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Kapitel 8
ОглавлениеMatts, der Therapieassistent entschuldigte sich. Nun hatte die Meerwasserpumpe den Geist aufgegeben.
„Ich kann Ihnen heute kein Meerwassersprudelbad anbieten“, sagte er und wirkte etwas zerknirscht. Mia fragte sich, ob sie jemals in diesen Genuss kommen würde und entschied sich für eine Meerwasserinhalation. Sie setzte sich an das vorgesehene Waschbecken und hielt sich das Endstück des Schlauchs unter die Nasenlöcher. Prickelnd strömte salziger Nebel in ihre Nebenhöhlen.
Thom hätte sie in einer solchen Situation sicher ausgelacht, zumindest in der Zeit, als es ihm selbst noch gut gegangen war, vor der Sache in Afghanistan. Er hätte sie wohlmöglich gefragt, warum sie nicht einfach raus ging an den Strand, spazieren, schließlich war die ganze Insel eine einzige Meerwasserinhalation. Vermutlich hätte sie ihm Recht gegeben und ihre Neugierde vorgeschoben. Berufskrankheit. Curiosity killed the cat war zu Studienzeiten eine ihrer Lieblingsbands gewesen. Und was hatte sie jetzt noch zu verlieren? Sie konnte sich jede Menge Neugierde erlauben. Im schlimmsten Fall würde sie ihr Leben verlieren. Aber das hatte sie ohnehin schon – an jenem Tag im September, oben auf der Klippe.
Als sie die Klinik verlassen wollte, saß auf der Ledercouch vor den Massageräumen Günther und wartete darauf, dass Frau Olsen ihn aufrief. Er schaute Mia prüfend an.
„Mädchen, haben Sie schlecht geschlafen? Sie sehen ja ganz grau aus!“
„Ach, nein, geschlafen habe ich wie ein Stein. Die Luft hier macht einen ja total fertig. Ich lese zwei Seiten in meinem Buch und es fällt mir aufs Gesicht.“
„Sind es die alten Gespenster?“
Mia nickte und plötzlich strömten Tränen über ihr Gesicht. Ihr Körper bebte unter Schluchzern.
„Hach, hach, Mädchen, na na…“, Günther stemmte seinen Leib mühsam aus dem Sofa und nahm sie in den Arm. Mia schüttelte den Kopf, konnte aber nicht aufhören zu weinen.
Günther strich über ihre schwarzen Locken und wiegte seinen breiten Oberkörper.
„Noch immer nicht besser, was?“
Mia schüttelte den Kopf und ein tiefer stotternder Schluchzer kam statt einer Antwort aus ihrer Kehle.
Er schaute sie mit seinen Spitzbubenaugen fest an.
„Das wird wieder, versprochen! Und wo wir uns jetzt schon so herzlich umarmen, können wir uns genauso gut duzen. Was hältste davon?“
Mia lachte unter Tränen und sagte „Ist gut.“
Frau Olsen machte sich mit „Moin, moin“ bemerkbar. Mia löste sich von Günther. Sagte „Danke“ und ging drei Kilo leichter ums Herz die Treppe hinauf. Hinaus an die Inselsonne.
Lichtflecken in einem Flüsschen. Moosiges Grün auf braunem Grund. Sonnenblumenfelder. Sommerwiesen mit gelben, blauen und roten Blütentupfen. Das Blau eines Pools. Allmählich erkannte Mia Farben wieder als Farben. Sie sog alles in sich auf, wie Nahrung.