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Veränderungen beim Militär

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Eines der beeindruckendsten Beispiele dafür, wie Veränderungen von systemischen Rahmenbedingungen zu dramatisch besseren Ergebnissen führen, ist die Geschichte von Stanley McChrystal. Der US-General tat etwas Unvorstellbares: Er schaffte im Kampfeinsatz die hierarchische Befehlskette ab und befähigte seine Eliteeinheiten, die Special-Ops-Truppen, im Irakkrieg eigene Entscheidungen zu treffen. Er tat das aus schierer Not, denn die Gegner, die Al-Qaida-Gruppen, waren flexibel, anpassungsfähig und schnell, weil sie keine Befehle von oben brauchten, keine Meetings abhielten und über IT bestens vernetzt waren. »Es war unmöglich, sie zu schlagen«, erzählt McChrystal in einem Interview in brand eins im Januar 2017. »Wenn wir unseren Top-Down-Prozess anwendeten, waren wir immer zu langsam. Wir hatten zwar gute Informationen, aber bis sie durch die Befehlskette gewandert waren, waren sie veraltet und nicht mehr brauchbar. Wir mussten irgendwann die sehr schmerzliche und beängstigende Entscheidung treffen, jeden mit jedem zu vernetzen, um wirklich auf breiter Front die Informationen zu teilen, die sonst der obersten Führungsebene vorbehalten waren. Statt die Infos nach oben und die Befehle nach unten zu schicken, streuten wir Wissen in die Breite. Plötzlich konnten alle Soldaten unter meinem Kommando den vollen Kontext verstehen.«11 Diese – für militärische Verhältnisse – brutale Änderung der Spielregeln führte unmittelbar zu besseren Ergebnissen; aus durchschnittlich 18 Einsätzen im Monat wurden 300. Die Erfolgsquote stieg: Die Leute an der Front hatten bessere Informationen und konnten bessere Entscheidungen treffen, und sie fühlten mehr Verantwortung, weil es ihre Entscheidungen waren. Die einzelnen Teams verband McChrystal, indem das Wissen in alle Richtungen geteilt wurde. An die Stelle der Hierarchie trat ein Netzwerk, das er auf den Namen »Team von Teams« taufte.

McChrystal musste dafür etwas im Militär Unerhörtes tun: so viele Informationen teilen wie möglich. Erkenntnisse über den Feind unterlagen bis dato strikter Geheimhaltung. Solche Informationen wurden an die Spitze weitergeleitet, analysiert, ausgewertet und mündeten dann in entsprechenden Einsatzbefehlen. In der neuen Struktur wurden diese Informationen mit allen geteilt, und die Spezialeinheiten konnten weitgehend autonom ihre eigenen Schlüsse ziehen und Einsätze planen. Das Teilen der Informationen führte zu einem »geteilten Bewusstsein«. McChrystal beschreibt auch, wie schwer es ihm fiel, Macht und Kontrolle abzugeben und zu teilen. Es sei zwar schön gewesen, dass er nicht mehr mitten in der Nacht geweckt wurde, um einen tödlichen Einsatzbefehl zu beurteilen und zu genehmigen – aber dafür fehlte auch das Gefühl der Unentbehrlichkeit und Wichtigkeit. Er schreibt über die Unsicherheit und die damit verbundenen Ängste. Der Strategiewechsel sei vergleichbar gewesen mit der Aufgabe, ein Flugzeug in der Luft umzubauen, unter der erschwerten Bedingung, dass niemand Erfahrung damit hatte. Das Einzige, das sie hatten, war eine Blaupause: eine Organisation, die noch beweglicher, vernetzter und schlagkräftiger war als die Zellen von Al-Qaida-Anführer Abu Musab az-Zarqawi. Das bedeutete insofern einen kompletten Paradigmenwechsel, als das US-Militär zuvor ganz nach den Prinzipien, nach denen Frederick Taylor die Industrie organisiert hatte, auf maximale Effizienz getrimmt worden war. Was die Truppen im neuen Paradigma brauchten, waren Resilienz und Flexibilität.

McChrystal empfiehlt sein System von vollkommener Transparenz und Ermächtigung auch allen Unternehmenslenkern. Unter den komplexen und dynamischen Marktbedingungen sei hierarchisches Management zum Scheitern verurteilt, da wenige Menschen an der Spitze unmöglich alle Entscheidungen treffen könnten. Er plädiert selbst angesichts der Informationsskandale rund um Edward Snowden, Chelsea Manning und Wikileaks für vollkommene Transparenz. Die Frage, wann man wisse, wo die Grenze der Informationsfreiheit liege, beantwortet er mit einem lapidaren »Wenn es illegal ist«.

In seinem Buch Team of Teams zeigt McChrystal unter anderem am Beispiel der US-Autogiganten General Motors und Ford, warum das Erfolgsmodell »hierarchisches Management« ausgedient hat und welches Erfolgspotenzial in der Kombination von Transparenz und Verbundenheit steckt.

Spielregeln für Game Changer

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