Читать книгу Wie schaffen das die Schwäne? - Katja Pelzer - Страница 8
Lena
ОглавлениеZum ersten Mal ist er ihr bei einer dieser Fridays-for-Future-Demos aufgefallen. Der lange, etwas schlaksige Typ mit den dunklen Haaren, dessen Strähnen ihm immer wieder in die dunklen Augen fallen.
Hin und wieder hat sie seinen brennenden Blick auf sich gespürt. Wenn sie zu ihm geschaut hat, hat er schnell weggeguckt.
Er ist in Patricks Klasse. Glaubt sie zumindest.
Aber ihr ist lieber, dass ihr Bruder nicht weiß, dass er ihr gefällt, also kann sie ihn nicht fragen.
Sie haben ein gutes Verhältnis, Patrick und sie, aber wenn er etwas davon mitkriegt, hat sie keine Ruhe mehr. Und außerdem wird er es dem Typen sicher weitersagen. Da ist er eben doch der nervige große Bruder.
Seit Mama und Papa sich getrennt haben, ist er manchmal komisch und irgendwie schräg drauf.
„Ich finde natürlich total doof, dass die Beiden nicht mehr zusammen sind. Klar! Aber wenn sie sich schon trennen, dann soll auch einer gehen“, sagt er jedoch auch. Aber nur zu Lena.
Mama und Papa gegenüber würde er das natürlich so deutlich nicht sagen.
Lena und Patrick kennen das ja schon von ihren Klassenkameraden und -kameradinnen. Viele Eltern sind geschieden.
„Davon geht die Welt nicht unter,“ sagt Patrick immer. „Dass sie in den gemeinsamen vier Wänden eigene Wege gehen, finde ich voll krank. Ein klarer Cut wäre echt besser!“
Lena hat ihn nur erstaunt angeschaut, als er das gesagt hat. Er ist so erwachsen, dachte sie, als sie zum ersten Mal ausführlicher darüber gesprochen haben, er und Lena.
„Das muss die beiden doch krass viel Kraft kosten, sich immer noch täglich zu sehen, obwohl sie nicht mehr zusammen sind! Es gab ja offensichtlich einen Grund, warum sie sich getrennt haben. So ist es doch echt bescheuert. Nichts Halbes und nichts Ganzes“, das hat er auch noch gesagt.
Patrick ist halt Schulsprecher. Er ist lösungsorientiert und pragmatisch veranlagt. Rational.
Das kann Lena nur teilweise nachvollziehen.
„Ich finde es eigentlich ganz schön, dass wir alle zusammenbleiben. Ich mag es natürlich auch nicht, wenn Mama und Papa streiten. Klar ist es schöner, wenn es zu Hause friedlich und harmonisch ist und Mama und Papa sich lieben und zusammenhalten, so wie sie sich das mal versprochen haben, als sie geheiratet haben. In guten wie in schlechten Zeiten halt.“
Patrick nennt das „Blütenträume“. Und das nimmt Lena ihm schon übel. Sie ist ja nicht doof und auch kein kleines Kind mehr.
Aber egal.
Sie mag ihn trotzdem, ihren großen Bruder. Sie ist stolz auf ihn. Auch weil er Schulsprecher ist. Alle ihre Freundinnen sind in ihn verknallt:
„Er ist so gediegen, voll fame“, hat ihre beste Freundin Matilda mal gesagt.
Wie albern. Aber na ja, sie versteht es auch.