Читать книгу Der Kampf der Balinen - Kathrin-Silvia Kunze - Страница 17

15. Kapitel

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Ein neuer Morgen war angebrochen und hatte die Schatten der vergangenen Nacht hinfort gewischt. Der frühlingshaft, fahlblaue Himmel, war durchzogen von kleinen, zerfetzten Wolkenfäden. Aber das störte die Sonne nicht. Mit ihrer Kraft erwärmten sie den noch jungen Tag und verschenkte ihr Licht an alle. An die grüne Natur ebenso wie an die rote Stadt. Mit ihren freigiebigen Strahlen bedachten sie die Sandsteingebäude, die Tiere in den Gärten und die Einwohner auf den Straßen und Plätzen. Und sie vergaß dabei auch nicht die zwei Männer, die dort unten auf dem Boden so früh schon gewichtige Dinge zu bereden hatten. „Das hier ist unsere Siedlung, NordcumMelan.“ Trismon kniete auf dem Boden und zeichnete mit dem Finger, die Umrisse seiner Heimat in den Sand. „Sie liegt direkt am Meer.“ Er zog oberhalb der Siedlung einen dicken Trennstrich und versetzte dem Bereich darüber durch Wischbewegungen mit seiner Hand ein dunkles Muster. „Zu beiden Seiten der Ansiedlung liegen Wälder. Und in etwa hier“, Trismon drückte mit der Fingerspitze ein Loch in den Boden, „haben wir den unterirdischen Zugang entdeckt!“ Trahil stand direkt neben ihm und sah sich aufmerksam an, was er dort im Sand zu erklären suchte. Trismon hatte diesen alten Mann vom ersten Augenblick an gemocht. Den scharfsinnigen Blick seiner Augen, der durch sein ruhiges und zurückhaltendes Wesen noch betont wurde. Dies alles erinnerte ihn an seinen alten Lehrmeister Mimail. Und obschon Trismon eher als Einzelgänger zu beschreiben war, der gerne alleine blieb und auch seine Gedanken eher für sich behielt, war er mit Trahil schnell vertraut geworden. Und bei einer eher zufälligen Begegnung heute morgen, hatten sie sich bald in ein Gespräch vertieft. Vor allem ging es dabei um die Frage, was das dort unter der Erde eigentlich sein könnte. Mit einfachen Zeichen im Sand versuchte Trismon ihnen beiden nun einen Überblick zu verschaffen. Dabei beeindruckte ihn im Besonderen die schnelle Auffassungsgabe Trahils. Denn die gezielten Fragen des Alten bezogen sich auf Trismons Schilderungen in der gestrigen Ratsversammlung und damit auf nur einmal Gehörtes. Und doch hätte man meinen können, auch Trahil hatte das unterirdische Gebäude selbst schon einmal gesehen. Er hat ein sehr ausgeprägtes Vorstellungsvermögen, lobte Trismon ihn im Stillen. Und er blickte zu ihm auf, fast so, wie einst zu seinem Lehrmeister. Trahil lächelte hinab und fragte in seiner ihm eigenen, wohltuend besonnenen Art: „Könntest du versuchen wiederzugeben, an was du dich in dem Raum dort unten erinnern kannst?! Einzelheiten, die dir jetzt womöglich noch unwichtig erscheinen. Sie könnten uns helfen zu verstehen, wozu dieses unterirdische Bauwerk dienen soll!“ Trismon schürzte nachdenklich die Lippen. „Wie schon gesagt, es war alles in dieses dunkle rote Licht getaucht, das die Gegenstände viel eher verhüllte, als sie zu erhellen.“ Trismon legte die Stirn in Falten und blickte für kurze Zeit in die Ferne. So als würde er dort noch einmal sehen können, was sich an jenem schicksalhaften Tag ereignet hatte. Dann wandte er sich wieder der Zeichnung auf dem Erdboden zu und fuhr mit dem Finger durch den warmen, roten Sand. Hier ein Strich, dort eine Schraffur und schon entstand der rätselhafte Ort vor den Augen der zwei Männer noch einmal. Während er den Erdboden bemühte, gab Trismon zu jedem der gezeigten Gegenstände eine Erklärung ab. „Alles war voll seltsamer schrankähnlicher Gebilde. Sie hatten in sich Lichter in vielen verschiedenen Farben. „In sich?“, fragte Trahil nach, um sicherzugehen, dass er sich hierbei nicht verhört hatte. „In ihnen leuchtete es immer wieder auf, in unterschiedlichen Farben!“, nickte Trismon, der die Nachfrage des Alten nur zu gut verstehen konnte. Dann legte Trismon wieder die Stirn in Falten, in dem Versuch das Unerklärliche begreiflich zu machen. „Es gab dort ein grollendes, an- und abschwellendes Geräusch, das über allem schwebte und auch über den Boden zu kriechen schien. Und dabei immer dieser seltsam flackernde, dunkelrote Halbschatten.“, flüsterte Trismon plötzlich in sich gekehrt und mehr zu sich selbst. Trahil schauderte und brachte nur ein unschlüssiges, nachdenkliches Seufzen hervor. Wie gestern, so wusste er auch jetzt nicht, ob er von Trismons Erzählung begeistert oder doch eher beängstigt sein sollte! Wohl beides zugleich, entschied er sich dann aber letztendlich und wandte sich wieder an Trismon. „Und du behauptest, die Wände am Eingang seien viele Armlängen dick gewesen?“ Trismon sah wieder zu ihm auf und nickte. „Es brauchte etwa drei volle Schritte, um den Eingang zu durchqueren.“ Dann blickte Trismon wieder fort und fügte etwas unsicher hinzu: „Und ich glaube, da war noch eine weitere Tür. Auch wenn ich nicht weiß, wie oder warum, aber diese Tür steckte in der Wand! Man konnte nur ein kleines Stück von ihr erkennen.“ Dann blickte er wieder zu Trahil auf und sah ihm bei den nächsten Worten fest in die Augen. „Und dieses Türstück zuckte! Also, es bewegte sich immer vor und zurück.“ Trahil schluckte schwer, denn der offene Blick des anderen zeigte ihm, dass hier die volle Wahrheit ausgesprochen wurde. Doch sein Geist wehrte sich gegen solch unnatürliche Geschehnisse. Deshalb hielt er sich hartnäckig an dem Gedanken fest, dass ein jeder sich irren kann, vor allem in solch einer extremen Situation! Trismon sah den ungläubigen Blick des Alten und warf abwehrend die Arme in die Luft, als er sprach: „Und frag mich jetzt nicht, aus welchem Material diese Tür war. Denn Holz war es ganz sicher nicht!“ Trahil wollte die Stimmung des jungen Mannes aufhellen und antwortete lächelnd: „Na siehst du! Zumindest das ist jetzt schon mal sicher!“ Trismon blickte zu ihm auf und lachte. Dann kehrte Trahil wieder zurück zu der Frage, was dort in NordcumMelan unter der Erde nur sein konnte. „Allein solch dicke Wände finde ich schon merkwürdig genug! Und Trahil schüttelte den Kopf, als er fortfuhr: „Selbst als Schutz vor rauem Wetter, wie es dort oben bei euch sicher vorherrschen mag, scheint mir dieser Aufwand übertrieben!“ Trismon lächelte bei der Erwähnung seiner Heimat und erinnerte sich an die langen, dunklen, kalten Winter dort, als er antwortete: „Unsere Vorratsgruben legen wir jedenfalls ein bisschen weniger sorgfältig an, falls du das meinst.“ Die beiden Männer grinsten sich an. Nach einem Augenblick des vertrauten Schweigens, wand sich Trismon wieder an Trahil, blickte zu ihm auf und fragte mit gedämpfter Stimme: „Meinst du, dort sollte etwas so versteckt werden, das Niemand es finden kann?“ „Möglich wäre es!“, antwortete der Alte. „Aber was wurde versteckt? Und vor allem, wer wenn tatsächlich nicht wir, hat es versteckt?“ Den Blick wieder auf die Striche im Sand gerichtet und den Unheilsort vor Augen, flüsterte Trismon, mehr zu sich selbst: „Und wehe denen, die es doch finden!“ Bei dieser bisher unbedachten aber einschüchternden Möglichkeit, sog Trahil vor Schreck scharf die Luft ein! Doch schon im nächsten Augenblick hörte Trismon verwundert, wie der Alte plötzlich freudig rief: „Der Allliebende leite deine Schritte an diesem schönen Morgen, Seline.“ Unwillig über diese Störung sah Trismon auf. Er folgte dem Blick Trahils. Dort stand die Empathin. Trismon fiel sofort auf, wie müde und übernächtigt sie aussah und er konnte sich auch denken warum. Aber es gefiel ihm, dass sie ein schlichtes, hellbraunes Wollkleid trug, das beim Arbeiten nicht hinderte. Auch brachte es ihre grünen Augen zum Leuchten und hob den Glanz ihrer roten Locken hervor. Doch das, so befand Trismon gleich darauf wieder, war natürlich unwichtig. „Auch dir einen gesegneten Sonnenaufgang, Trahil!“, hatte Trismon sie eben noch rufen hören. Doch nun, als sie ihn erblickte, lies sie die Hand schnell wieder sinken, ganz so, als hätte sie sich an der Luft verbrannt. Sie bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick, der immer weiter abzukühlen schien. Bis sie schließlich abweisend die Lippen schürzte. Nur um dann grußlos, mit ernstem Gesichtsausdruck, davonzueilen. Trismon, der noch immer im Sand kniete, blickte ihr nach. Da hörte er Trahil neben sich seufzen. Der Alte wand sich ihm wieder zu und sagte betont freundlich: „Ich danke dir für deine Ausführungen, Trismon. Ich habe mir nun alles einprägen können.“ Bei diesen Worten deutet er mit seinem langen, schweren Holzstab, der dem von Trismon nicht unähnlich war, auf die Zeichnung im Sand. „Bitte entschuldige mich für einen Moment. Später werde ich dir unsere Stadt zeigen, wenn du es wünscht. Auch möchten sich die anderen Ratsmitglieder gerne noch weiter mit dir über die Entdeckung in NordcumMelan unterhalten.“ Noch ehe Trismon darauf antworten konnte, hatte Trahil sich bereits abgewandt. Trismon sah ihm nach. Der Alte ging den Weg, den die Empathin genommen hatte. War sie womöglich seine Tochter, fragte Trismon sich. Sie war vorhin sehr blass gewesen, mit Schatten unter ihren Augen. Das Tier letzte Nacht, hat es nicht geschafft, schlussfolgerte Trismon daraus. Mitfühlend senkte er kurz den Kopf und sah zu Boden. Da fiel sein Blick wieder auf die Zeichnung, direkt vor ihm im Sand. Das riss Trismon aus seinen Gedanken. Wütend stieß er ein Fauchen aus und war mit einem Satz auf den Beinen! Hoch aufgerichtet und berstend vor Tatendrang knurrte er: „Ich vergeude hier meine Zeit mit Tagträumerei!“ Und so etwas sah ihm sonst gar nicht ähnlich! Ärgerlich trat Trismon gegen die Zeichnung im Sand, die darob sofort verwischte. Auch habe ich doch schon alles gesagt, was ich weis, dachte er unwillig und schritt dabei unruhig auf und ab. Ich will etwas tun und nicht nur darüber reden! Trismon versuchte, sich zu beruhigen. Er blieb stehen und stemmte eine Hand in die Hüfte und fasste sich mit der anderen an die Stirn. Einige Bewohner der Stadt wurden schon neugierig und sahen zu ihm hinüber. Entnervt atmete Trismon aus. Er lies die Hand an seiner Stirn nach hinten gleiten und fuhr sich damit durch das blonde Haar. Natürlich wusste er nur zu gut, wie ungerecht diese Gedanken gegenüber Trahil gewesen waren. Von der Stadt Melan ganz zu schweigen, die ihn so freundlich empfing, seinem Anliegen Gehör schenkte und unverzüglich gehandelt hatte. Trismon plagte nun das schlechte Gewissen. Ausgerechnet in diesem Moment kam ein kleines Mädchen auf ihn zu gerannt und hielt ihm wortlos einen glänzenden, saftigen Apfel hin. Sie hatte kurze schwarze Haare und honigfarbene Augen, die ihn schüchtern anblickten. Und kaum hatte Trismon den Apfel genommen, da rannte sie auch schon schnell wie der Wind davon. Hinein in ihre Gruppe von Freundinnen, die etwas abseits standen und alles beobachtet hatten. Sie alle kicherten und flüsterten und blickten zu Trismon herüber. Dieser lächelte freundlich zurück. Und um das Spiel der Kinder mitzuspielen, verneigte er sich vor ihnen in einer eleganten Bewegung. Die Mädchen kreischten alle laut auf vor Vergnügen und rannten dann vor Verlegenheit auf und davon. Trismon grinste breit. Doch jetzt hatte er ein noch schlechteres Gewissen. Ein schlechter Mann wie du unter so freundlichen Balinen, fällte er das harte Urteil über sich selbst. Derart geläutert und Besserung gelobend, setzte Trismon sich auf ein niedriges Stück Mauerwerk, biss herzhaft in den köstlichen Apfel und wartete geduldig.

Der Kampf der Balinen

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