Читать книгу Die Schlacht der Fünf Lande - KF König - Страница 13
Kapitel 6
ОглавлениеMehrere Wochen zogen über das Lande und König Finn war zur Überraschung aller auf dem Weg der Besserung. Er konnte zwar das Königszimmer nicht verlassen und war fortwährend an sein Bett gebunden, dennoch waren neuerdings wieder längere Gespräche mit Königin Ann und dem Königsberater Quinn im Bereich des Möglichen. Nach Empfehlung seiner Diener hielt sich Finn gewiss zurück, um seinen Körper nicht zu überbeanspruchen. Und doch spürte der König die fortschreitende Besserung und dementsprechend war die Freude im Königspalast groß. Zumindest im Abteil des Königs, von seinem Sohn und baldigen König Till sah und hörte Finn in den letzten Wochen nur wenig.
Ein, sich auf dem Weg der Genesung befindender, Finn war eine unerwartet positive Erscheinung für das Südlande. Lange Zeit blieben wichtige Gesetzesfragen offen, denen er sich nun annehmen konnte. Denn der König vom Südlande war nicht nur Herrscher des Landes, der die Regeln und Gesetze verabschiedete, sondern stellte ebenso die Justiz in nur einer Person dar. Kam es im Volk zu Streit und konnte dies nicht untereinander geklärt werden, war einzig und allein der König für die Schlichtung zuständig. Beging jemand ein Verbrechen gegen andere Menschen oder die Gesetze des Landes, war ebenso der König vom Südlande tätig geworden, um eine gerechte Strafe für die Verurteilten zu verkünden. Dies sahen zumindest die offiziellen Statuten vor, in der Realität gab der König zahlreiche Aufgaben an seinen Berater weiter und dieser beauftragte die einzelnen Bediensteten des Hauses ferner Taten folgen zu lassen.
Ohne der Weitergabe von Aufgaben wäre der entstehende Aufwand für den König keinesfalls stemmbar gewesen. Jedoch handelten dies die bisherigen Könige äußerst unterschiedlich, denn während König Finn, neben dem Berater, nur zwei Untertanen angestellt hatte und den Großteil selbst erledigte, gab es einst Könige, die für jeglichen Zweck (auch scheinbar banalen) Angestellte anheuerten. Luc, der 31. König, beschäftigte unglaubliche dreißig Bedienstete und musste dadurch kaum eigene Entscheidungen treffen. König Finn war das genaue Gegenteil von Luc, denn er hätte ohne zu zögern sämtliche Arbeiten übernommen, wenn dies zeitlich möglich gewesen wäre. Er liebte es, sich um die Belange seines Volkes zu kümmern, die dies zugleich wertschätzten und ihn dafür bewunderten.
Mit dem zunehmenden Alter war König Finn allerdings immer seltener im Gesetzesraum zugegen, in dem die Menschen ihre Probleme vortrugen und der König letztes Entscheidungsrecht hatte. Der Gesetzesraum befand sich neben der Thronhalle im südlichen Abteil des Palastes und bot haufenweise Plätze für sowohl Kläger als auch Angeklagte. Finn hielt sich gerne in diesem hohen Raum auf und lauschte ebenso gerne den Worten seines Volkes. Indessen lag die letzte Schlichtung von König Finn mindestens ein Jahr zurück, seine mangelnde Gesundheit hatte die Ausübung seiner Arbeit auf Weiteres verhindert.
Erschwerend kam hinzu, dass ebenfalls sein Berater Quinn, der ihn im Gesetzesraum tüchtig vertrat, mit seinen stolzen siebzig Jahren nicht länger zu den Leistungsfähigsten zählte. Dadurch war ein zusätzlicher dritter Diener, Ben, angestellt worden.
Till, der Sohn des Königs, hatte bislang keine Aufgaben inne. Er repräsentierte zwar mit seiner Frau Fee gelegentlich die Königsfamilie, mehr Funktionen waren allerdings nicht üblich für einen Königssohn. Erst mit der Krönung zum Oberhaupt des Landes stieg das Ansehen, davor war Till lediglich der unbekannte Sohn des Königs und konnte sich meist frei in Feuerstadt bewegen. Diese Tatsache verärgerte Till. Er beschwerte sich häufig bei seiner Frau, da sein Vater ohnehin nicht ansprechbar an sein Bett gefesselt war und Till sich selbst als perfekten Ersatz sah.
»Ich habe ihn schon oft darum gebeten, mir Aufgaben zuzuteilen, ich bin mit meinen 42 Jahren alt genug. Doch er vertraut mir einfach nicht«, bemängelte Till in Anwesenheit seiner Frau Fee.
Die beiden machten es sich in ihrem eigenen Abteil, im Westen des Palastes, überaus gemütlich. Seit gut sechzehn Jahren lebten sie hier gemeinsam, wo sie sich sämtliche Ausstattungen neu hatten einrichten lassen. Till liebte es pompös und wollte stets Eindruck schinden, als Nachfolger des Königs sollten weder der Reichtum noch die baldige Macht verschleiert werden. Dies wirkte sich auf sein Gemach mit Fee aus, in dem die beiden sowohl ein eindrucksvolles Bett, verzierte Teppiche, Kronleuchter als auch Tische und Schränke stehen hatten. Finn musste all dies natürlich genehmigen, er winkte sämtliche Wünsche widerwillig durch, damit er Till nicht verärgerte. Er gaukelte ihm somit vor, selbstständig Entscheidungen treffen zu dürfen.
Till kämmte sein blondes Haar, das ihm bis knapp über die Schultern reichte. Im Gegensatz zu seiner Frau, machte er dies immerzu selbstständig, da er es nicht ausstehen konnte, wie unsensibel die Bediensteten mit seinen Haaren hantierten. Daneben musterte er sein Spiegelbild und erblickte einen Mann, der sein ansprechendes Gesicht über all die Jahre nicht verloren hatte. Schon einst, vor der Verschmelzung mit Fee, konnte er zahlreiche Frauen damit beeindrucken. Mit diesen durfte er sich allerdings nicht verschmelzen, erst bei Fee waren seine Eltern einverstanden gewesen. Als junger Mann konnte er nicht nachvollziehen, weshalb die Vorgängerinnen von Fee abgelehnt worden waren. Nun war er jedoch glücklich darüber, diesen großartigen Menschen als seine Frau bezeichnen zu können.
Seinen Hals zierte stetig eine majestätische Goldkette und seine Kleidung glich immerzu der eines Königs. Während er sich beständig im Spiegel betrachtete, fieberte er dem Moment entgegen, endlich die Krone auf seinem Kopf tragen zu können. In seiner eigenen Denkweise sah er sich bereits als ein König, den die Menschen in diesem Lande schätzen und zutiefst verehren würden. »Die Männer werden sich wünschen, wie er zu sein, und die Frauen werden den Wunsch haben, seine Königin zu sein«, dachte er sich.
»Schatz, natürlich vertraut er dir. Du bist der künftige König, er muss dir vertrauen!«
Er sah zu seiner Frau, die ebenfalls rote Augen und blonde Haare, in der gleichen Länge wie er, hatte. Till erblickte ihre glänzende Goldkette, die sie enganliegend um den Hals trug. Diese war ein Geschenk von ihm, zum damaligen Tag der Verschmelzung. Wie auch die verschiedenen Goldringe, die sie an den Fingern trug. Besonders beeindruckend fand Till ihren sogenannten Schönheitsfleck, der sich auf ihrer rechten Wange ausdehnte. Doch er wusste, dass Fee diesen gerne hinter ihren Haaren oder weiten Kleidern versteckte, da sie sich dafür schämte. Sie hatte keinen Grund dazu, befand Till, denn er liebte den Anblick.
»Und wieso übergeht er mich?«, äußerte sich Till verärgert.
»Ich weiß es leider nicht«, sagte Fee, während sie an ihrer Zeichnung weiterkritzelte. Sie zeichnete und malte für ihr Leben gern, dadurch konnte sie sich angeblich besser konzentrieren. Ehemals störte es Till, wenn sie während Gesprächen nebenbei zeichnete. Nach mehreren Jahren sah er allerdings ein, dass ihr diese Nebenbeschäftigung tatsächlich half. Sie empfand einen innerlichen Drang, zu jeder Zeit mehrere Dinge gleichzeitig zu machen, um keine bedrückende Langeweile aufkommen zu lassen.
»Mein Vater weiß, wie gerne ich die Aufgaben der Justiz übernehmen würde, ich habe es ihm bereits mehrmals mitgeteilt. Wie kann er mich nur derart umgehen?«, fragte ein verzweifelnder Till.
»Vielleicht liegt es am neuen Diener, Ben? Dein Vater schwärmt recht von ihm.«
»Er ist auch toll, ich verstehe mich äußerst gut mit ihm, um einiges besser als mit den anderen. Dennoch scheint Ben ohne meinen Vater überfordert zu sein. Er muss ohne Hilfe von anderen tagtäglich unzählige Fälle abarbeiten. Dabei hätte ich genug Zeit und könnte ihn unterstützen.«
»Was entgegnet dir dein Vater, warum darfst du Ben nicht helfen?« Sie zeichnete weiter an ihrem aufsehenerregenden Bild, das den Königspalast von einer interessanten Perspektive aus zeigte, als ob sie sich direkt auf dem »Wasser der Könige« befand.
»Es sei gesetzlich nicht möglich. Unfug!« Till ärgerte sich offenkundig. »Er ist der König, er kann entscheiden, was er will.«
»Hat sich der König nicht desgleichen an Regeln zu halten?«, fragte Fee neugierig.
»Der König bestimmt die Regeln!«, schrie sich Till seine Wut aus dem Leib. Fee schrak kurz auf, ehe sich Till bei ihr entschuldigte. »Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Mein Vater verärgert mich nur derartig.«
»Ich kann deinen Frust nachvollziehen. Du wirst eines Tages ein fähiger König werden und alleinig über justizielle Belange entscheiden. Wir müssen nur Geduld haben.«
»Du weißt, welch geduldiger Mensch ich bin«, sagte Till voller Sarkasmus.
»Würde ich nicht nebenbei zeichnen, wäre ich ebenso aufgebracht wie du. Vielleicht solltest du …«
»Liebes, wir hatten dieses Thema bereits. Ich kann mich nicht auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren.«
Fee blickte von ihrer Zeichnung auf und lächelte ihren Mann freundlich an. Sie betrachtete ihn gerne, bei ihm fühlte sie sich jederzeit geborgen und voller Zufriedenheit. Außerdem war er obendrein ein äußerst anmutiger Mann, den Fee kaum zu verdienen glaubte.
König Finn war sich dessen bewusst, dass sich sein Sohn nicht bezüglich des Gesetzes täuschen ließ, aber er gewann mit dieser Ausrede an Zeit. Er hielt Till für nicht geeignet und reif genug, um früher als nötig, wichtige Aufgaben, wie beispielsweise die Justiz, zu übernehmen. Zahlreiche Nächte unterhielt sich Finn diesbezüglich mit Quinn, der ebenfalls von dieser Idee abriet. Diese Entscheidung hätte den Ruf und seine Aufopferung über all die Jahrzehnte riskiert und möglicherweise hätte sein eigener Sohn die Beliebtheit von König Finn in Windeseile zerstört.
Es war nicht sonderlich überraschend, wie derart oft dieses Thema Streit zwischen Finn und Till auslöste, besonders als Diener Ben eingestellt und mit der Justiz betraut worden war. Bis zum heutigen Tage herrschte deswegen eine eigenartige Spannung zwischen Vater und Sohn. Königin Ann riet ihrem Mann mehrmals dazu, nachzugeben, denn solange er noch am Leben war, hätte er Till bei dessen Machtausübung führen und kontrollieren können.
Nicht selten war Finn knapp davor, ihr Recht zu geben, jedoch wehrte sich sein Innerstes beständig dagegen. Vielleicht war es auch die Vernunft in ihm.
»Ich fühle mich im Stich gelassen und nicht respektiert, nicht einmal von meinen eigenen Eltern, wie traurig ist das?«, beklagte sich der Königssohn vor seiner Frau.
»Eines Tages wirst du ihnen und den alten Königen zeigen, wie Unrecht sie hatten.«
»Ja, das werde ich, nur zu gerne.« Till blickte übermütig aus dem Fenster in Richtung des Wassers.
»Aber wieso sagtest du, deine Eltern respektieren dich nicht? Deine Mutter ist in Diskussionen jedenfalls stets neutral oder sogar auf deiner Seite.«
»Das stimmt schon, doch betraut sie mich ebenso mit keinen Aufgaben des Hauses.«
»Weil sie das nicht darf! Sie ist nur die Königin, sie hat keine Rechte als Frau.« Für Fee war es nicht üblich, ihren Mann in politischen Themen aufzuklären. Dies wusste sie jedoch, da Königin Ann dies seither mehrmals betont hatte.
»Ja, das ist mir bekannt, aber sie könnte Vater zumindest überzeugen.« Till ging in sich, niemand sprach für einen kurzen Moment. »Es stimmt schon, Mutter trifft keine Schuld, sie könnte nicht besser und fairer mir und gleichfalls dir gegenüber sein.«
Till erinnerte sich an einen Moment zurück, als er ein junger Mann gewesen war und durch Feuerstadt stolzierte und allen zu erkennen gab, eines Tages der König vom Südlande zu werden. Die Menschen staunten nicht schlecht und begegneten Till äußerst ehrfürchtig, dies lag ganz in seinem Interesse. Seine Vorstellung von einem König war nicht, ein Freund des Volkes zu sein, sondern der Anführer eines funktionierenden Landes. Bei diesem Gedanken sehnte er sich abermals nach dem Königsthron, den er früher oder später besteigen würde, egal was andere davon halten mochten.
Seitdem bekannt war, in welch schlechtem gesundheitlichen Zustand sich König Finn befand und wie sehr er darunter litt, waren Till und Fee die meiste Zeit damit beschäftigt, deren Pläne für das neue Königshaus zu erarbeiten. Niemand wusste über deren Vorgehen Bescheid, sie behielten es für sich, um keinen Aufruhr zu veranstalten. Bei derartigen Gesprächen war selbst die anwesende Dienerschaft aus dem Raum des Königssohnes und dessen Frau verwiesen worden. Sie gaben an, ihre Zweisamkeit genießen zu wollen. Aufgrund der anhaltenden Dauer war rasch klar, dass dies keineswegs der Wahrheit entsprechen konnte. Trotzdem gehorchten sie artig und akzeptierten die Worte des Königssohnes.
»Der weiche Führungsstil meines Vaters muss ein Ende haben, klare und hartherzige Bestimmungen müssen bekanntgemacht werden, um automatisch massenhaft Fälle im Gesetzesraum zu verringern. Es darf …« Till überlegte angestrengt, um die richtigen Worte zu finden. »Es darf keinen Spielraum geben, genau. Schreib das bitte auf! Die Bevölkerung muss im Vorhinein, ohne jegliche Ausreden, wissen, was erlaubt und was verboten ist.«
Während Till sprach, machte sich Fee daneben Notizen, um das Gesagte auch noch in Monaten oder Jahren zur Hand zu haben. »Das ist gut. Dadurch überdenken sie deren Handlungen, da sie sich den folgenden Konsequenzen bewusst sein sollten«, fügte Fee hinzu.
»Richtig. Und nun kommt der große Unterschied zu meinem Vater, denn die Konsequenzen werden drastisch erhöht. Dies wird dazu führen, dass die Menschen nur noch deren Arbeit nachgehen werden und jegliches Ungemach im Keim erstickt wird.«
Seine Frau Fee sah überrascht auf. »Wie willst du dies bewerkstelligen?«
»Kurz nachdem mein Vater zum König erkoren worden ist, schaffte er die Todesstrafe im Lande ab, mit Ausnahme von Mordschlägen an Mitgliedern des Königspalastes. Diese Entscheidung führte dazu, dass nunmehr 53 Jahre nicht ein Mensch nach Befehl des Königs erhängt worden ist.«
Fee war nicht sofort begeistert von dieser Idee. »Ich habe öfters gelesen, die Todesstrafe war abgeschafft worden, da übermäßig viele Unschuldige sterben mussten, was jedoch stets erst im Nachhinein bekannt geworden ist.«
»Das ist korrekt und keineswegs unerwünscht. Somit ist die Todesstrafe eine Abschreckung für alle Menschen im Lande, nicht nur für Gesetzesbrecher. Niemand würde sich noch trauen, böse Gedanken zu haben oder an Orte zu gehen, die verrufen sind, solange der Tod ihnen entgegen winkt.« Till war begeistert von seiner Idee und sah Fee selbstsicher zu, als sie seine Gedanken auf Papier festhielt. Er wartete neugierig auf eine Erwiderung von Fee.
Sie blickte ihm tief in die Augen. »Das ist brillant, das muss funktionieren.«
Freudig erregt erhob sich Till von seinem Stuhl. »Siehst du! Die größte Furcht der Menschen geht vom Tod aus. Nicht nur, weil er ungewiss, brutal und die Folgen unbekannt sind, sondern ebenso, da die Leichen anschließend an einen Ort gebracht werden, dem sich niemand lebendig nähern will.« Till lachte unüberhörbar auf.
Als 1347 unter Mark, dem 24. König, eine heftige Seuche im Südlande ausbrach und die Menge an verstorbenen Menschen nicht ordnungsgemäß durch Verbrennung entsorgt werden konnte, fand sich nahe von Schlangental eine geeignete Ruhestätte.
Die Toten waren gesammelt und von Arbeitskräften unter schwierigen Bedingungen auf die Wüsteninsel geschleppt worden. Diese lag südöstlich vom Südlande und war mit diesem durch einen schmalen Pfad verbunden.
Da die Insel ohnedies unbewohnbar war, hatte König Mark die Idee, sämtliche Leichen an diesem Ort abzulegen und sie der unberührten Natur zu überlassen. Seltsamerweise verschwanden die Leichen tatsächlich nach kurzer Zeit, da beständig ein Wirbelsturm vorherrschte, der den Sand und die Verstorbenen durcheinanderwirbelte. Die Menschen vom Südlande waren dagegen der festen Überzeugung, die Gestorbenen seien von der Wüsteninsel verschluckt worden. Diese düsteren Geschichten wollte Till nutzen, um die Angst vor dem Tod im Volk zu befeuern und somit selbst Arbeitszeit zu sparen.
»Zusätzlich habe ich in den Büchern meines Vaters einige interessante Details entdeckt«, sagte Till.
»Was? Ich dachte, du darfst die Bücher deines Vaters und der alten Könige erst lesen, wenn du König bist?«
»Du weißt, wie neugierig ich bin«, entgegnete Till, ehe er seiner Frau zuzwinkerte. Genüsslich spielte er mit den Zähnen an seiner Lippe herum, derart aufgeregt war er plötzlich.
Fee musste breit grinsen. »Was hast du herausgefunden?«, fragte sie ihn gespannt und schaute erwartungsvoll zu ihm auf.
»Nicht viel. Ich wollte damals nicht alles lesen und habe den Text teilweise nur überflogen. Mich interessierten lediglich ehemalige Foltermethoden, vor denen mein Vater im Buch speziell warnte.«
Fee lachte auf, sie kannte ihren Mann zu gut und wusste, wie gerne er verbotene Dinge in Erfahrung brachte.
»Den Großteil habe ich allerdings längst vergessen, es ist zu lange her und mittlerweile sind die Bücher weggesperrt, damit niemand, außer der König, Zugriff hat.«
»Äußerst schade!«, fügte Fee hinzu.
»In Erinnerung blieb mir dennoch die Feuerprobe.«
»Die Feuerprobe?«
»Anhand der Feuerprobe ist es ein Leichtes, zwischen Lüge und Wahrheit entscheiden zu können.«
»Und wie funktioniert diese?«, fragte Fee nach.
»Das weiß ich nicht mehr, aber sobald ich König bin, werde ich mich darüber informieren, um diese erneut einführen.« Till grübelte seit langer Zeit über die Feuerprobe nach, konnte sich allerdings beim besten Willen nicht mehr an genug Details erinnern.
»Das klingt gut, mein Schatz.« Sie lächelte ihm entgegen. »Achja, welche Anzahl von Angestellten bevorzugen wir?«, fragte Fee, die gespannt auf die Antwort wartete, um diese zu notieren.
»Ich denke, wir brauchen nicht allzu viele, den Großteil der Arbeiten will ich ohnehin selbst übernehmen«, antwortete Till.
»Du kannst nicht alles allein machen, du musst Aufgaben abgeben. Was wäre mit Ben?«
»Natürlich behalten wir die Derzeitigen, sie machen ihre Arbeit bekanntlich gut. Schlussendlich werden diese aber keine Rechte haben und somit keine öffentlichen Aufgaben selbstständig übernehmen, sondern sich lediglich um unsere Bedürfnisse kümmern.«
»Denkst du, das ist möglich?«
»Natürlich, ich bin zukünftig der König, es ist alles möglich. Gegebenfalls vergrößern wir die Dienerschaft trotzdem, damit wir uns komplett auf die Arbeiten konzentrieren können, die tatsächlich belangvoll sind. Unwichtige Tätigkeiten können gerne von den Untertanen Tim und Carl erledigt werden.«
Fee war begeistert, sie konnte den Tag kaum erwarten, an dem sie zur Königin werden sollte. Sie küsste überschwänglich ihren Mann, der nicht weniger enthusiastisch wirkte, obwohl dessen Vater zuerst sterben musste, ehe er seine Pläne präsentieren und umsetzen konnte. Er freute sich auf die überraschten Gesichter von Königsberater Quinn und des restlichen Personals. Dem anfänglichen Schock würde rasch die Erkenntnis folgen, welch guter König Till werden würde, davon war er felsenfest überzeugt.
Für Berater Quinn hatte Till ebenfalls neue Aufgabengebiete in Sicht, denn als sein persönlicher Berater werde lediglich seine Frau Fee fungieren. Die beiden wussten selbst, was gut für das Lande war. Zudem wollte er möglichst wenige Köpfe in seine Geschicke einbinden, damit sämtliche Pläne im Verborgenen blieben und kein Risiko aufkam, dass diese von falschen Zungen aufgeschnappt werden würden. Als König werde er das alleinige Recht besitzen, den Palast und seine Gefolgschaft zu konstruieren, wie es ihm beliebt war. Ausschließlich auf seinen Befehl sollte der Palast betreten und verlassen werden dürfen. Der Tod seines Vaters konnte für Till nicht rasch genug eintreten. Nun musste er nur noch warten.
Königssohn Till und seine Frau Fee begaben sich auf den Weg zum Abteil des Königs, in dem sein Vater Finn, seine Mutter Ann und der Berater Quinn untergebracht waren. Seine Mutter ließ mit dem Aufgang der Sonne einen Diener herbeieilen, der um einen Besuch beim König bat. Till und Fee überlegten lange, was dies wohl zu bedeuten hatte und ob der König möglicherweise im Sterben lag. Ein mulmiges Bauchgefühl kam in Till hoch, denn er spürte, bald die Krone auf sein Haupt gesetzt zu bekommen.
Auf Fragen von Till durfte der Dienstbote, nach Anweisung von Ann, nicht antworten. Sofort nach Überbringung der Botschaft verschwand dieser somit ohne Umschweife in das Abteil der Dienerschaft. Lediglich eine weitere Information war immens wichtig, die er Till direkt mitteilen musste.
»Sohn des Königs, die Königin bittet, allein zu erscheinen. Das soll besonders wichtig sein.«
Till war sichtlich überrascht, seine Frau hatte damit überraschenderweise kein Problem, ganz im Gegenteil sogar. Die Vorfreude war dadurch nur noch größer geworden, da sie von hoher Wichtigkeit ausgehen musste und es sich voraussichtlich nur um den Tod des Königs handeln konnte.
»Till, deine Zeit ist wohl gekommen«, sagte Fee, die ihren Mann bestaunte. Nicht weniger freute sie sich für sich selbst, denn sie wäre die neue Königin, die von allen Seiten verehrt werden würde.
Selbstverständlich nicht in dem Ausmaß wie ihr Mann, der zu einer Glaubensfigur aufsteigen würde. Dennoch wäre sie die wichtigste Frau im Lande. Der Königsthron war des Volkes Antrieb ihres Glaubens und die früheren und der aktuelle König waren das Abbild der Verehrung. Dabei war es unerheblich, ob die Menschen an die alten Könige oder den amtierenden König glaubten, dies handhabte die Bevölkerung unterschiedlich. Die Könige waren die Erbauer und Verteidiger der Südlande, die in der gesamten Historie als allmächtig und unantastbar betrachtet worden waren. Dieser Status würde der künftigen Königin zwar nicht zuteilwerden, dennoch würde sie das Musterbeispiel für Schönheit und Eleganz werden. All die Frauen im Lande würden sie voller Hingabe bewundern und ihrem Leben und Aussehen nacheifern. Sie konnte es kaum erwarten.
»Denkst du, er ist tot?«, fragte Till irritiert.
»Zumindest wird dein Vater nicht mehr lange unter uns weilen, davon bin ich überzeugt. Wieso sollten sie dich sonst allein sehen wollen?«
»Keine Ahnung, ich kann es mir nicht vorstellen«, antwortete Till, der nur schwer mit der Situation umgehen konnte.
»Ganz ruhig, mein Lieber, es wird alles gut.« Sie nahm ihn in den Arm und küsste ihn sanft am Kopf. »Ich begleite dich ein Stück des Weges.«
Als Till schlussendlich im Raum seiner Eltern eintraf, lag König Finn mit geschlossenen Augen geschwächt in dessen Bett, Königin Ann saß am Bettrand und Berater Quinn mit trauriger Miene auf einem Stuhl.
»Schön, dass du gekommen bist, mein Sohn. Wir haben Wichtiges mit dir zu besprechen«, verkündete Königin Ann.
»Kein Problem. Worum handelt es sich?«, erkundigte sich Till nervös.
Quinn konnte seine Augen nicht von Tills zittrigen Händen abwenden. Derart nervös kannte er den Königssohn gar nicht, dies war äußerst überraschend für ihn.
König Finn meldete sich mit gebrochener Stimme zu Wort, der Geruch nach dessen austretendem Schweiß brannte sich inzwischen in die Ausstattung des Raumes ein. »Mein Sohn, wie du vermuten kannst, geht meine Zeit bald zu Ende.«
»Ich dachte, du bist auf dem Weg der Besserung?«
Finn grinste. »Das dachte ich auch. Das kannst du mir glauben. Allerdings schwankt meine Gesundheit von Tag zu Tag und daher müssen wir davon ausgehen, jeder angebrochene Tag könnte mein Letzter sein.«
»Darum wollten wir dich dringend sprechen«, erklärte Königin Ann.
»Ich schaffe das schon, Ann«, stellte Finn klar, ehe er seine Frau anlächelte. »Wie dir bekannt ist, wird der Königstitel stets dem ältesten Kind übergeben, nach langer Tradition vom Südlande war dies stets ein Sohn. Leider haben wir derzeit allen Grund zur Sorge, ob diese Sitte weiterhin beständig sein wird können.«
Till machte schlagartig ein langes Gesicht. »Wollt ihr damit sagen, ich werde nicht der neue König? Das könnt ihr nicht machen!«, rief Till ihnen entgegen.
»Till, hör deinem Vater zu, er hat nicht unendlich Kraft«, verkündete Ann.
»Danke, Ann. Nein, nein, darum geht es nicht. Natürlich wirst du der neue König werden, jedoch wird es Zeit, einen Sohn zu zeugen. Deine Frau ist bereits 36 Jahre und kann womöglich kein Kind mehr gebären.«
Der Königssohn pendelte seinen Blick verblüfft zwischen seinem Vater und seiner Mutter. »Was soll ich nun mit dieser Information anfangen? Ich weiß, wie alt meine Frau ist.«
»Mein Sohn, wir meinen es nicht böse, wir machen uns lediglich Sorgen um die Zukunft des Landes. Unsere Königsfamilie herrscht seit dem Jahre 450 über das Südlande«, stellte Ann deutlich klar.
»Ebenso das ist mir bekannt, Mutter. Ihr wisst, wie hartnäckig wir daran arbeiten. Meine Frau und ich können nichts dafür, dass sie bisher fünf Mädchen geboren hatte.«
Ann nickte ihrem Sohn glaubwürdig zu. »Das stimmt, dafür trägt niemand die Schuld. Trotzdem müssen wir nach vorne sehen und rechtzeitig handeln. Könnte sie bereits schwanger sein?«
»Keine Ahnung, bisher klagt sie jedenfalls nicht über eine aufkommende Übelkeit, wie bei den vergangenen Malen. Aber die letzte Geburt ist lange her und wir arbeiten täglich an einem Sohn.«
»Perfekt!«, sprach König Finn.
Ann wandte sich an Quinn. »Wir müssen Dienerin Kate Bescheid geben, sie soll überprüfen, ob Fee womöglich längst schwanger ist.«
»Wird erledigt, meine Königin«, sagte Quinn, der sofort den Raum verließ und zu Kate in das Abteil der Dienerschaft spazierte.
Nachdem Quinn die Tür von außen geschlossen hatte, drehte sich Königin Ann wieder ihrem Sohn zu. »Sollte sie nicht schwanger sein, müssen wir neue Wege bedenken.«
»Was meinst du damit?«, fragte Till wenig erfreut.
»Ihr habt noch knapp ein Jahr, danach bleibt uns nichts anderes über, als eine andere Richtung einzuschlagen.«
»Was soll das bedeuten, Mutter?«
»Erst wenn das Jahr vorüber ist, werden wir uns darüber gemeinsam Gedanken machen. Hoffentlich wird es nie dazu kommen.«
Die Worte seiner Mutter beunruhigten Till gehörig.
Er konnte es nicht ertragen, mit dieser Ungewissheit im Gepäck zurück zu Fee zu marschieren. Er versuchte die aufkommenden Gedanken zu verdrängen, doch sorgte er sich um seine Zukunft mit Fee. Ohne Zweifel liebte er sie über alles und wollte mit keiner anderen Person die Fäden vom Südlande ziehen.
Bei seiner Rückkehr stürmte ihm seine Geliebte entgegen. »Was haben sie verkündet?«, fragte sie neugierig.
»Nichts Besonderes. Es ging lediglich um den Zustand meines Vaters, der sich nach wie vor kontinuierlich verschlechtert.« Till konnte seiner Frau nicht erzählen, welche Pläne seine Eltern bereits für den Notfall schmiedeten. Zudem wollte er sie nicht unnötig beunruhigen, denn es war nicht unwahrscheinlich, dass sie bereits einen Sohn in sich trug und somit alle Sorgen umsonst waren.
»Wir sollten den Moment feiern und uns der Liebe hingeben«, verkündete Till, der sich Fee verführerisch näherte. Er fing an, sie vom Hals abwärts sanft zu küssen. Fee stieg sofort in sein Handeln ein und liebkoste ihn ebenfalls. Unverzüglich hob Till seine Frau hoch und trug sie in ihr gemeinsames Schlafgemach, wo er sie sachte ins Bett warf. Sie vergnügten sich leidenschaftlich und Till hoffte, durch seine Vereinigung mit ihr, endlich einen Jungen zu zeugen.