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Kapitel 10
Оглавление»Also, wo bist du? Und warum hast du mir nicht gesagt, dass du ausziehst?« Jake beantwortete Liams Frage mit ein paar eigenen.
»Entschuldige bitte, mir war nicht klar, dass dich das was angeht!« Liam atmete hörbar ein. »Schau, als du aufgetaucht bist, um Calebs Sachen zu holen, hatte ich schon geplant, eine Weile zu meinen Leuten zu ziehen. Ich konnte nicht mehr bleiben. Zu viele Erinnerungen. Ich hab auch meinen Job gekündigt. Ich kann momentan auf keinen Fall in Atlanta leben. Jedes Mal, wenn ich die Straße entlangging, oder an unserem Lieblingsrestaurant vorbei, da war mir diese… Leere neben mir bewusst. Weil er nicht da ist, kann ich es auch nicht sein. Und es ist nicht so schlimm, wieder zu Hause zu sein. Ich such hier nach einem Job.« Liam hielt inne, dann sprach er mit leiser Stimme weiter. »Was uns wieder zu dir bringt. Du weißt jetzt alles. Warum rufst du mich immer noch an? Warum kannst du es nicht ruhen lassen?«
Sein Herz schmerzte. »Weil er nicht hätte sterben sollen, nicht bevor ich die Gelegenheit hatte, mit ihm zu reden.« Jake schluckte schwer. »Gott, wenn du nur wüsstest, wie lange ich darauf gewartet hab, mit ihm zu reden.«
»Du hättest nur anrufen müssen, oder?«
»Uh-hu. Nicht für dieses Gespräch. Das war etwas, was ich ihm direkt sagen musste, und jetzt werd ich nie mehr die Gelegenheit dazu bekommen.« Seine Kehle zog sich zusammen und er verstummte.
»Ihm was sagen?«
»Dass… wir uns ähnlicher waren, als ich dachte. In einer Weise, wie ich es nie vermutet hätte.« Jake unterdrückte seine Tränen. Er würde nicht zusammenbrechen, nicht während er in seinem Pick-up saß und mit Liam telefonierte.
»Auf welche Weise, Jake?« Liams Stimme war nur ein Hauch. »Was war so wichtig, dass du es mit ihm teilen musstest?«
Jetzt gab es kein Zurück mehr, nicht, wenn er so weit gekommen war. Und er wusste, dass er von Liam nichts zu befürchten hatte. »Dass ich… schwul bin.« Jake hielt den Atem an, ohne recht zu wissen, warum.
»Na, da soll mich doch –« Liam atmete tief aus. »Weiß es jemand?«
Trotz seiner total chaotischen Emotionen musste Jake lächeln. »Na ja, – du.« Sein Seufzen klang wie Liams. »Ich hab auf die richtige Gelegenheit gewartet, es Caleb zu sagen, aber es schien nie eine zu geben. Und wenn ich was hätte sagen können, hab ich gekniffen. Hatte wohl zu viel Schiss.«
»Vor was?«
»Wie er reagieren würde.«
Liam lachte ironisch. »Junge, ihr zwei wart euch wirklich ähnlich. Caleb wollte es dir unbedingt sagen, aber er hatte Angst, dass du wie dein Daddy reagieren würdest. Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass er von der Aussicht, einen schwulen Sohn zu haben, nicht sonderlich begeistert gewesen wäre. Caleb sagte, du und dein Daddy seid euch sehr ähnlich, und –«
»Oh.« Und ich dachte, Caleb kennt mich. »Wir sind uns in vielen Dingen ähnlich, aber darin nicht.«
»Dir muss grad so viel durch den Kopf gehen.«
»Du hast ja keine Ahnung.« Jetzt gab Jake ein ironisches Glucksen von sich. »Na ja, vielleicht doch.« Und da hatte er die Situation vorher schon für verkorkst gehalten…
»Gibt es jemanden, mit dem du reden kannst?«
Und das war genau das, was Jake quälte. »Niemanden, bei dem ich darauf vertrauen kann, so zu reagieren, wie ich es brauche.« Er hatte genug von dem mitbekommen, was auf den Fluren der Schule vorging, dass er sich nicht hundertprozentig sicher sein konnte, ob seine Freunde ihn unterstützen würden. Ihr familiäres Umfeld war genau wie sein eigenes. Es war schwer, solchen Anschauungen aus dem Weg zu gehen, nicht, wenn man sie jeden Tag lebte und atmete.
»Hör mal… willst du mit mir reden?«
Jake blinzelte die Tränen weg, die ihm in die Augen stiegen, und sein Gesicht wurde warm. »Meinst du das ernst?« Er war nicht sicher, ob er sich derart aufdrängen konnte. Liam kannte ihn überhaupt nicht.
»Ist nur ein Vorschlag. Ich nehm an, du bist bei der Wohnung?«
»Ja.«
»Also, wie ist dein Plan?«
»Ich wollte nach Hause fahren.« Hier hielt ihn nichts.
»Wenn du das vorhast, dann fahr los, bevor es zu spät wird. Du hast emotional eine Menge durchgemacht und ich kann mir vorstellen, dass du erschöpft bist. Und wenn du zu müde bist, um zu fahren, dann bitte, Jake, übernachte irgendwo. Es gibt an der Pine Street ein günstiges Motel, das ist nicht allzu weit entfernt. Du darfst nicht fahren, wenn du müde bist.«
Er passt auf mich auf. Bei dem Gedanken breitete sich Wärme in Jake aus. Er wusste, dass Caleb der Grund für Liams Besorgnis war. Das, und sein Angebot, dass Jake mit ihm reden konnte, machten Jake klar, dass sein Bruder einen guten Mann gefunden hatte.
»Das klappt schon. Ich lege ein paar Pausen ein und wenn ich müde werde, schlafe ich ein bisschen.« So sehr ihm die Vorstellung gefiel, jemanden zu haben, dem er sich anvertrauen konnte, wollte Jake nicht egoistisch sein. »Bist du sicher, dass es okay ist, dich anzurufen? Denn ich würde es verstehen, wenn das zu viel für dich ist.« Er vermutete, dass es schmerzhaft sein würde, so kurz nachdem er Caleb verloren hatte.
»Ich würde Calebs kleinen Bruder das nie allein durchmachen lassen. Du hast meine Nummer. Und ich versprech dir, nächstes Mal gehe ich gleich ran. Jederzeit, Jake, okay?« Es klang absolut aufrichtig.
»Danke.«
»Und wenn du immer noch Fragen wegen Caleb hast, stell sie einfach. Ich hab vielleicht nicht auf alle eine Antwort, aber ich werde mein Bestes geben.«
»Mehr kann ich nicht verlangen, oder?« Zum ersten Mal, seit er Liam angerufen hatte, konnte Jake richtig durchatmen. »Ich fahr dann jetzt los.«
»Schreib mir, wenn du angekommen bist, okay?«
Jake versicherte Liam, dass er das tun würde, dann legte er auf. Er hatte vier Stunden Fahrt vor sich, aber er fühlte sich verdammt viel besser als auf dem Weg hierher. Es tröstete ihn, zu wissen, dass er zum ersten Mal nicht allein war.
Es war ein gutes Gefühl.
***
Als Jake den Stadtrand von LaFollette erreichte, erwies sich Liams Einschätzung als richtig: Er war körperlich und emotional erschöpft. Bedauern war das Gefühl, das ihn auf dem Heimweg am meisten gequält hatte. Er wünschte sich, Caleb hätte etwas gesagt. Wünschte sich, er hätte etwas gesagt. Dann fiel ihm ein Spruch ein, den sein Englischlehrer in der zehnten Klasse bei vielen Gelegenheiten gern angebracht hatte: Macht es euch zu einer Lebensregel, niemals zu bereuen und nie zurückzublicken.
Tja, leichter gesagt als getan.
Jake fuhr die Einfahrt hinauf und parkte seinen Pick-up hinter dem seines Daddys. Er war hundemüde und mehr als bereit, etwas zu essen. Mama öffnete die Tür, bevor er nach der Klinke greifen konnte, und zog ihn in eine Umarmung. Jake hielt sie fest, atmete ihren vertrauten Duft ein, eine Mischung aus Parfüm, frisch gewaschener Baumwolle und Gebäck.
»Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?«, flüsterte sie, die Arme noch immer um ihn gelegt.
Jake musste ehrlich sein. »Ja und nein. Mit Liam zu reden, hat ein bisschen geholfen, aber…« Er löste sich aus ihrer Umarmung und schaute ihr in die Augen. »Würdest du es verstehen, wenn ich sage, dass ich vielleicht dorthin zurückwill?« Sie musste nicht wissen, dass Liam jetzt in North Carolina war. Es war auch nicht so, dass er vorhatte dorthin zurückzugehen, aber er wollte sich einen Eindruck von der Lage der Dinge verschaffen. Wenn sie der Vorstellung zumindest nicht ablehnend gegenüberstand, gab ihm das die Möglichkeit, falls er sie brauchte.
Mama musterte ihn einen Moment, dann umfasste sie sein Gesicht mit beiden Händen. »Wir versuchen alle, unseren Weg zu finden, damit fertigzuwerden, aber du darfst keine Angst haben, um Hilfe zu bitten, wenn du sie brauchst.« Mit nachdenklicher Miene hielt sie inne. »Ich hab heute Morgen mit Reverend Hubbert über dich gesprochen. Ich finde, du solltest morgen mit uns in die Kirche gehen.«
Jake unterdrückte den Drang zu seufzen. »Ich gehe ab und zu hin, aber immer nur wegen dir, Mama. Also… ich denke, ich komme nicht mit.« Er wollte ihren Vorschlag nicht einfach abtun, aber es war besser, wenn sie die Wahrheit wusste.
Mama nickte. »Ich bin vielleicht nicht glücklich über diese Entscheidung, aber ich versteh's. Dein Daddy bewältigt es, indem er sich in seiner Arbeit vergräbt. Mir gibt die Kirche, was ich brauche.« Sie hielt inne. »Wenn… der Kontakt zu Calebs Freund in Atlanta dir hilft… wenn du dafür Urlaub brauchst… Dann unterstützen wir dich.« Sie grinste. »Und ich werde dafür sorgen, dass dein Daddy das auch versteht.«
Er drückte sie fest an sich. »Du bist die beste Mama der Welt.«
Mama kicherte und schob ihn weg. »Schmeichler. Du willst nur, was ich für dich im Ofen hab.«
Er verdrehte die Augen. »Na ja, was denn sonst?« Jake folgte ihr ins Haus und war trotz seiner Müdigkeit etwas optimistischer.
Das Telefongespräch mit Liam hatte, obwohl es nicht alle seine Fragen beantwortete, zumindest einen Lichtschimmer am Ende des Tunnels geliefert. Und einen Vertrauten.
***
Jake war gerade mit dem Frühstück fertig, als sein Handy klingelte, und er lächelte, als er Petes Namen auf dem Display sah. Er hatte vorgehabt, sich zu erkundigen, was seine Freunde vorhatten. »Hey, was geht?«
»Was machst du am Dienstag? Hast du schon was vor?«
Die scheinbar willkürlich gestellte Frage verwirrte ihn kurz. »Warum am Dienstag?«
Pete schnaubte. »Bist du wach? Hast du einen Kalender in der Nähe? Dann schau mal drauf, Blödmann!«
Belustigt schaute Jake quer durch die Küche. »Echt jetzt?« Wie konnte er derart das Zeitgefühl verloren haben, dass er nicht wusste, dass Dienstag der vierte Juli war, der amerikanische Unabhängigkeitstag?
Spöttisches Gelächter drang an sein Ohr. »Also? Unternimmst du was mit deinen Eltern?«
»Ich glaub nicht.« Die Tatsache, dass bisher nicht drüber geredet worden war, lieferte einen guten Anhaltspunkt. »Warum? Hast du einen Vorschlag?« Jake war nicht wirklich in der Stimmung zu feiern.
»Dan, Mike und ich fahren nach Knoxville. Die Party geht gegen vier los, aber wir dachten, wir machen einen Tagesausflug draus. Willst du mit?«
»Ich müsste Mama und Daddy fragen.«
»Uns was fragen?« Mama kam dicht gefolgt von Daddy in die Küche.
»Pete hat gefragt, ob ich am vierten Juli mit ihm und ein paar anderen nach Knoxville fahren will.«
Mama kniff die Augen zusammen, aber Daddy nickte begeistert. »Klingt nach einer großartigen Idee. Du verbringst nicht genug Zeit mit deinen Freunden. Is' ja nicht so, als müsstest du arbeiten, stimmt's? Und wir hatten nich' vor, was Besonderes zu machen, oder, Schätzchen?«
»Nein, aber…« Mama schürzte die Lippen, bevor sie weitersprach. »Solange ihr Jungs nicht vorhabt zu trinken und dann zu fahren. Und komm mir nicht mit der Aber wir sind zu jung, um zu trinken-Nummer. Ich bin schließlich nicht von gestern.«
»Das hab ich gehört«, sagte Pete lachend. »Sag deiner Mama, Alkohol ist nicht erlaubt.«
Jake wiederholte seine Worte, auch wenn er, so wie er seine Freunde kannte, vermutete, dass irgendwann Alkohol auftauchen würde. Aber was Mama nicht weiß, macht sie nicht heiß.
Mama nickte widerwillig. »Na schön. Aber komm direkt nach dem Feuerwerk nach Hause. Du musst am nächsten Morgen früh raus.«
»Na klar, Mama.« Jake freute sich unglaublich über die Gelegenheit, ohne seine Eltern nach Knoxville fahren zu können. LaFollette mit seinen knapp siebentausend Einwohnern war verglichen mit Knoxville winzig. Dort mussten mindestens zweihunderttausend Menschen leben.
Den vierten Juli in einer großen Stadt mit einer hoffentlich vielfältigeren Bevölkerung zu verbringen…
Jake konnte es kaum erwarten.