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Infobox 1: Kurzbeschreibung des Response-to-Intervention-Ansatzes (RTI-Ansatz)

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Zusammenfassend lässt sich der RTI-Ansatz folgendermaßen beschreiben:

• Es findet eine Förderung auf mehreren Förderebenen (bzw. -stufen) statt. In der Praxis kommen vor allem dreistufige Fördersysteme vor. Mit jeder zunehmenden Förderebene steigt der Grad an Intensität und Spezifität der Förderung.

• Mithilfe regelmäßig durchgeführter Screeningverfahren (meist mehrfach im Schuljahr einsetzbare standardisierte und normierte Tests) wird die Lernausgangslage aller Schülerinnen und Schüler erfasst. Die Ergebnisse werden zuallererst für die Förderebenenzuordnung genutzt.

• Der Erfolg und damit die Wirksamkeit von Unterricht und Förderung wird in kurzen Abständen überprüft. Hierzu dienen in der Regel wöchentlich bis monatlich einsetzbare Kurztests. Diese dauern meist ein bis drei Minuten und führen zu einer Lernverlaufsdokumentation, an der abzulesen ist, ob Lernfortschritte vorhanden sind und wie stark sie ausfallen. Diese Kurztests heißen curriculumbasierte Messverfahren (CBM).

• Die Ergebnisse der Screenings und der CBM sowie von Beobachtungen oder Dokumentenanalysen bilden die Grundlage für die Unterrichts- und Förderplanung (einschließlich der Förderebenenzuordnung).

• Die auf den unterschiedlichen Förderebenen angebotenen Maßnahmen bzw. die dort verwendeten diagnostischen Verfahren, Förderprogramme und Materialien wurden nach ihrem wissenschaftlichen Bewährungsgrad ausgewählt.

• Falls im Einzelfall bisherige Maßnahmen nicht ausreichen, erfolgt eine Intensivierung und Spezifizierung von Diagnostik und Förderung auf der nächsthöheren Förderebene.

• RTI als Rahmenkonzeption für eine systematische inklusive Förderung zielt auf möglichst zeitnahe Hilfen bei entstehenden Schulleistungsrückständen (»Förderung von Anfang an«), kontinuierliche Förderung und ein Mindern von Leistungsrückständen (»No child left behind«) ab. In Einzelfällen kann die Förderung die gesamte Schulzeit umfassen, wobei die Intensität und Spezifität der Förderung zeitlich stark wechseln kann. Bei einer Vielzahl von Schülerinnen und Schülern soll die Förderung nur temporär sein.

• Es finden regelmäßige Teambesprechungen aller in Bezug auf eine Schülerinnen- und Schülergruppe beteiligten Pädagoginnen und Pädagogen zwecks Abstimmung von Förderzielen, Methoden und Arbeitsteilung statt.

Die in der Infobox 1 im Überblick skizzierten zentralen Elemente von RTI als Rahmenkonzeption für eine gelingende schulische Förderung werden ausführlich in Hartke (2017a) erläutert. Erste positive Evaluationsergebnisse im deutschsprachigen Raum finden sich bei Voß et al. (2016). In dem hier vorliegenden Buch werden eine Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten eines inklusiven Deutschunterrichts aufgezeigt, die sich zentralen Elementen des RTI-Ansatzes zuordnen lassen. Dies ist beabsichtigt, denn nach jetzigem Erkenntnisstand stellt dieser Ansatz gegenwärtig eine der wenigen erfolgsversprechenden Möglichkeiten dar, das aktuelle Bildungssystem so zu reformieren, dass ein gemeinsamer Unterricht trotz deutlicher Lern- und Entwicklungsschwierigkeiten einer Vielzahl von Schülerinnen und Schülern gelingt.

Der hier favorisierte RTI-Ansatz kann leicht missverstanden werden. So werden die innerhalb des Ansatzes besonders wichtigen CBM fälschlicherweise als summative Evaluationen des Leistungsstandes aufgefasst, die einer möglichst präzisen Leistungsbeurteilung dienen. Die zentrale Funktion der CBM ist hingegen die formative Evaluation (Hattie, 2013) des bisherigen pädagogischen Handelns! Die Erfassung des Lernerfolgs dient als Hinweis für die Einschätzung der Qualität der Passung von Unterricht und Förderung und Lernausgangslage der jeweiligen Schülerin oder des jeweiligen Schülers. CBM dienen also als Informationsquelle zur Beantwortung von Fragen, wie bspw. »Ist mein pädagogisches Handeln für dieses Kind angemessen?« oder »Muss ich mein Handeln ändern?« – Fragen, die sich Lehrkräfte tagtäglich stellen. Letztlich beinhaltet RTI als Rahmenkonzeption für einen inklusiven Umgang mit Heterogenität Methoden zugunsten der Lösung elementarer schulpädagogischer Herausforderungen: Früherkennung von Schulleistungsrückständen, Früherkennung von besonderen Risiken in den Bereichen Lesen, Rechtschreiben und Rechnen, emotional soziale und sprachliche Entwicklung, angemessene Förderung bei einem Förderbedarf in einem Schulleistungsbereich oder einem Entwicklungsbereich, differenziertes Erkennen und Verstehen von Lern-, Sprach- und emotional sozialen Entwicklungs- und Verhaltensschwierigkeiten, professionelle Arbeitsteilung und Teamarbeit von Lehrkräften allgemeiner Schulen, Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, Integrations-/Inklusionsfachkräften sowie Schulpsychologinnen und -psychologen.

Wie jedes Fördersystem verlangt das Rahmenkonzept RTI von seinen Anwendern mehr als Konzept- und Methodenkenntnisse. Ohne den Willen alle Kinder einer Schule optimal zu fördern, kann kein Fördersystem erfolgreich sein. Guter Unterricht steht und fällt mit der Haltung und der professionellen Kompetenz der Lehrkräfte (Hattie, 2013; Pant, 2016), dieses gilt umso mehr für den inklusiven Unterricht. Ohne eine inklusionsorientierte Haltung, die sich als fester Wille, für alle Kinder einer Klasse, Schule oder Region von Beginn der Schulzeit an gemeinsame und angemessene Lern- und Entwicklungsbedingungen zu schaffen, beschreiben lässt, gelingt kein gesellschaftlich akzeptiertes inklusives Schulsystem. Die im Weiteren dargestellten Forschungsergebnisse, Modelle, Konzepte, diagnostischen Verfahren, Förderprogramme und Materialien können erst in Verbindung mit einer inklusionspädagogischen Haltung und Förderstrukturen in Anlehnung an den RTI-Ansatz zu einem erfolgreichen gemeinsamen Unterricht führen. Die Ergebnisse des auf dem RTI-Ansatz beruhenden Rügener Inklusionsmodells (Voß et al., 2016; Hartke, 2017b) sprechen für das skizzierte Vorgehen, das nachfolgend für den Deutschunterricht konkretisiert wird ( Kap. 5). Die folgende Abbildung stellt den RTI-Ansatz als robustes Rahmenmodell für eine inklusive Förderung von Anfang an dar.


Abb. 1: Mehrebenenprävention im RTI-Ansatz (Blumenthal, Y., Kuhlmann, K. & Hartke, B. (2014). Diagnostik und Prävention von Lernschwierigkeiten im Aptitude Treatment Interaction-(ATI) und Response to Intervention-(RTI-)Ansatz. In M. Hasselhorn, W. Schneider & U. Trautwein (Hrsg.), Lernverlaufsdiagnostik (Tests & Trends, NF Bd. 12, S. 61–82, hier S. 71). Göttingen: Hogrefe. Erläuterung: Die Pfeile kennzeichnen mögliche Förderebenenzuweisungen

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