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Kapitel 5

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Es wurde Juni und die Temperaturen stiegen. Die helleren Abende wirkten sich allerdings nicht auf Jakes Stimmung aus. Er hatte sich noch nie so verloren gefühlt.

Alles hatte sich geändert.

Die Kirche war inzwischen beinahe Mamas neues Zuhause, so oft war sie dort. Mittlerweile kümmerte sie sich um den Blumenschmuck, besuchte diejenigen, die das Haus nicht verlassen konnten, und nahm an den zweimal in der Woche stattfindenden Gebetskreisen teil. Jake hatte das Gefühl, dass das weniger an einer neu entdeckten Hingabe an den Herrn lag, sondern eher daran, dass sie dadurch dem eigenen Haus fernbleiben konnte.

Dort lauerten zu viele Erinnerungen.

Sein Daddy verhielt sich genauso. Er und Jake waren am Montag nach der Beerdigung wieder zur Arbeit gegangen und was Jake betraf, war das okay. Sich zu beschäftigen, war das beste Mittel gegen seinen Kummer. Aber Daddy arbeitete länger. Er ließ Jake zur üblichen Zeit nach Hause gehen, während er blieb, um nur noch ein bisschen mehr zu tun.

Daraus wurden normalerweise mehrere Stunden.

Zuerst hatte Mama sich beschwert, aber aufgegeben, nachdem er das ein paar Tage durchgezogen hatte. Jake vermutete, dass sie wusste, was vor sich ging. Was ihn beunruhigte, war die Distanz zwischen den beiden.

Warum helfen sie sich nicht gegenseitig? Er hatte angenommen, dass sie sich mehr aufeinander stützen würden, aber sie schienen eher in zwei getrennten Blasen zu existieren. Diese Erkenntnis traf Jake mit der Wucht eines Vorschlaghammers an dem Abend, als Mama ihn zu Daddys Holzschuppen geschickt hatte, um ihn zum Essen zu rufen. Er war bis zu der verwitterten Tür gekommen, als er von drinnen ein Schluchzen gehört hatte.

Kein Kind sollte diese Laute von einem Elternteil hören. Jake hatte sich ins Haus zurückgezogen und seiner Mama eine vage Entschuldigung darüber aufgetischt, dass Daddy noch beschäftigt war. Sie hatte ihn angesehen, bis er überzeugt war, dass sie genau wusste, was los war, und schließlich genickt. Als Daddy eine halbe Stunde später auftauchte, wurde nicht darüber gesprochen.

Jake war sich nicht sicher, wie viel länger er das aushalten konnte. Seine Familie löste sich auf und er konnte es verdammt noch mal nicht aufhalten. Jake tat das Einzige, was ihm möglich war, um den Schmerz in seinem Herzen zu lindern. Er schaltete auf Autopilot und gab sein Bestes, um nicht zu denken, nicht zu fühlen. Er schleppte sich durch die Tage, konzentrierte sich darauf… zu existieren.

Langeweile wurde zu seinem Alltag, und das war völlig in Ordnung. Aus Tagen wurden Wochen und ehe er sich's versah stand der Juli vor der Tür.

Es war das Maßband seines Vaters, das alles veränderte.

»Jake, haben wir irgendwo ein Ersatzmaßband?«, rief Daddy, als er zur Tür hereinkam. »Ich hab meins gerade kaputt gemacht und keine Zeit, morgen vor der Arbeit im Laden vorbeizugehen.«

Von ihrem Sessel neben dem Kamin aus schaute Mama auf die Uhr und presste die Lippen zusammen. Dann stand sie auf und ging in die Küche. Sie und Jake hatten bereits gegessen, als klar wurde, dass Daddy nicht zu einer vernünftigen Uhrzeit nach Hause kommen würde.

Als Daddy das Wohnzimmer betrat, schaltete Jake den Fernseher aus, ohne seine Verärgerung zu verbergen. »Mehr hast du nicht zu sagen? Daddy, es ist neun Uhr. Du hast nicht mal angerufen und Mama gesagt, dass du später kommst.«

Daddy hatte immerhin den Anstand, rot zu werden. »Mist.« Er seufzte schwer. »Schätze, ich gehe besser da rein.« Er neigte den Kopf Richtung Tür. »Hat sie getobt?«

Jake sah ihn ungläubig an. »Überrascht dich das?« Es war eine seltsame Situation. Einen Moment lang waren ihre Rollen vertauscht und Jake kam es vor, als wäre er der Erwachsenere von ihnen beiden. »Vielleicht wäre ein Strauß von Mamas Lieblingsblumen eine gute Idee? Du weißt schon, um die Wogen zu glätten?«

Daddy nickte. »Ja, klingt gut. Ich besorge ihr morgen einen.« Seine Augen funkelten. »Na ja, du wirst die Blumen besorgen. Ich werde arbeiten.« Er hielt einen Finger hoch. »Lass dir das eine Lehre sein, Sohn. Stell dich mit Frauen immer gut. Macht auf lange Sicht alles einfacher. So was musst du wissen, denn eines Tages wirst du, so Gott will, selbst eine Frau haben.«

Jake wechselte das Thema. »Ja, irgendwo liegt noch ein Maßband rum. Warte kurz, ich find es schon.« Er stand vom Sofa auf und ging zur Kommode hinüber. In der oberen, mittleren Schublade sammelte Mama all den Kram, den sie im Haus so fand. Dort wurde alles aufbewahrt, was keinen eigenen Platz hatte, aber eines Tages nützlich sein könnte.

Er zog die Schublade auf und fand schnell das Maßband. Als Jake die Lade wieder schließen wollte, fiel ihm etwas ins Auge und sein Magen zog sich zusammen.

Es war Calebs Schlüsselring. Er stand stocksteif da, konnte den Blick nicht davon losreißen. Scheiße… Wie konnten wir das einfach… vergessen?

Er wusste natürlich, wie. Sich um solch praktische Dinge zu kümmern, bedeutete, an Caleb zu denken, und der Schmerz lag immer noch zu dicht unter der Oberfläche. Aber es war eindeutig an der Zeit, dass sich jemand mit diesen praktischen Aspekten beschäftigte.

Irgendwo in Atlanta hatte Caleb eine Wohnung gemietet, die keiner von ihnen je zu Gesicht bekommen hatte. Eine Wohnung, in der sich seine Kleidung und all seine Besitztümer befanden. Und diese Erkenntnis warf weitere Fragen auf. Ist die Miete überfällig? Denn das hatte Folgen. War sein Vermieter über seinen Tod informiert worden? Seine Bank? Warum hatte sich niemand gemeldet?

Jake schätze, es war Zeit, dass sie sich mit der Realität auseinandersetzten. Er nahm den Schlüsselring und schloss die Schublade.

Als er in die Küche kam, saß Daddy am Tisch und verputzte das Hühnchen mit Kohl, das Mama für ihn aufgehoben hatte. Mama saß neben ihm und nippte an einem Glas Tee. Jake zog einen Stuhl heraus und setzte sich zu ihnen.

»Es gibt was, über das wir reden müssen.« Bevor einer von ihnen antworten konnte, legte er den Schlüsselring vorsichtig vor sich auf den Tisch.

Mama stockte der Atem. »Ah ja.«

Daddy sah die Schlüssel resigniert an. »Ja, du hast recht. Ich hatte vor, mich um Calebs Wohnung zu kümmern, aber es kam immer was dazwischen.« Er legte Messer und Gabel hin und trank einen großen Schluck Tee. »Es hat keinen Sinn, es hinauszuzögern. Du musst mit deinem Pick-up hinfahren und seine Sachen holen.«

»Ich?«

Daddy zog die Augenbrauen hoch. »Tja, ich kann ja schlecht fahren, oder? Ich muss arbeiten. Abgesehen davon kannst du es an einem Tag schaffen. Nach Atlanta brauchst du nur vier Stunden. Ich komm einen Tag ohne dich zurecht.« Er lehnte sich zurück und riss das kleine Blatt vom Kalender an der Wand hinter ihm ab, dann streckte er sich noch ein bisschen nach dem Stift, der in einem Halter daneben befestigt war.

»Du musst seine Bankdaten herausfinden. Irgendwo werden Kontoauszüge rumliegen. Ich weiß, dass er ein Konto bei einer Bank in Atlanta hatte. Wir können bei der Firma anrufen, bei der er gearbeitet hat, und uns nach seinem Gehalt erkundigen. Wenn du Kisten brauchst, geh in den nächsten Supermarkt oder Schnapsladen, die haben hinten draußen immer welche aufgestapelt.« Daddy runzelte die Stirn und kritzelte etwas auf das Blatt Papier. »Ich hab das viel zu lange schleifen lassen. Hätt mich schon vor Wochen drum kümmern sollen, aber du weißt ja, wie es ist.«

Jake wusste es nur zu gut. Sich damit zu befassen, bedeutete, an Caleb zu denken und er konnte problemlos verstehen, warum keiner von ihnen darauf scharf gewesen war.

Mama legte ihm eine Hand auf den Arm. »Vielleicht ist es zu viel, um es an einem Tag zu erledigen. Wenn es nötig ist, kann Jacob sich für eine Nacht ein Hotel oder so suchen. Ich will nicht, dass er fährt, wenn er müde ist.« Sie sah Jacob in die Augen. »Hörst du, Jacob?« Sie presste die Lippen zusammen.

Man musste kein Genie sein, um zu wissen, was ihr durch den Kopf ging.

»Ja, Ma'am. Ich werde vorsichtig sein.«

»Das bist du besser.« Sie warf einen Blick auf die Küchenuhr. »In diesem Fall solltest du vielleicht jetzt ins Bett gehen. Du musst furchtbar früh aufstehen, wenn du möglichst viel erledigen willst. Ich packe dir ein paar Sandwiches und eine Flasche Eistee ein.«

Jake atmete erleichtert auf. Das war die Mama, die er vermisst hatte. »Danke, Mama.« Er stand auf, ging um den Tisch herum und küsste sie auf die Wange. »Nacht.«

Sie hob die Hand und umfasste sein Gesicht. »Unterhalt dich nicht die ganze Nacht am Handy mit deinen Freunden. Ich komm dich früh wecken.«

Jake war nicht in der Stimmung, mit jemandem zu chatten.

Nachdem er seinem Daddy gute Nacht gesagt hatte, verließ er die Küche und machte sich auf den Weg zu seinem Zimmer, blieb aber vor Calebs Tür stehen. Er war seit dessen Tod nicht mehr dort drin gewesen. Irgendwie fühlte es sich… falsch an. Jake war sicher, dass sich das ändern würde, aber im Moment würde die Tür geschlossen bleiben und seine Erinnerungen am Leben halten.

Jake trat sich mental in den Hintern. Reiß dich zusammen. Zumindest würde ihm der nächste Tag die Möglichkeit geben, ein bisschen mit der ganzen Sache abzuschließen. Vielleicht bestand sogar die Chance, dass es ihm dann besser gehen würde. Denn es ließ sich nicht leugnen.

Seit Calebs Tod fühlte Jake sich völlig leer.

Er putzte die Zähne, stieg ins Bett und lauschte im Dunkeln dem Zirpen der Grillen. Jake drehte sich auf die Seite und starrte die Wand an, die sein Zimmer von Calebs trennte.

Was würde ich dafür geben, noch einmal Calebs Stimme zu hören? Sein unterdrücktes Prusten, weil er mit Freunden gesprochen hat, wenn er eigentlich hätte schlafen sollen? Wie er dann verstummte, weil diese knarrende Bodendiele besser als ein Alarmsignal war. Oder wie er an der Wand kratzte und versuchte, mich davon zu überzeugen, dass es Mäuse sind, als ich noch klein war?

So viele Erinnerungen.

Jake umarmte sein Kissen, schloss die Augen und versuchte zu schlafen.

***

Jake warf einen Blick auf sein Handy, das in der Konsole lag und am Ladekabel hing. Gott sei Dank, er war fast da. Normalerweise fuhr er nicht weiter als bis nach Knoxville, und das war nur fünfundvierzig Minuten von LaFollette entfernt. Er lachte leise.

»Nur vier Stunden, Daddy?« Er schätzte, für seinen Daddy war das nicht der Rede wert. Natürlich hatte Mama ihn um Viertel vor fünf geweckt, noch vor Sonnenaufgang, und er hatte immer noch gegähnt, als er um sechs in seinen Pick-up gestiegen war. Glücklicherweise konnte er die Fahrt überwiegend auf einem Highway hinter sich bringen, die I-75 S hatte ihn praktisch direkt bis Atlanta geführt. Er hatte einmal angehalten, weil er auf die Toilette musste, ansonsten war er durchgefahren, die Klimaanlage auf Frier dir die Eier ab-Einstellung, um gegen die Außentemperatur anzukämpfen. Er hatte, als er ein Publix entdeckte, beschlossen anzuhalten, alle Kisten einzuladen, die er finden konnte, und sie auf die Ladefläche des Pick-ups geworfen.

Piedmont Ave NE bedeutete, dass er nur noch fünf Minuten von seinem Ziel entfernt war, und er hatte noch den ganzen Tag zur Verfügung. Er spähte durch die Windschutzscheibe und seufzte erleichtert, als er das Straßenschild mit der Aufschrift Myrtle St. NE sah.

Geschafft.

Jake fuhr auf einen Parkplatz und stellte den Motor ab. Es war eine ruhige, von Bäumen gesäumte Straße. Er nahm das Handy vom Ladekabel, stieg aus und sperrte den Pick-up ab.

Schwarze Eisengeländer umgaben das zweistöckige Wohnhaus mit acht Einheiten, von denen jedes eine dunkelgrüne Tür hatte. Caleb hatte in Appartement acht gewohnt, vor dessen Eingang, mit Blick auf die Straße, zwei grüne Segeltuchstühle standen. Davor befand sich ein kleiner Vorgarten, ein breiter Streifen an der Seite war mit Blumen und Büschen bepflanzt.

Jake wünschte sich sehr, er hätte den Ort schon früher besuchen können.

Er stieg die schmiedeeiserne Treppe hinauf und ging den Gehweg entlang zur Tür mit der Nummer acht. Jakes Hände zitterten ein wenig, als er den Schlüssel aus der Tasche seiner Jeans zog, den passenden Schlüssel heraussuchte und ihn ins Schloss schob. Er hakte ein bisschen, also rüttelte Jake daran, bis er sich drehen ließ, dann stieß er die Tür auf und betrat die überraschend kühle Wohnung.

Er war kaum drinnen, als ihm klar wurde, dass er nicht allein war. Irgendwoher kamen Geräusche.

»Hallo?«, sagte er zögerlich. »Wer ist da?«

Eine Tür schwang auf, und –

Jake erstarrte. »Was zum Teufel machst du hier?«

Mit dem Telefon in der Hand starrte Liam ihn an. Nach einem Moment seufzte er. »Ich schätze, ich kann den Notruf abbrechen. Allerdings hätte mir klar sein müssen, dass jemand, der was klauen will, keinen Schlüssel hat.«

»Natürlich hab ich einen Schlüssel. Calebs Schlüssel. Und du hast mir immer noch nicht gesagt, was du hier tust.«

Jakes Herz raste.

Liam musterte ihn zurückhaltend. »Ich wohne hier. Caleb war mein Mitbewohner.« Seine Augen wurden groß. »Oh mein Gott, du hast es nicht gewusst.«

»Natürlich wusste ich es nicht. Keiner von uns wusste es, weil Caleb nie erwähnte, dass er einen Mitbewohner hat. Was genau war der Grund dafür?« Jake war immer noch durcheinander. Von allen Menschen…

Liam verzog das Gesicht. »Ja, das sieht ihm ähnlich«, murmelte er und legte das Telefon auf einen in der Nähe stehenden Tisch.

»Wie lange wohnst du schon hier?« Er musste erst vor Kurzem eingezogen sein, denn Jake konnte nicht glauben, dass Caleb das für sich behalten hätte.

Liam musterte ihn einen Moment, bevor er ins Innere der Wohnung deutete. »Wie wär's, wenn ich uns Tee einschenke und dann setzen wir uns hin und reden?«

Jake biss kurz die Zähne zusammen. »Na schön, aber du wirst derjenige sein, der den Großteil des Redens übernimmt.«

Denn Jake hatte definitiv jede Menge Fragen.

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