion in der Affirmation von Situation, Motiv und Handlung. Weil die retardierende Konstruktion keine neuen Informationen für die Handlung liefert, lässt sich die Hauptfunktion in der Anordnung im szenischen Gefüge sehen. Der Einsatz des Abgangsmonologes am Ende der Szene plausibilisiert den darauffolgenden Auftritt der Kupplerin, die vor dem Monolog die Bühne verlassen hat, um in der nächsten Szene fernab des Domherrn ihre heimlichen Absichten präsentieren zu können.
Im anschließenden Auftritt-Abgangs-Monolog der Kupplerin (vv. 129–136) zeigt diese ihre Freude über die gelungene Täuschung des Domherrn:
Die ersten schantz die thett ich treffen, | |
130 | Thett den Narren naͤrren vnd aͤffen: |
Ich thett ein Bulschafft jm antragen | |
Vnd weiß je von keiner zu sagen, | |
Hab gar kein bfelch von einer Frawen, | |
Wil gehn am Marckt, nach einer schawen, | |
135 | Ob ich den Reyen moͤcht machen gantz, |
Villeicht geredt mir noch ein schantz. |
Neben der wiederholten Feststellung, bisher keine Frau für den Domherrn gefunden zu haben, verkündet die Kupplerin ihren ersten Erfolg, da sie von ihm bereits Geld erhalten hat. Sie fasst nun den Entschluss, weiter ihr Glück zu versuchen und eine Frau zu finden. In gleicher Weise wie im Zutrittsmonolog hat Sachs eine kurze analeptische Reflexion eingearbeitet und die folgende Handlungslogik proleptisch expliziert.
Als eigene Szene gestaltet, dient der Monolog der Vorbereitung auf die folgende Szene, indem der Entschluss sich mit einer sprachlich vermittelten Lokalisierung des nächsten Schauplatzes verbindet. Handlungsbezogen übernimmt der Monolog die Überleitung zum Ortswechsel auf den Markt.
In der Vorlage findet sich keine Reflexion der Kupplerin, stattdessen folgt dem Dialog zwischen Domherrn und Kupplerin ein bei Sachs nicht zu findender Dialog zwischen dem Domherrn und einem Boten. Darin wird der Domherr abberufen, um einen Brief zu siegeln. Er versucht zwar, Zeit zu gewinnen, indem er den Boten nicht gleich wieder losschicken will: „Ir mußt ie harren eine kleine zeit.“ (S. 278 v. 26); doch der Bote lässt sich nicht vertrösten, da der Bischof sein Auftraggeber ist. Widerwillig fügt sich der Domherr der Anordnung mit den Worten „So sigel ich des teufels namen.“ (S. 279 v. 1).
Auch wenn Sachs das Gespräch mit dem Boten nicht übernimmt, bringt er in der fünften Szene in einem Dialog zwischen Kupplerin und Domherrn die wesentlichen Informationen dieses Abschnitts der Vorlage unter. Dem vorangestellt ist die vierte Szene, in der eine Frau mit ihrer Magd zum Marktgeschehen hinzutritt, und ein erneuter Monolog der Kupplerin (vv. 153–163). Sie liefert eine Beschreibung der Frau und den Entschluss, sie für den Domherrn ansprechen zu wollen:
Dort geht ein Fraw, die duͤncket mich | |
Sey geschmuͤckt auff den Finckenstrich | |
155 | Mit grosser Pleiden, scharpffem Gbendt, |
Hat etlich Corelln an der Hendt, | |
Mantl vnd Schaubn jr alls rebisch staht, | |
Weiß Stiffel, Pantoͤffelein glat; | |
Mit dem Gsicht hin vnd wider wechelt, | |
160 | Mit jr Meyd stets fispert vnd lechelt. |
Mich duͤnckt, sie sey deß rechten flugs, | |
Sie wird geleich seyn meines fugs, | |
Ich wil sie kecklich reden an. |
Dieser Zutrittsmonolog bietet mit einer ausführlichen Teichoskopie eine Charakterisierung der bereits aufgetretenen Figur. Die wortreiche Darstellung erscheint zunächst retardierend, da die Beschriebene selbst vor wenigen Augenblicken auf der Bühne zu sehen war. In die Beschreibung ist jedoch eine Fremdcharakterisierung eingewoben: Die Kupplerin vermutet, das geeignete Opfer gefunden zu haben, denn jene Frau habe sich so herausgeputzt, weil sie auf dem „Finkenstrich“ (v. 154) sei – also nach Männern Ausschau halte. Auch ihr Verhalten zeige, dass sie „rechten flugs“ (v. 161) sei. Nicht zuletzt scheint es sich um eine hinreichend vermögende Frau zu handeln. Der Entschluss, die Frau anzusprechen, scheint auseichend begründet.
Der Monolog kommentiert und deckt bisher nicht bekannte mögliche Absichten auf. Zudem bringt er die Handlung begründend voran. Der parallele Aufbau beim Finden der ‚Auserwählten‘ stellt einerseits den Rückbezug zum Domherrn her und macht andererseits den Unterschied zu diesem deutlich. Denn im Gegensatz zum Domherrn, der in seinem Auftrittsmonolog seine Absicht enthüllt hat, ist es in diesem Monolog die Kupplerin, die der Frau aufgrund ihres Auftretens eine Absicht unterstellt.
Am Ende der zweiten Szene geht der Domherr mit den Worten „Ich will zu Hauß zu dem Fruessen“ (v. 128) von der Bühne. Der Auftrittsmonolog der fünften Szene (vv. 213–218) stellt über die Analepse die Verbindung zum erwähnten Frühstück her und verknüpft dadurch die beiden Monologe miteinander:
Ich hab das Morgenmahl eingnommen, | |
Bin wider her in den Thumb kommen | |
215 | Vnd wil da auff dem platze schawen, |
Ob mir von der zart schoͤnen Frawen | |
Die Alt brecht etwann gute Mehr. | |
Dort kombt sie eben gleich daher. |
Dem semantischen Anschluss an das Frühstück fügt Sachs eine Prolepse an, die mit der Bekundung, auf Nachricht von der Kupplerin zu warten, in den folgenden Dialog überleitet. Die wesentliche Funktion ist indes technisch bedingt, da der Zeitverlauf und der Ortswechsel zum Dom vermittelt werden müssen. Zudem bleibt über die zeitliche Klammer und die Wiederholung der grundlegenden Motivation des Domherrn die Handlungssituation der Figur über die bisherigen Orts- und Szenenwechsel erhalten. Aus dieser figurenspezifischen Perspektive heraus wird der Blick auf die bald auftretende Person gerichtet.
Die dadurch gewährleistete Konstanz der Figurenperspektive erfährt einen umso stärkeren Bruch, wenn der Domherr im folgenden Dialog der Kupplerin eine Absage erteilt. Es ist auffällig, dass Sachs den Auftrittsmonolog nicht dazu nutzt, die zeitliche Verhinderung darzustellen, die dem Domherrn bereits bekannt sein müsste. Mit Blick auf die Vorlage wäre es eine denkbare Möglichkeit, den Auftritt des Boten zu streichen und den dadurch frei gewordenen Inhalt in den Monolog zu übernehmen. Sachs jedoch verankert diese Information im Dialog mit der Kupplerin. Das überraschende Moment, das sich daraus für die Wahrnehmung der Figur Domherr ergibt, fängt er mit dessen bedauernden Worten vor seinem endgültigen Abgang ab. Auch sie sind also nicht als Monolog geformt.
Grund dieser dramaturgischen Ausgestaltung könnte sein, dass Sachs erstens die enge zeitliche Abfolge der Vorlage beibehalten wollte. Dass das Zusammentreffen mit der Frau so rasch zu erfolgen habe, scheint der Domherr nicht vermutet zu haben. Ebenso wie sein Alter Ego in der Vorlage kann er jedoch einen Auftrag des Bischofs nicht aufschieben. Zweitens verlagert Sachs den sich aus der Absage ergebenden Konflikt ganz auf die Figur der Kupplerin. Indem er dafür auf den Dialog zurückgreift, findet sie sich direkt in einer völlig veränderten Situation wieder. Damit entscheidet sich Sachs drittens gegen eine berichtsmäßige Informationsvergabe im Monolog und folglich gegen einen Wissensvorsprung der Rezipienten vor der Kupplerin. Stattdessen schafft er Parallelität von innerem und äußerem System für die Informationsvergabe und den größtmöglichen Effekt für die Peripetie. Obwohl damit die Vorlage hier eine Möglichkeit für die Verwendung des Monologs eröffnet, hat sich Sachs an dieser Stelle gegen eine Informationsvermittlung von Figurenwissen in dieser Form entschieden.
Am Ende der fünften Szene (vv. 241–248) bringt ein Abgangsmonolog den Ärger der Kupplerin zum Ausdruck, einen neuen Mann finden zu müssen:
Potz Leber Huͤnr, wo muß ich nauß? | |
Die Fraw wart daheim in meim Hauß, | |
Vnd wo ich kein Mann zu jr bring, | |
Wird ich vbel bstehn aller ding. | |
245 | Ich wil nach eim andern umbschawen, |
Denselben bring ich zu der Frawen, | |
Auff daß mit ehren ich besteh | |
Vnd mein handel von statten geh. |
Mittels Affektdarstellung und raschem Entschluss nach kurzer Reflexion kommt es zur Tempoverschärfung im Spiel. Der Monolog findet sich an einer Stelle, an der die Situationsveränderung eine intentionale Reaktion der Figur erfordert. Er verstärkt so die Spannung hinsichtlich des kommenden Handlungsverlaufs.
Zu Beginn der sechsten Szene tritt der interessierte, angebliche neue Mann monologisierend auf (vv. 249–258). In Wahrheit ist es der Ehemann, der seine Frau sucht. Die ersten beiden Verse identifizieren die Figur:
Mein Fraw die ist heut gen marck gangen | |
250 | Mit jrer Meyd, vnd thun vmbprangen. |
Nun hat die Vhr schon neun geschlagen, | |
Wo thun sien tag im korb vmbtragen? | |
Ich meyn, sie hab der Teuffel hin, | |
Biß her ich noch vngessen bin, | |
255 | Vnd ist noch kein funck Fewrs im Hauß, |
Bin gleich vor zorn gelauffen auß; | |
Ich wil jr den Peter puff singen, | |
Thu ich sie heym zu Hause bringen. |
Mit dem Dialog zwischen der Frau und der Magd, der einzig den Einkauf zum Thema hatte, sowie die ausführliche Beschreibung der Frau durch die Kupplerin stellt Sachs sicher, dass an dieser Stelle eine kurze Replik zur Identifikation der Figur ausreicht. Die analeptische Konstruktion über die verstrichene Zeit unterstützt diesen Ansatz. In logischer Folge wird deutlich, warum die Kupplerin den Ehemann trifft. Das in der Vorlage allein vom Zufall bestimmte Zusammentreffen von Kupplerin und Ehemann ersetzt Sachs durch die o.g. Konstruktion, die maßgeblich der Konfliktentwicklung dient.
Wie die Exposition des Fastnachtspiels setzt sich die Hinführung zur Peripetie aus einer Kette von drei Monologen zusammen. Den dritten Monolog der Kette, der auch der letzte des Fastnachtspiels ist, gestaltet Sachs wieder in Parallelität zu den vorhergehenden Zutrittsmonologen der Kupplerin. Auch hier kommt die Kupplerin zu dem bereits aufgetretenen Ehemann und liefert eine teichoskopische Beschreibung des von ihr ‚Auserwählten‘ (vv. 259–264):
Dort geht ein mann artlich gebutzt, | |
260 | Der stets hin vnd herwider gutzt, |
Samb er nach schoͤnen Frawen sech. | |
Ich wiln anredn mit worten spech, | |
Ob ich den in den kluppen brecht, | |
So stuͤnd der handel wol vnd recht. |
Wie schon in der zweiten Teichoskopie ergibt sich aus der Beschreibung des Ehemannes eine Fremdcharakterisierung, aufgrund derer sich die Kupplerin entschließt, den Mann anzusprechen. Anders als im Fall der Frau verfügen die Rezipienten indes über den Informationsvorsprung, dass der Ehemann nicht nach Frauen Ausschau hält, sondern seine Ehefrau sucht. Dem Monolog kommt wesentlich die Funktion zu, dass die Kupplerin den für die Handlung entscheidenden Entschluss fasst, den Mann anzusprechen, der schließlich zum Höhepunkt, dem Zusammentreffen zwischen Ehefrau und Ehemann, führt.
In der Vorlage ist dieser Vorgang mit sieben Versen erheblich kürzer dargestellt. Dass die Kupplerin den Domherrn nicht finden kann, macht die Regieanweisung „Nu lauft die Kupplerin und sucht den Thumherrn und fand sein nicht pald.“ (S. 280 v. 1) deutlich. Fünf Verse später folgt die Information, dass es sich um den Ehemann der Frau handelt. Die Magd schaut aus dem Fenster und sagt „O frau, sie bringt furwar euren man.“ (S. 280 v. 7).
Wie schon der Handlungsumschwung und die Konfliktentwicklung aufgrund der Absage des Domherrn nicht in einen Monolog gefasst sind, so wird auch der zweite Umschwung, die ‚rettende Idee‘ für die Ehefrau, in der Bearbeitung nicht durch einen Monolog vermittelt. Sie erfolgt im Dialog der Frau mit der Magd, indem die Magd wie auch in der Vorlage der Frau rät, auf den Ehemann loszugehen und ihm Vorwürfe zu machen. Es ist demnach keine Ausnahme, dass in diesem Fastnachtspiel Monologe nicht direkt am aktionalen Punkt der Situationsveränderung, dem Ablauf der Handlung positioniert sind, sondern davor oder danach. Die Monologfunktion lässt sich hier eher der motivierenden Handlungsvorbereitung und Situationsentwicklung zuordnen.
Der Beginn ist durch drei aufeinanderfolgende Monologe geprägt, von denen die beiden ersten wesentlich der Figurenzeichnung dienen. Sie stellen, teilweise analeptisch konstruiert, enthüllend Motive und Absichten heraus und entwickeln so die figurenperspektivische Sicht für die Handlung.
Im Gegensatz zum vorreformatorischen Fastnachtspiel vermitteln hier die Monologe die Handlungsmotive der Figuren. Die Enthüllungen von Absichten, Selbstcharakterisierungen und die Darstellungen von Affekten basieren auf Stereotypen wie etwa ‚der seiner Ehefrau überdrüssige Mann‘, ‚die flatterhafte junge Frau‘ und ‚die verschlagene Kupplerin‘. Die dargestellten Motivationen dienen nicht komplexeren Figurenkonstruktionen,20 sondern der Handlungsbegründung.
Es stellt sich die Frage, weshalb Sachs Handlungsmotivierungen einfügte, obwohl die Vorlage die Handlung bereits verständlich darstellt. Ein mögliches Unverständnis seiner Rezipienten scheint als Begründung allein auch deshalb wenig plausibel, weil es hierfür keinerlei Belege gibt. Vielmehr ging es Sachs um den kausalen Aufbau der Spielrealität. Nicht der Zufall sollte Handlungsauslöser sein, sondern intentionale Entscheidungen der jeweiligen Figuren. Dieser Funktion lassen sich acht der zehn Monologe zuordnen.
Mit Ausnahme der Schlussszene, die rein dialogisch ist, bilden die Monologe im strukturellen Gefüge regelmäßig den Anfang oder das Ende einer Szene. Einen abgesetzten Schlussmonolog gibt es nicht. Monologe führen Zeitsprünge, Ortswechsel sowie Veränderungen der Figurenkonstellation ein. Da die letzte Szene auch hier eine Ausnahme bildet, ist davon auszugehen, dass Sachs grundsätzlich die Monologe zur strukturellen Gliederung funktionalisiert, zugleich aber Ausnahmen zulässt. Die drei Zutrittsmonologe inmitten der Szene dienen der teichoskopischen Beschreibung der auserwählten Personen und der Ankündigung, sie ansprechen zu wollen. Durch das Zurückgreifen auf denselben Monologtyp in der jeweils parallel gestalteten Situation – Kupplerin sieht ein potenzielles ‚Opfer‘ – werden den Rezipienten indes auch die Unterschiede in der Menschenkenntnis der Kupplerin vermittelt: Der Blick auf den Domherrn ist hier bestätigend, der auf die Ehefrau zweifelnd, denn es bedarf noch der Überredung durch die Magd, und hinsichtlich des Ehemanns wird ihre Menschenkenntnis ad absurdum geführt.
Sachs setzt bis auf den Überbrückungsmonolog alle strukturell-gliedernden Monologtypen ein. Neben der handlungsbezogenen und strukturierenden Funktion dienen einige Monologe hauptsächlich dazu, die Komik des Spiels zu verstärken bzw. Komikeffekte in das Fastnachtspiel zu integrieren, die es in der Vorlage nicht gibt.
Besonders deutlich ist dies an den letzten beiden Monologen der Kupplerin (vv. 241–248; vv. 259–264) zu sehen. Die Panik der Kupplerin „Potz Leber Hunr, wo muß ich nauß?“ (v. 241) bringt die Komik der Verzweiflung ins Spiel, erzeugt über das nun zentrale Handlungsproblem, einen neuen Mann finden zu müssen. Im Gegensatz zur Vorlage, in der die Komik durch verbale Attacken des anderen und Prügelszenen entsteht,21 greift Sachs auf Sprachkomik zurück, die die eigene Person und nicht mehr den Dialogpartner betrifft.
Als zweites Beispiel kann der Monolog der Kupplerin in der sechsten Szene (vv. 259–264) dienen. Darin ermöglicht das mehrperspektivische Wissen die Entstehung von Komik: Da die Rezipienten über einen Informationsvorsprung verfügen, der sie wissen lässt, dass es sich um den Ehemann der Frau handelt, den die Kupplerin sieht, weckt ihre Interpretation der Handlung des Hin- und Herschauens vor allem die Spannung der Rezipienten auf die Auflösung dieses Irrtums und auf die Bloßstellung der Intrigantin.22 Die noch zuvor in der Beschreibung des Domherrn und teilweise der Frau treffende Menschenkenntnis der Kupplerin versagt nun.
Neben der Vermittlung von Figurenperspektiven, die dem logischen Handlungsaufbau dienen, liegt die Funktion einzelner Monologe zudem in der Entwicklung bzw. Verstärkung von Komik. Der Handlungsgang ist auf das ‚Spiel mit der Intrige‘ bzw. des ‚betrogenen Betrügers‘23 ausgerichtet und etabliert dadurch im Gegensatz zum vorreformatorischen Fastnachtspiel eine neue Form der Komik.
Der durch den Monolog vermittelte dramaturgische Anspruch von Sachs liegt vor allem in der Handlungsmotivierung. Sind die Figuren auch nicht weniger gut oder schlecht gezeichnet als in der Vorlage, erscheint ihr Handeln gleichwohl wesentlich kausal begründet. Die Handlungslogik ist hier immer zugleich Verständnishilfe für die Rezipienten, weil die monologisierenden Figuren selbst das Verständnis der Handlung mittels Erläuterungen und Kommentierungen des eigenen und fremden Handelns fördern. Für die Komik der Intrige ist dies eine notwendige Vorausetzung.
Die von Sachs ausgeführten dramaturgischen Änderungen lassen schließlich danach fragen, wie er zur Beherrschung der vorgestellten dramatischen Technik gelangen konnte. Eine Analyse der Monologe in den Tragedis und Comedis aus den Jahren 1527–1549 und deren Vorlagen soll hierauf Antworten geben.