Читать книгу Die lustlosen Touristen - Katixa Agirre - Страница 10
Оглавление06 Gustavo, ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber wenn du in Madrid in einen Supermarkt gehst, kaufst du Milch, Eier, Müsli der Hausmarke und Coca-Cola. Doch wenn du hier in la Patria in einen gehst, hast du nur Augen für die Delikatessen. Falls das Ministerium für Handel und Tourismus der baskischen Regierung je einen lebenden Beweis für den Erfolg seiner Werbekampagnen braucht, dann bist du das, Gustavito, komm her und iss es.
— Ich wollte einen Weißwein besorgen und hatte an einen Txakoli gedacht, aber schließlich bin ich auf den hier gestoßen. Der Korken ploppt genau im passenden Moment. — Ein weißer Rioja, von denen gab es jede Menge, deshalb habe ich den teuersten genommen, hier, probier mal, wie findest du den? Zu Hause wäre ich, ehrlich gesagt, nie auf die Idee gekommen, ein weißer Rioja? Wozu denn? Aber ich weiß nicht, ich hatte so eine Eingebung. Wie ist er? Remelluri Blanco heißt der, wenn du sagst, er ist gut, schreibe ich mir das auf.
— Er ist hervorragend.
— Zum Glück, das waren dreißig Euro.
— Gustavo!
— Um den Ferienanfang zu feiern, chica!
— Du kannst dich nicht beherrschen und das nennst du dann eine Eingebung!
Danach schaue ich mir den Rest der Leckereien an, die Gustavo auf dem Küchentisch ausgebreitet hat, und ich habe keinen Zweifel daran, dass sie ihm einen roten Teppich ausgerollt haben, als er den Supermarkt verließ. Ventresca de Bonito del Norte, Bauchfleisch vom weißen Thunfisch in Olivenöl, Käsespezialitäten aus Idiazábal und Roncal, Paprika aus Ibarra und als Einziges, was kein Eusko-Label trägt: norwegischer Räucherlachs mit seinem unzertrennlichen Begleiter, dem Dijon-Senf.
— Was ist denn? Das sind doch nur ein paar Häppchen, mach doch nicht so einen Wirbel. Um den Ferienanfang zu feiern.
Wir konzentrieren uns also aufs Essen. Du, wie üblich ganz erfüllt von deinem Gourmet-Geist. Ich stelle mir dich in acht oder zehn Jahren vor, dann rundlicher, eigentlich schon dick. Deine Haare halten momentan noch durch, aber gegen die Fettansammlung im Bauchbereich wirst du mittelfristig nicht viel tun können. Über dem Gürtel ist schon ein bisschen was zu sehen. Du wirst ein glücklicher Dicker sein, einer von der alten Schule. Einer von denen, der das Abendessen vom Vortag nochmal Gang für Gang mit seinen Freunden durchkaut – seinen dicken Freunden –, während ihm der Saft eines guten Koteletts am Kinn herunterläuft. Einer von denen, die jede Menge vino de autor trinken, mit dem Argument, der sei viel leichter als ein normaler Wein. Oder der das Schnäpschen nach dem üppigen Festmahl nur deshalb nimmt, weil es verdauungsfördernd ist. Und dann, vielleicht mitten bei einem Bankett, oder in einem beliebigen anderen Moment: akuter Herzinfarkt, kaum das Erschauern eines Blattes, ein freundliches und feinsinniges Ende. Du wirst zu Boden stürzen, lang wie du bist. Oder vielleicht auch in meinen Armen sterben. La pietà. Ich werde da sein.
Kurz gesagt, ich bin unfähig, mich in den Freuden dieser Welt zu verlieren. Die Natur hat mir diese verquere Vorstellungskraft geschenkt, dieses Murphy-Neuron, die Gabe der Schwarzmalerei. Wo du Pata-Negra-Schinken siehst, sehe ich nur Cholesterin. Du, Gran Reserva; ich, Leberzirrhose, oder zumindest einen Mordskater, wenn ich meinen optimistischen Tag habe. Und deshalb wäre es mir auch lieb, wenn ich nur an eines denken könnte, während du mich nach unserem ersten Ferienessen stolpernd, strauchelnd, gegen die Wand prallend, mit vielen Ohs und Achs in mein Zimmer schiebst, an eine einzige Sache, während ich dich beiße, zwicke, ziehe, lecke. Nur an eines oder besser noch an gar nichts, wenn ich meine Haut vergessend mich ganz in deiner verlieren dürfte. Worte flüstern, ohne vorher darüber nachzudenken. Aber ich kann nicht. Im Flur, im Bett, auf dem Stuhl, wo ich das Periodensystem auswendig gelernt habe – ständig dieses Rumoren. Die strengen Grenzen meines düsteren Charakters.