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2.2.4. Verständnisfragen zu den Triaden

Im vorangegangen Abschnitt konnte beobachtet werden, dass Enneagramm-Autoren unterschiedlich mit den Triaden umgehen. Unter Anderem sind die Namen und Qualitäten Streitthema. Beispielsweise bestreitet Zuercher die Bezeichnung der Zentren in vielen Enneagramm-Büchern: „Die Menschen, die zur Triade 8-9-1 gehören, nenne ich die ‚Fühler’, die Angehörigen der Triade 2-3-4 nenne ich die ‚Macher’ oder ‚Nachahmer’, die Muster der Triade 5-6-7 die ‚Empfänger’ oder ‚Beobachter’.“330 „Die ‚Macher-’ bzw. ‚Nachahmertriade’ wird in vielen Enneagramm-Büchern ‚Herzzentrum’ genannt. Diese Bezeichnung ist missverständlich, denn 2-3-4er haben wenig bis keinen Kontakt zu den eigenen Gefühlen. Sie haben stattdessen die Antenne für die emotionalen Bedürfnisse und Befindlichkeiten anderer überstark entwickelt und wirken deshalb besonders gefühlvoll oder zugewandt.“331

Während einige Enneagramm-Experten wie Jaxon-Bear lehren, dass die Triaden die instinktive Bewegung der Enneagramm-Zentren bestimmen,332 sind für Daniels (und Helen Palmer) die Zentren nicht ausschlaggebend dafür, dass die Bewegungen (hin zu, weg von, gegen) eine bestimmte Ausrichtung annehmen. Stattdessen bestimmen die Subtypen, welche Ausrichtung die Bewegungen erfassen.333 Das kann dann bedeuten, dass in allen Zentren die drei oben genannten Bewegungen stattfinden.

Die Unterschiede darin, wie die Enneagramm-Zentren mannigfaltig verstanden werden, sind in einem Artikel der Zeitschrift „Enneagram Monthly“ benannt. Darin vergleichen John Fudjack und Patricia Dinkelaker vier Enneagramm-Autoren untereinander und stellen fest, dass unterschiedliche Bezeichnungen und Schwerpunkte für die drei Enneagramm-Zentren bei den Autoren wie folgt zu finden sind:


Der Tabelle ist zu entnehmen, dass z.B. die Qualitäten eines Zentrums bei den Autoren unterschiedlich gesehen werden. Nach Fudjack und Dinkelaker sind die Differenzen in der Tabelle ein Zeichen dafür, dass grundlegende Unterschiede bestehen, wie die Zentren im Enneagramm gesehen werden.335 So ist das „Fühlen“ bei Wright eine Qualität der 8-9-1er, während für Riso diese Qualität eher bei 2-3-4 zu finden ist. Ebenso stellen sie fest, dass zum Beispiel für Helen Palmer die Typen in einem Zentrum nach ihren Ähnlichkeiten zueinander geordnet sind. Bei Riso bestehen die Unterschiede darin, wie die Typen einer Triade mit einem bestimmten Thema, das einem Zentrum inne ist, umgehen. Zum Beispiel ist in der Denktriade die Angst das Hauptthema der Typen. Einer der Typen ist mit Angst vertraut, einer kann damit nicht umgehen und einer blockiert die Angst gänzlich. Die dritte Variante, wie die Konstellation der Zentren verstanden wird, ist die von Dick Wright. Bei ihm wird schwerpunktmäßig gezeigt, wie die Typen sich in einer Triade von anderen Typen in den anderen Triaden in Bezug auf ein bestimmtes Thema unterscheiden.336

Als vierte Variante verweisen Fudjack und Dinkelaker auf einen Beitrag von Kathy Hurley und Ted Dobson in der gleichen Enneagramm-Zeitschrift mit dem Titel „The Centres, a Fourth Approach – or Is It the First?“ In dieser Schrift wagen es Hurley und Dobson, die Bezeichnungen für die Zentren allgemein zu halten. Sie belassen die traditionelle Unterteilung der Triaden (2-3-4, 5-6-7, 8-9-1), geben aber keiner Qualität eine spezifische Unterteilung. Stattdessen nehmen sie jeden Enneagramm-Typ und beschreiben ihn, wie er mit dem jeweiligen Thema (Qualität) spezifisch für jedes Zentrum umgeht. Mit dieser Vorgehensweise wird eine Trennung von der traditionellen qualitativen Unterteilung der Triaden vorgeschlagen. Dass die Qualitäten nicht mehr zugehörig zu den Triaden, sondern zu den Typen zu behandeln sind, könne eine Lösung dafür sein, dass die unterschiedlichen Bezeichnungen der Triaden, die teilweise zur Verwirrung in der Arbeit mit dem Enneagramm führen können, beiseitegelegt werden.337 Wie weiter gezeigt wird, könnte die vorgeschlagene Vorgehensweise dazu beitragen, die Dynamik, und somit die Vielfalt der Entwicklungsmöglichkeiten der Typen, von etlichen Perspektiven aus zu betrachten. Es kann auch in der Arbeit mit dem Enneagramm dazu beitragen, dass einige Begriffe oder Qualitäten als menschlich übergreifend gesehen werden, und somit die Gefahr, dass einige Typen mit bestimmten Qualitäten abgestempelt werden, gelindert wird. Z.B. wird in der gängigen Enneagramm-Praxis gelehrt, dass die Typen 2-3-4 im Herzzentrum besonders gefühlvoll seien. Dazu wird von einigen Autoren vorgeschlagen, dass Menschen in diesem Zentrum sich nicht so sehr mit eigenen Gefühlen identifizieren sollten. Nach den Ausführungen von Zuercher mahnt Ebert, dass diese Empfehlung für die Typen in diesem Zentrum gerade kontraproduktiv sei, denn sie sollten eher den Zugang zu den eigenen Gefühlen finden, als sich davon zu distanzieren.338 Was zu diesem Missverständnis führt, ist nach der vorangegangenen Ausführung zweierlei: dass den Zentren überhaupt Qualitäten und Namen zugeschrieben werden und dass es unterschiedliche Meinungen gibt, welche Qualitäten zu welchen Zentren gehören.

Eine bessere Vorgehensweise bei dieser Problematik ist, sich nicht so sehr auf die Beschreibungen und Benennungen von bestimmten Mustern zu beschränken, sondern, wie Evagrios zeigt, dass es letztendlich darum geht, das Enneagramm als Ganzes zu kennen, weil jede Person nicht nur mit einem Muster zu tun hat, sondern die Muster bzw. Leidenschaften in unterschiedlichen Zeiten und Situationen zum Vorschein kommen.

2.3. Prozess und Typologie

In der theologischen Diskussion über das Enneagramm ist die Frage der Kompatibilität des Enneagramms mit der christlichen Lehre von zentraler Bedeutung. Der evangelische Theologe, Erziehungswissenschaftler und Pfarrer Michael Th. Schulz geht auf diese Thematik in seiner umfangreichen Monographie „Enneagramm, Spiritualität und Theologie der Zukunft“ aus mehreren Perspektiven ein. Schulz behauptet unter anderem, dass es im wissenschaftlichen Diskurs über das Enneagramm keine gute Ausgangslage für einen wissenschaftswürdigen Anknüpfungspunkt gegeben habe, als es in die Öffentlichkeit rückte. Für die Arbeit mit dem Enneagramm bedeutet dies, dass das Enneagramm sich außerhalb der Grenzen der Wissenschaft und somit auch der Grenzen der Theologie befand, von denen es geringschätzig herabgestuft worden sei. Nach Schulz soll diese Beurteilung der Lage zwischen Wissenschaft/Theologie und Enneagramm objektiv und ohne jedes Schönreden erfolgen.339 Einer der Gründe der Vorurteile war „[w]egen einer fälschlich vermuteten Nähe zur Numerologie (die gravierenden Unterschiede wurden nicht gesehen: Enneagramm als eine Hilfe zu spezifisch prozessualer Umkehr. Numerologie dagegen vor allem als Bestätigung des Soseins.)“340

In diesem Abschnitt wird nun gezeigt, dass das Enneagramm, obwohl es ebenfalls eine Typologie ist, darüber hinausgeht, weil es letztendlich nicht um den Zustand, sondern um einen Prozess geht. Nach Ebert geht es bei dieser Frage darum, welche Möglichkeiten es gibt, das Enneagramm als Typologie, die starre Muster beschreibt, wieder in Fluss zu bringen, sodass man nicht mehr von Zustand, sondern von Prozess spricht. Ebert versteht die Muster (Typologie) als Blockade, und demnach sollte die Arbeit mit dem Enneagramm sich darum bemühen, die je typische Blockade zu sprengen.341 Die Theologin und Enneagramm-Autorin Marion Küstenmacher benennt die Gefahr, die davon ausgehe, wenn man das Enneagramm als eine Form von Horoskop verwende; d.h., es bestätige und zeige nur, wie jemand so „tickt“. Nach Küstenmacher ist eine solche Vorgehensweise weder spirituell noch wissenschaftlich, aber vor allem entspreche sie nicht dem Geist der Bibel. Sie kritisiert Menschen, die das Enneagramm nur als Werkzeug sehen. Wenn es als reine Typologie ohne jeglichen Prüfungsprozess verwendet wird, um nur auf andere zu schauen und nach Möglichkeiten zu suchen, wie man besser mit ihnen umgehen könne, ist es zum Scheitern programmiert.342 Auf dem Büchermarkt ist die Zahl der Enneagramm-Werke anhaltend gestiegen. So wie die Anzahl der Bücher sind auch ihre Ansätze mannigfaltig. Eine Gemeinsamkeit aber haben die Werke in der Weise, wie sie das Enneagramm als Typologie darstellen.

Die Enneagramm-Autorin und NLP-Meisterin Jean Adeler bezeichnet in einem Beitrag in der Enneagramm-Zeitschrift mit dem Titel “Enneagram 2.0: Deep Structure of Personality“ den Umgang mit den Typen mit dem aus dem Gesundheitswesen stammenden Wort „nosography“, was für eine schriftliche Klassifizierung und Beschreibung verschiedener Krankheiten steht. Nach ihr nehmen die Typbeschreibungen einen großen Teil der Werke ein, und somit gelten sie im Vergleich zum Verständnis des Enneagramm als Prozessmodell als Schwerpunkt. Die Beschreibungen sind insofern als „nosography“ zu bezeichnen, als sie die Typen als starre Entitäten darstellen. Das Enneagramm als „nosography“ mag einige Basisinformationen über die Persönlichkeit liefern und somit zu Verständigung in der zwischenmenschlichen Kommunikation beitragen, aber es sagt nicht, wie das Enneagramm als Prozessmodell über die Arbeit mit der Persönlichkeit hinaus aufschlussreich verwendet werden kann.343

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