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Kapitel 3

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Günther Mondric war von all den alten Krücken auf der Insel noch die lustigste. Er kam aus dem Ruhrgebiet und seine zauseligen weißen Haare und der Schnauzer gaben ihm etwas Spitzbübisches. Auch legte er seine üppige Körpermasse nicht, wie viele Mitpatienten, allabendlich auf der großen Couch vor dem Fernseher ab. Die meisten taten das ohnehin nur, um sich über all das Elend auszutauschen und auch weiterhin nichts zu tun, um diese Erde durch ihre Gegenwart auch nur einen Deut angenehmer zu machen. Da war Günther Mondric Mia bei weitem lieber. In ihm loderte noch ein Feuer. Der alte Gockel machte einer rüstig wirkenden Asthmapatientin, den Hof. Abends sah Mia sie häufig in einem Strandcafé sitzen. direkt neben ihrem Hotel. Dort genossen die beiden ein paar Bierchen zum Sonnenuntergang und hielten sich an den Händen. Günther war überhaupt noch gut auf den Beinen. Der Rücken ziepte zwar und die Bandscheiben kullerten nur so, wie er sagte, aber das hielt ihn nicht von kilometerlangen Strandspaziergängen ab. Einmal fragte er Mia, ob sie Lust hätte, ihn zu begleiten. Und das tat sie. Er wollte wissen, warum sie hier war. Und sie erzählte ihm alles.

„Ach Mädchen, für so viel Kummer sind Sie doch noch viel zu jung!“

„Das Schicksal richtet sich nicht nach dem Alter!“

„Das nicht, aber Sie wollen doch auch noch keine gramgebeugte Alte sein. Dagegen können Sie was tun.“

„Was denn?“, fragte Mia leise.

„Meine Berta ist jetzt schon zwanzig Jahre tot. Und ich glaube nicht, dass irgendwem damit geholfen wär’, wenn ich ewig um sie trauern würde. Was sie für mich war, geht nie weg. Aber ich bin noch hier und muss weitermachen.“

Ein Austernfischer, der vor ihnen im Watt auf und ab stolziert war, brach plötzlich in lautes Gezeter aus. Sein Schnabel glänzte rot, als hätte er ihn gerade in Nagellack getaucht. Günther Mondric schaute den zeternden Vogel amüsiert an. Dann zog er sein Smartphone aus der Hosentasche und machte typische Wischbewegungen. „Find’ mal den Vogel da“, sagte er und zeigte auf die Liste in seiner Vogel-App. „Ich hab’ meine Lesebrille vergessen.“ Er zuckte entschuldigend die Schultern. Mia beugte sich über das Gerät. Eigentlich boykottierte sie die Dinger. Sie tippte auf den Austernfischer mit seinem gebogenen roten Schnabel, den roten Beinen und dem schwarz-weißen Gefieder und aus dem Telefon erklang das vertraute Keckern. Der Austernfischer am Strand hob seinen Kopf, wiegte ihn hin und her und fing dann an, noch lauter und empörter zu Zetern. „Wie gemein!“ sagte Mia und stieß Günther ihren Ellbogen in die Seite. Ein zweiter Austernfischer landete und stimmte in das zweistimmige Geschimpfe ein. Mia machte fast in die Hose vor Lachen und musste sich an Günther festhalten, der sich ebenfalls seinen Bauchansatz hielt.

Mia am Meer

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