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1.1. Entwicklung bis zum heutigen Stand

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Es gibt kaum eine Enneagramm-Schrift, die sich mit den historischen Hintergründen des Enneagramms befasst, ohne den Namen Gurdjieff zu erwähnen. Trotzdem ist das in Verbindung mit Gurdjieff gebrachte Enneagramm nicht mit dem Enneagramm der Typologien, wie wir es heute kennen, zu vergleichen. Wie schon erwähnt war vor Gurdjieff das Enneagramm-Symbol oder das allgemeine Enneagramm-Wissen keine Typologie, wie sie heute eingesetzt wird. Es war das Verdienst von Personen, die sich mit diesem Wissen auseinandergesetzt und dazu beigetragen haben, dass das Enneagramm-Wissen seine Bahn zur Entwicklung des Enneagramms der Persönlichkeitstypen nahm und seine „Geburtsstunde“ in der breiteren Öffentlichkeit fand. Als erster ist Oscar Ichazo34 zu nennen, dessen Wissen um das Enneagramm als von Gurdjieff unabhängig betrachtet werden kann, obwohl vermutet wird, dass er es aus der gleichen Quelle wie Gurdjieff schöpfte. Das Gemeinsame bei beiden ist, dass keiner von ihnen seine Quelle verraten hat. Vermutlich lernte Gurdjieff dieses Wissen kennen, angespornt von seiner Auseinandersetzung mit esoterischem Wissen, als er mit seinen Gefährten auf einer Suche nach altem Wissen für die Transformation des Menschen war. Mit diesem Ziel stieß er entweder in der Türkei oder in Afghanistan auf das Enneagramm-Symbol.35 Wie Gurdjieff nahm Ichazo das Enneagramm-Wissen auf, vermutlich als er in Kontakt mit den Sufisten gekommen war – unabhängig von Gurdjieff.36 „Als psychologische Typologie wurde [das Enneagramm-Wissen] durch Oscar Ichazo in den 70er Jahren von Bolivien aus in den Westen eingeführt.“37 Bei Rohr/Ebert wird Ichazo als derjenige beschrieben, der in den 70er Jahren das „‚Enneagramm der Fixierungen’ systematisiert[e]“38. Außer seiner systematischen Erarbeitung der vielen Komponenten des Enneagramms, die er aufgeschrieben hatte, konnte Ichazo dieses gesamte Material dem Enneagramm-Symbol zuordnen.39 Daraus schließt Bartels, dass die neue Interpretation und Systematisierung des Enneagramms der Charaktertypologien ein Verdienst Ichazos ist.40 Insofern würdigt Bartels Ichazo als den „Urheber des ‚modernen Enneagramms‘“41. Ichazos Verständnis des Enneagramms basiert auf der Überzeugung, dass im Wesen des Menschen – d.h. in dem, was ihn ausmacht, seiner Grundausstattung – eine Spiegelung der Eigenschaften Gottes auszumachen sei, welche den positiven Teil der Neun Typen des Enneagramms beschreiben.42 Demnach wird ein Bild vom Menschen vertreten, das grundlegend positiv ist. Interessanterweise ist der Ausgangspunkt seiner Typologie nicht die ‚Eigenschaft Gottes im Menschen’, sondern der Katalog der Todsünden, wie sie in der christlichen Tradition zu finden sind.43 Im Ganzen heißt dieser Einsatz des Enneagramms, dass, obwohl der Mensch im Grunde ‚gut’ ist, er seinen ursprünglichen Zustand vergisst, indem er seine göttlichen Eigenschaften aus dem Blick verliert, woraus die Fehlhaltungen entstehen. Nach der christlichen Lehre werden die Fehlhaltungen als die „Sieben Todsünden“ benannt. Um der Zahl des Enneagramms zu entsprechen, mussten zwei hinzugefügt werden: die Angst und die Täuschung.44 „Ichazo verfolgte die Vorstellungen über die neun göttlichen Eigenschaften von der mittelalterlichen Literatur – u. a. Chausers Canterbury Tales und Dantes Purgatorio – bis zu den Wüstenvätern des vierten Jahrhunderts, von denen der Begriff der Sieben Todsünden stammt, und zum antiken Griechenland zurück.“45

In der weiteren Entwicklung des Enneagramms spielte Claudio Naranjo eine große Rolle. Naranjo ergänzte sein Wissen über die modernen Persönlichkeitstypen mit dem des Enneagramms und entwickelte daraus die Typenlehre des Enneagramms. Der Chilene benutzte sein psychiatrisches Wissen und ergänzte damit die Entwürfe Ichazos zu einer vollständigen Form.46 „Seit den grundlegenden Arbeiten Ichazos und Naranjos haben viele Menschen, unter anderem die Autoren [Riso/Hudson] das Enneagramm weiterentwickelt und an ihm viele neue Facetten entdeckt.“47 Besonders die Ordensleute der Gesellschaft Jesu, die Jesuiten, spielten eine große Rolle in der Entwicklung und Nutzung des Enneagramms: Zu nennen ist hier vor allem Don Richard Riso, der selber Jesuit und von ihnen geprägt war. Eine seiner Beiträge ist die Feststellung der Entwicklungsstufen.48 Über die Arbeit Naranjos und ihre Verbindung mit der ‚jesuitischen Tradition’ schreibt Johannes Bartels:

Es war der chilenische Psychiater Claudio Naranjo, der im Anschluss an das Arica-Training in Chile ab 1971 die ersten Enneagramm-Kurse auf nordamerikanischem Boden veranstaltete. Einer der Teilnehmer war der Jesuit Robert Ochs. Ochs, der in dieser Lehre Elemente der Wüstenväter-Tradition der kapitalen Leidenschaften wiedererkannte, sah darin eine Möglichkeit, die christliche Lehre der Heiligung zu konkretisieren. Er übersetzte Naranjos Lehre in die Sprache jesuitischer Theologie und begann im selben Jahr, das Enneagramm im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der Loyola-Universität in Chicago zu vermitteln.49

In seiner Würdigung der Leistung der Jesuiten nennt Bartels die Veröffentlichung des Werkes („Das wahre Selbst entdecken – eine Einführung in das Enneagramm 1984“) des Jesuitenpater Patrick O’Leary, der Dominikanerin Maria Beesing und von Pater Robert J. Nogosek von der Kongregation vom Heiligen Kreuz. Nach Bartels leistet die Arbeit der drei Autoren einen zweifachen Beitrag zum Enneagramm: Als Erstes zu nennen ist die erstmalige schriftliche Fixierung des Enneagramms, in der einige wichtige Aspekte des Enneagramms enthalten waren, u.a. die Triaden-Theorie, die Zentral- und Seitenpunkte und die Pfeiltheorie.50 Ein zweiter Beitrag ist der Versuch der Autoren, das Enneagramm, das seiner Geschichte nach nicht nur christliche Eigenschaften hat, sondern sein Wissen von anderen Quellen speist, theologisch ‚akzeptabel’ zu machen. In ihrer Arbeit mit dem Enneagramm, und besonders in ihrem Buch „Das Enneagramm, die 9 Gesichter der Seele“, haben auch Rohr/Ebert das Enneagramm im Licht des christlichen Glaubens dargestellt und neu interpretiert. Sie benutzen in diesem Zusammenhang den Begriff der „Taufe51 des Enneagramms. Dies beinhaltet die Betrachtung des Enneagramms nicht im Sinne eines Selbsthilfeinstruments wie bei Gurdjieff oder Ichazo, und auch nicht wie in vielen Enneagramm-Büchern, die das Enneagramm als eine Technik darstellen, die das Bewusstsein steigert, sondern als Weg der Selbstbeobachtung oder Selbstreflexion, der dem Menschen seine ‚Erlösungsbedürftigkeit’ und Angewiesenheit auf die Gnade Gottes bewusst macht.52 In diesem Sinne fasst Bartels zusammen: „Durch seine ‚Taufe’ hat sich das Enneagramm zugleich vom esoterischen Heilsweg zum sünden- und bußtheologischen Instrument der Selbsterkenntnis gewandelt.“53

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