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Jack Stack und The Great Game of Business

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Jack Stack ist eines der größten und kreativsten Genies der Managementlehre. Er hat – genau wie viele andere großartige Unternehmer und Vordenker – nie eine Business-School von innen gesehen. Stack ist der Erfinder von »The Great Game of Business« (GGOB), einem genial einfachen und erfolgreichen System für Organisationsentwicklung. GGOB wurde in den 80er-Jahren rein aus der Unternehmenspraxis heraus entwickelt. Jack Stack hatte damals mit elf Kollegen im Rahmen eines Management-Buy-outs die Springfield Renewal Company (SRC) von der angeschlagenen Muttergesellschaft International Harvester erworben. SRC war spezialisiert auf die Aufarbeitung von großen Dieselaggregaten.

Vom Start an war das Unternehmen praktisch pleite: SRC hatte neben International Harvester noch einen zweiten Kunden, mit dem es 40 Prozent seines Umsatzes machte. Dieser Kunde war nach dem Buyout abgesprungen, weil er das Unternehmen selbst hatte übernehmen wollen. Stack versammelte alle Mitarbeiter in der Fabrikhalle um sich, schilderte offen die Lage, benannte genau, wie viele Hunderttausend Dollar das Unternehmen monatlich erwirtschaften müsse, um allein die Zinsen zu bezahlen – und bat alle um gute Ideen, wie man die Lage drehen könnte. Er schenkte also allen Mitarbeitern reinen Wein ein, anders ausgedrückt: Er machte den Spielstand transparent. Viele Unternehmenslenker schrecken davor zurück, ihren Teams in schlechten Zeiten die Wahrheit zu sagen, weil sie fürchten, dass gerade die besten Mitarbeiter das Unternehmen verlassen würden. Sprichwörter wie »Die Ratten verlassen das sinkende Schiff« nähren solche Befürchtungen. Dahinter steckt – wie immer – das alte negative Menschenbild der Managementlehre: Jeder ist sich selbst der Nächste. In Fall von SRC kam es natürlich anders. Kein Mensch verließ das Unternehmen, sondern es ging sofort ein Ruck durch die Belegschaft. Dieses Verhalten ist im Grunde völlig normal; einigermaßen intakte Systeme tendieren immer zum Selbsterhalt. Das heißt, wir versuchen instinktiv zunächst alles, um das System zu retten, wenn wir auch nur einen Funken Vertrauen in die Unternehmensspitze haben.

Stack und seine Kollegen konnten sich vor guten Ideen kaum retten. Doch sehr viele waren unbrauchbar, weil sie den größten Engpass – Cash – nicht lösten. Jack Stack dämmerte es, dass die Mitarbeiter die Spielregeln kennen müssen (sprich: die Finanzsprache sprechen), wenn sie etwas Sinnvolles zum Unternehmenserfolg beitragen können sollen. Genauso ist es im Sport oder bei jeder anderen Art von Spiel: Je besser ich das Spiel beherrsche, desto besser können meine Beiträge zum Erfolg sein. Doch die Begeisterung für BWL-Kurse hielt sich bei seinen Mitarbeitern in Grenzen, die meisten machten eher aus Pflicht denn aus Freude mit. Stack stellte sich die kluge Frage, wann sich Amerikaner freiwillig mit Zahlen beschäftigen. Die Antwort: beim Football und beim Baseball! Regelkunde, Raumgewinn und Passgenauigkeit errechnen, Punkte zählen – alles das lernt man beim Sport mit großer Motivation und Leichtigkeit. Man musste die Unternehmensführung also lediglich so interessant machen wie ein Football-Match, um mehr Begeisterung zu entfachen. Mehr noch, die Mitarbeiter sollten nicht einfach nur gut informierte Fans sein, die zuschauen, welche Ergebnisse das Management produziert, sondern sie sollten aktive Spielgestalter werden.

Das war die Geburtsstunde von The Great Game of Business. GGOB verwandelt die Unternehmensführung in ein großes Spiel, in dem die Mitarbeiter in großen und kleinen Teams mit dem Ziel »spielen«, bestimmte Kennzahlen zu erreichen: die kritische Zahl, also den zentralen Treiber des Unternehmenserfolges, ebenso wie diverse andere Kennzahlen, die mittelbar mit der kritischen Zahl verbunden sind. Voraussetzung ist, dass ausnahmslos alle Mitarbeiter vom Vorstand bis zur Putzfrau grundlegende Finanzkenntnisse besitzen und dass sie die Vision ebenso wie die Strategie kennen und unterstützen. Wer einmal selbst in Springfield erlebt hat, wie Fließbandarbeiter einem Außenstehenden mit großer Selbstverständlichkeit Konzepte wie den Cashflow oder eine komplexe Kennzahl wie die Lagerumschlagsgeschwindigkeit erklären, wird sich schnell für diesen unglaublichen Ansatz begeistern. Selbstredend sind sämtliche Finanzkennzahlen allgemein bekannt (Open-Book-Management); und selbstredend werden die Mitarbeiter angemessen am gemeinsam erwirtschafteten Gewinn beteiligt. SRC ist mittlerweile von 160 auf mehr als 2000 Mitarbeiter gewachsen und befindet sich komplett in der Hand der Mitarbeiter. Einige Mitarbeiter haben unter dem Dach der Mutter SRC neue Unternehmen gegründet. Hier sieht man, was es wirklich heißt, Mitarbeiter zu Mitunternehmern zu machen.

Als ich das erste Mal von diesem System hörte, war ich erst mal skeptisch: Spielen und Arbeit – das passte irgendwie nicht zu meiner protestantisch-preußischen Arbeitsmoral. Ich hielt das Ganze für ein typisch amerikanisches Motivationsbohei, mit dem man den Leuten das letzte bisschen an Produktivität abpresst. Als ich mich dann endlich aufgerafft hatte, mir in Springfield selbst ein Bild von dieser Methode zu machen, war ich in wenigen Minuten überzeugt. Jack Stack hielt die Eröffnungsansprache. »Wenn ihr nur hier seid, um eine Methode zu erlernen, wie ihr eure Leute besser manipulieren könnt, dann fahrt sofort wieder nach Hause«, erklärte er den 50 Seminarteilnehmern, die aus den ganzen USA angereist waren. »The Great Game of Business funktioniert nur, wenn ihr ernsthaft am Wachstum von Menschen interessiert seid.« Ich war mir sicher, am richtigen Ort zu sein.

Mehrere Tausend Unternehmen in USA haben sich bereits von The Great Game of Business inspirieren lassen und den täglichen Kampf in einen spielerischen Wettbewerb verwandelt – mit überragenden Erfolgen, was Motivation, Selbstorganisation und Finanzen angeht. Unzählige Unternehmen befinden sich über einen ESOP-Plan7 in der Hand der Mitarbeiter.

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