Читать книгу Truth & Betrayal - K.C. Wells - Страница 5
Kapitel 1
Оглавление5. Mai 2017
Jake Greenwood zog die dicken Handschuhe aus, die er getragen hatte, um seine Hände vor dem Holz zu schützen, und warf sie hinten in den Pick-up-Truck seines Daddys. In diesem Moment konnte er die heiße Dusche beinahe hören, die praktisch nach ihm rief und versprach, seine Schmerzen zu lindern. Es war ein langer Tag gewesen, aber Gott sei dank war endlich Wochenende. Nicht, dass da die Aussicht auf etwas Neues bestand, aber der Gedanke, mit Pete, Dan und dem Rest seiner kleinen Gruppe von Freunden abzuhängen, brachte ihn zum Lächeln.
Natürlich war die eine Person, mit der er unbedingt abhängen wollte, ungefähr vierhundert Kilometer oder eine vierstündige Autofahrt entfernt.
Vielleicht kommt er bald zu Besuch.
Schon als ihm der Gedanke kam, verfiel Jake in sein übliches Muster, die Möglichkeit abzutun. Das war auf lange Sicht weniger schmerzhaft.
Vielleicht muss ich einfach akzeptieren, dass es jetzt so ist.
Klar. Als würde das passieren.
»Keine Lust, nach Hause zu gehen?«
Der amüsierte Tonfall seines Vaters drang durch das Wirrwarr aus Jakes Hoffnungen, Ängsten und seinem inneren Aufruhr. Jake hob die Augenbrauen. »Hast du es so eilig, zu Mamas frittiertem Katzenwels, Krautsalat und Maismehlbällchen nach Hause zu kommen? Denn es ist Freitag, stimmt's?« Er lachte leise. Mama liebte Routine.
Sein Daddy sah ihn aus schmalen Augen an. »Deine Mama wird bis zu ihrem Tod glauben, dass ich ihren frittierten Katzenwels genauso liebe wie ihr scharfes Hühnchen, ihre Brötchen und ihren Bananenpudding. Nur weil du es besser weißt, heißt das nicht, dass du ihr das verraten musst. Mach das und ich gerb dir das Fell, neunzehn hin oder her.«
Jake bekreuzigte sich. »Mama wird auf Wolke sieben schweben, ich schwör's.«
Sein Daddy biss sich auf die Lippe, seine Augen funkelten. »Und glaub nicht, du kommst an mir vorbei, indem du einen meiner Sprüche verwendest.« Er setzte sich auf den Fahrersitz des Pickups. »Aber bitte, Jacob, lass dir nur Zeit. Ich bin sicher, deine Mama nimmt es uns nicht übel, wenn wir uns verspäten.« Er bedachte Jacob mit einem unschuldigen Lächeln.
Das reichte aus, damit Jake sich auf den Beifahrersitz warf. Eine schlecht gelaunte Mama war nichts, was er sich vorstellen wollte. Das würde ihm sein ganzes Wochenende versauen.
Sein Daddy ließ den Motor an und fuhr von dem Haus in der West Fir Street weg, mit dessen Renovierung sie gerade begonnen hatten. Es würde jede Menge harte Arbeit sein und einige Zeit dauern, aber das machte Jake nichts aus. Er liebte es, mit seinem Daddy zu arbeiten. Es war fast zwei Jahre her, dass er an der LaFollette Highschool seinen Abschluss gemacht und angefangen hatte, Vollzeit zu arbeiten. Davor hatte er seit seinem zwölften Lebensjahr jedes Jahr in den Sommerferien mitgearbeitet.
Natürlich könnte der Versuch, Caleb nicht zu vermissen, auch etwas damit zu tun haben, dass er sich in die Arbeit stürzte. Als würde das funktionieren.
Als sie nach rechts auf die South Tennessee Avenue abbogen, räusperte sich sein Dad. »Also, willst du mir sagen, was los ist?«
Jacob verzog keine Miene. »Es ist alles in Ordnung.« Als sein Dad darauf mit einem Schnauben reagierte, seufzte Jake innerlich. Es gab Zeiten, zu denen er vergaß, wie viel sein Daddy bemerkte.
»Du kannst mir nichts vormachen. Du warst die ganze Woche total angespannt. Und ich glaub nicht, dass die Arbeit der Grund dafür ist. Warum sagst du mir nicht, was dich beschäftigt?«
Die Wahrheit hörte sich kindisch an, also hielt Jake den Mund.
Sein Daddy seufzte. »Ich vermisse ihn auch, okay?«
Danach konnte Jake auf keinen Fall weiterhin schweigen. »Ich schätze, ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt, dass er weggegangen ist.« Nicht, dass er nicht genug Zeit gehabt hätte, sich daran zu gewöhnen. Calebs Besuche waren immer seltener geworden, seit er mit dem Studium begonnen hatte. Der Schmerz in Jakes Herz hatte mit jedem Jahr etwas nachgelassen, aber am Anfang war es für den elfjährigen Jungen, der seinen besten Freund verloren hatte, eine Qual gewesen.
»Keine Ahnung, was er in Atlanta so faszinierend findet, dass es ihn davon abhält, seine Familie zu besuchen. Und es ist nicht so, dass ich ihn nicht anrufe und ihm sage, dass er ab und zu seinen Arsch nach Hause bewegen soll.«
»Du rufst ihn an?« Jake sah seinen Daddy überrascht an.
Daddy schnaubte. »Ist egal. Er hört nicht auf mich. Aber es geht mir nicht um mich, sondern um deine Mama. Es reicht nicht, alle Jubeljahre mal nach Hause zu kommen.« Er seufzte tief. »Ich schätze, ich habe mich auch nicht mit dem Gedanken angefreundet. Als ich in Calebs Alter war, hab ich ungefähr eine Fahrstunde entfernt von deinen Großeltern gelebt. Deine Mama und ich, wir sind jeden Sonntagvormittag mit ihnen zum Gottesdienst gegangen und bis zum späten Nachmittag bei ihnen geblieben. Die Zeiten ändern sich, hm?« Daddy schenkte ihm ein müdes Lächeln. »Trotzdem bin ich stolz auf ihn, weil er aufs College gegangen ist und in Atlanta einen guten Job gefunden hat.«
»Warum besuchen du und Mama ihn nicht stattdessen?« Das war eine Frage, die Jake schon sehr lange beschäftigt hatte. Er hatte keine Ahnung, wo sein Bruder lebte und wie es in Atlanta war.
Es hatte keine Einladungen gegeben und das hatte wehgetan.
Erneutes Schnauben. »Der Herr weiß, deine Mama macht oft genug Andeutungen, aber er sagt nie ein Wort.« Er hielt inne. »Manchmal hab ich den Eindruck, er möchte nicht, dass seine Freunde seine Familie kennenlernen.«
Die Erkenntnis, dass sein Daddy auch litt, war ein Schock für Jake. Er wollte etwas sagen, irgendwas, um seinen Vater wissen zu lassen, dass er es verstand, es wirklich verstand, aber die Worte blieben ihm in der Kehle stecken.
Sie bogen auf den Shoreline Circle ein und erreichten bald die Abzweigung zu ihrem Haus. Jake liebte es, dass man ihr Zuhause von der Straße aus nicht sehen konnte. Es war von Bäumen umgeben, die ihre Schatten auf Dach und Wände warfen. Er zeigte die Zufahrt entlang. »Wir haben Besuch.« Ein Streifenwagen fuhr vor dem Haus vor.
Oh Gott.
Sein Daddy warf ihm einen durchdringenden Blick zu. »Okay, was hast du jetzt wieder angestellt?«
Jake stöhnte. »Ich hab gar nichts gemacht! Und es ist zwei Jahre her, okay? Und es war ein Joint.« Nicht, dass sein Daddy ihn das vergessen lassen würde. Seine Mama tat es definitiv nicht. Je weniger sie also darüber wussten, wie er seine Wochenenden verbrachte, desto besser.
Er hatte gelernt, besser darauf zu achten, mit wem er abhing. Ein Anruf vom Vater eines Freundes bei seinem Daddy hatte ausgereicht, dass er vorsichtiger wurde.
Daddy stellte den Motor ab und sie stiegen in dem Moment aus dem Pick-up, als sich zwei Polizisten der Haustür näherten. Er räusperte sich. »Kann ich Ihnen helfen?«
Die Beamten drehten sich um und der Ausdruck auf ihren Gesichtern traf Jake bis ins Mark.
Das bedeutet nichts Gutes.
»Guten Abend. Kennen Sie einen Caleb Greenwood?«
Und einfach so schloss sich eine eisige Faust um Jakes Herz.
Daddy erstarrte. »Das ist mein Sohn. Ich bin Hank Greenwood.«
Der Polizist deutete Richtung Haus. »Können wir reinkommen, Sir?«
Es war, als würde die Welt plötzlich ihre Geschwindigkeit ändern und alles lief in Zeitlupe ab. Wie sein Daddy zur Tür ging, die Polizisten, die ihm folgten, wie sie ihre Mützen abnahmen… Selbst der Wind in den Bäumen wurde auf ein verzerrtes Flüstern reduziert, während er ins Haus ging.
Mama stand mit weit aufgerissenen Augen neben dem Kamin, ihr Gesicht war leichenblass und eine Hand hatte sie an ihre Brust gelegt. »Was ist passiert?«
»Ma'am, wie wäre es, wenn Sie sich setzen?« Der ältere Polizist deutete auf den Sessel.
»Wie wäre es, wenn Sie mir sagen, warum Sie hier sind?«, schoss sie zurück.
»Maggie, mach, was der Officer sagt, okay?« Daddy trat an ihre Seite, schlang einen Arm um ihre Taille und führte sie zu dem Sessel. Er sah die Polizisten an. »Das ist meine Frau Maggie und das ist Jacob, unser anderer Sohn.« Als Mama endlich saß, richtete er sich auf. »So. Ich nehm an, Sie sagen uns jetzt, was los ist.«
Jake ließ sich auf die Couch sinken, saß auf der Kante des Polsters. Sein Herz fühlte sich immer noch wie zusammengeschnürt an.
Die Polizisten blieben stehen, die Mützen in den Händen. Der ältere Beamte übernahm die Führung. »Ich bin Officer Abernathy, das ist Officer Cox. Es hat einen Unfall gegeben und es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Caleb nicht überlebt hat.«
Die Angst, die sich in Jake aufgebaut hatte, seit er den Streifenwagen gesehen hatte, brach wie eine Flutwelle über ihn herein, und er war dankbar, dass er sich hingesetzt hatte. »Was für einen Unfall?«, würgte er hervor.
Cox, der etwa Mitte zwanzig sein musste, warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. »Sein Wagen war in Georgia auf der I-20 in der Nähe von Greensboro in einen Verkehrsunfall verwickelt. Die Sanitäter konnten ihm nicht mehr helfen.«
Daddy gab einen erstickten Laut von sich, dann riss er sich zusammen, sein Gesicht war bleich. »Sind Sie sicher, dass es Caleb war?«
Abernathy nickte. »Er war der Beifahrer. Der Fahrer hat ihn am Unfallort identifiziert und Caleb hatte seinen Ausweis dabei. Es tut mir leid, Sir. Gibt es jemanden, den wir anrufen können, damit er Ihnen Beistand leistet?«
Mama sah Daddy gequält an. »Reverend Hubbert? Würdest du ihn anrufen?«
Daddy nickte, bevor er sich zu Abernathy umdrehte. »Also… was passiert jetzt?«
»Ich vermute, Sie werden demnächst einen Anruf vom Gerichtsmediziner bekommen. Wenn Sie sich für ein Bestattungsunternehmen entschieden haben, wird dort jemand mit dem McCommon‘s in Greensboro Kontakt aufnehmen. Das ist das Bestattungsunternehmen, wo sich Caleb derzeit befindet.« Abernathys Tonfall wurde weicher. »Es werden Vorkehrungen getroffen werden, um ihn nach Hause zu bringen.«
Das war zu viel für Mama. Sie brach mit einem Klagelaut zusammen und Jake klammerte sich an jedes bisschen Kraft, das er besaß, um sich ihr nicht anzuschließen. Die beiden Polizisten verhielten sich still und Daddy kniete sich vor Mama auf den Teppich und umklammerte ihre Hände so fest, dass die Haut über seinen Knöcheln weiß wurde. »Ich bin bei dir, Maggie.« Seine Stimme zitterte und seine Schultern bebten.
»Möchten Sie, dass wir warten, bis der Reverend eintrifft?«, fragte Cox zuvorkommend.
Daddy schüttelte den Kopf. Wischte sich über die Augen. »Danke, aber Sie können hier nichts mehr tun. Jacob, bringst du die Officers bitte hinaus?«
Jacob wusste nicht, ob er überhaupt in der Lage war zu stehen.
»Sicher, Daddy.« Er rappelte sich von der Couch auf – seine Beine zitterten – und ging dicht gefolgt von den Beamten zur Tür. Er trat mit ihnen hinaus und zog die Tür zu.
»Halten Sie zusammen«, sagte Cox sanft. »Ihre Mama wird Sie brauchen, aber Sie werden die beiden ebenfalls brauchen. Es tut uns leid, dass wir eine so schreckliche Nachricht überbringen mussten.«
»Danke noch mal.« Auch wenn es einfach falsch schien, den Menschen zu danken, die soeben Jakes ganze Welt zum Stillstand gebracht hatten. Er stand neben der Tür, als die Beamten in ihr Auto stiegen, auf dem Vorplatz wendeten und dann langsam am Pick-up vorbeifuhren.
Jake wartete, bis sie außer Sicht waren, dann fiel er auf die Knie. Den Schmerz, als er auf dem harten Boden aufkam, spürte er kaum. Er beugte sich vor, vergrub das Gesicht in den Händen und weinte um seinen Bruder. Heiße Tränen liefen ihm über die Wangen und tropften auf den Boden.
Es war egal, was der Polizist gesagt hatte.
Caleb würde nie mehr nach Hause kommen.