Читать книгу Wer bin ich? - Keith Hamaimbo - Страница 52
2.4. Typisierung
ОглавлениеIn der Medizin (z.B. Gewebetransplantation) ist die Typisierung für eine erfolgreiche Behandlung von großer Bedeutung, sodass auf die Genauigkeit der zutreffenden Daten geachtet werden muss. Die Frage, die mithin gestellt werden sollte, ist, ob im Enneagramm, so wie z.B. in der Medizin, großen Wert darauf gelegt wird, ob die Typisierung Kriterien erfüllt, die zu einer guten und zumindest zweifelsfreien Zuordnung führt.
Es wurde vorhin gezeigt, dass das Enneagramm als Typologie grundlegend für die Arbeit am Wachstumsprozess ist. Der Einstieg in diesen Prozess fängt mit einer Typisierung an. Ebert sagt zu Recht, dass die Identifikation mit einem bestimmten Enneagramm-Muster seine Rechtfertigung in der Desidentifikation findet.367 „Erst wenn ich weiß, was mich persönlich besetzt, kann ich mit Gottes Gnade die nächsten Schritte zur eigenen Befreiung finden.“368 Ebert beteuert, dass es fatal wäre, wenn man bei der Identifikation bliebe, und schlimmer wäre es, wenn das herausgestellte Enneagramm-Muster als Selbstrechtfertigung benutzt würde.369 Unabhängig davon wäre vielleicht die Frage wichtiger, welche Konsequenzen es für den Einzelnen hätte, wenn er von einem Außenstehenden falsch typisiert würde. Für Zuercher ist „Erkenntnis […] schon Wandel.“370 Einen Schritt weiter geht Bartels, indem er an die Zweckmäßigkeit der Erkenntnis mahnt. „Das Enneagramm nicht gesetzlich, sondern heuristisch zu gebrauchen, würde auch bedeuten, dass die Einordnung eines Menschen nie Selbstzweck sein darf, sondern immer nur der berühmte ‚erste Schritt zur Besserung’“371 ist. „Der Wandlungsprozess von der Fixierung hin bis zu Integration und Versöhnung beginnt paradoxerweise mit der Diagnose, das heißt, mit dem Innehalten und mit der nüchternen Wahrnehmung des eigenen Lebensskripts und des automatisierten Verhaltensmusters.“372 Das macht die Typisierung zu einem zentralen Punkt in der Arbeit mit dem Enneagramm. Durch die Typisierung werden die typologischen Beschreibungen von lebendigen Menschen wahrgenommen und repräsentiert. Es geht nicht mehr um eine Verallgemeinerung, sondern um einzelne, individuelle Personengeschichten. Daher ist nach Palmer das Typisieren keine so einfache Angelegenheit, weil „Menschen […] sehr viel beweglicher und komplexer als alles [sind], was durch eine Liste von Charakterzügen beschrieben werden könnte.“373 Trotzdem ist die Identifikation mit den Charakterzügen maßgebend für die Arbeit mit dem Enneagramm. Im Interview bemerkt Martha, wie es ihr deutlich wurde, dass – solange das „richtige“ Enneagramm-Muster nicht festgestellt wird – kaum mit der Arbeit an sich angefangen werden könne. Für Martha war das Herausfinden ihres Enneagramm-Musters damit verbunden, dass sie sich darin gut gefühlt habe (auch wenn dieser Prozess schwierig gewesen sei), d.h., dass sie sich mit den Beschreibungen besser habe identifizieren können.374 Andererseits gibt es auch Menschen, die sich mit ihrem Muster sicher sind, obwohl es sein könnte, dass es nicht stimmt. So bemerkt Naranjo, dass er bei vielen Leuten nicht einverstanden sei, wenn sie ihm sagten, dass man sie für ein bestimmtes Muster typisiert habe.375 Es wird weiter gezeigt, dass wegen solcher Fälle kritisch mit dem Typisieren umgegangen werden sollte und nicht nur sich selbst gegenüber, sondern das ganze Typisierungssystem in Frage gestellt werden dürfe.