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Türengel auf Reisen

Wer kennt das? Atemlos durch die Unterführung hetzen. Noch zehn Sekunden. Wusch-Wusch-Wusch an Feierabendgesichtern vorbei. Noch fünf Sekunden. Mit grossen Schritten die Treppe hoch. Noch zwei Sekunden. Zwei Stufen aufs Mal. Null Sekunden. Und wahrscheinlich hätte man den Zug jetzt verpasst, wenn da nicht dieser eine Mensch aus der Kategorie «Lieber Mitpassagier» wäre, der den Türknopf drückt. Oder noch besser: gleich aufs Trittbrett steht. Solche Menschen haben ein lobendes Wort verdient. Und einen schmückenden Titel: Türengel. Mein Türengel am letzten Donnerstag war ein ganz Besonderer. Er hielt nämlich nicht nur mir die Tür auf, sondern – knapp vor Abfahrt – einfach allen, die angehastet kamen. Und kaum waren wir alle glücklich im Wageninnern, sagte er: «Du, häsch mer 2.80, das i chan uf Oerlike fahre.» Öhm ... Ausser Atem wie ich war, hab ich dankbar in der Manteltasche gekramt. Dass er sich in der S-Bahn gar kein Ticket kaufen kann, hab ich erst viel später kapiert. Egal. Der Trick mit der Tür ist bestechend. Türengel müssen belohnt werden, auch wenn sie streng riechen. Wir alle sollten ein bisschen Türengel sein. Im Sinne der pendlerischen Nächstenliebe. Das hab ich mir vorgenommen, als ich einen Tag später auf die Abfahrt wartete. Ein schlacksiger Jüngling mit Baseballcap und Riesenkopfhörern rannte die Treppe hoch. Ich drückte auf den Türknopf und stellte mich aufs Trittbrett. Er stieg ein. Schaute mich an. Grinste: «Und jetzt wotsch Schtutz, gäll ... Das känni!»

Abgefahren! Im Zug mit Katja Walder

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