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Kapitel 8

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Die Vorbereitungen für den ruhmreichen Turnierkampf, um die Krone und die damit verbundene Herrschaft über das Eislande, waren in vollem Gange. Hunderte Arbeitskräfte aus Königsburg schufteten Tag und Nacht in der Kampfarena, um diese nach den Wünschen der Gelehrten zu gestalten. Die Arena war ein Treffpunkt aller Schwertkämpfer des Landes, die ihre Fähigkeiten verbessern und neue Kampfstile erlernen wollten.

In den letzten Tagen vor dem großen Turnier war Hochbetrieb auf dem großen, von Schnee überdeckten Feld. Neben den Schuftenden, die damit beschäftigt waren, ausreichend Tribünen und Sitzplätze aufzubauen, übten besonders motivierte Kämpfer, ohne jegliche Pause und mit einem Ziel vor Augen. Jede zusätzliche Vorbereitung konnte über Sieg und Niederlage, letztlich auch über Leben und Tod, entscheiden.

Währenddessen befand sich Robin zuhause in seiner Kemenate und zweifelte weiterhin an sich und seiner Teilnahme. Für Ablenkung sorgte ein Buch über die Geografie des Landes. Es war schwierig für ihn, noch interessante Bücher zu dem Thema zu finden, zu weitreichend war sein Wissen mittlerweile darüber.

Robin wollte nichts mehr über Königsburg oder andere Städte und Dörfer vom Eislande lesen, mehr interessierte ihn der geheimnisvolle Wald, der sich südlich vom Eislande befand. Durch Geschichtsbücher fand Robin lediglich heraus, dass dieser Wald den Namen Hundert-Tode-Wald erhalten hatte, mehr Informationen fanden sich weder in Geschichts- noch Geografie-Büchern. Dieses Mysterium beschäftigte ihn bereits längere Zeit.

In das Buch vertieft, war Robin von einem Klopfen an der Tür unterbrochen worden. Seine Mutter, Königin Runa, trat ein und setzte sich zu ihm ans Bett. »Wie geht es dir, mein Sohn?«

»Alles gut und dir?«, fragte Robin. Er knickte die aktuelle Buchseite am Seitenende um und legte das Buch weg.

»Ja, es muss wohl gehen, oder?«, entgegnete Runa und lächelte ihrem Sohn warmherzig zu.

»Mutter, ich weiß immer noch nicht, ob ich mich heute für das Turnier anmelden soll oder nicht«, gab Robin zu und blickte dabei gesenkt auf sein Bett.

»Was bringt dich denn zum Zweifeln?«

»Ich fühle mich nicht bereit, um in die Fußstapfen meines Vaters treten zu können«, sagte er kleinlaut.

»Robin, als dein Vater in deinem Alter war, war er ebenfalls weder erfahren noch besonders mutig, wie er im hohen Alter möglicherweise für dich gewirkt hat.« Königin Runa hoffte, Robin klarmachen zu können, dass er ein falsches Bild und eine trügerische Vorstellung von seinem Vater hatte, als dieser noch jünger gewesen war.

»Erfahrenheit kommt mit dem Alter. Kein junger Mann, keine junge Frau ist in deinem Alter erfahren genug. Doch die Zeit prägt dich, du wirst an Erfahrung dazugewinnen und daran reifen.«

Robin sah zu seiner Mutter auf, während die beiden weiterhin auf dem Bett in seiner Kemenate saßen, die seit Tagen kein Sonnenlicht und frische Luft mehr genossen hatte, derart bedrückend war die Atmosphäre im Raum.

»Und Sigurd war nie ein besonders mutiger Mann, dies war obendrein nicht nötig«, stellte Runa fest.

»Wie konnte er dann überhaupt König werden?«, fragte ihr Sohn verärgert über die offensichtliche Beschwichtigung.

»Er war ein starker Kämpfer, insbesondere ein auffallend kluger Kämpfer. Allerdings hatte er seine Selbstzweifel, genau wie du«, erklärte Runa und sah, dass Robin ihr dies nicht glauben wollte.

»Mutter, ich weiß, du willst mich nur aufbauen, allerdings gelingt dir das nicht, wenn du Vater kleinredest und ihn darstellst, als wäre er nur wie ich gewesen.«

»Du hast recht, Robin. Er war nicht in allem wie du.«

Robin blickte überrascht zu Königin Runa auf und wusste nicht, was nun folgen würde. Er spürte Nervosität in sich aufkommen, er wollte zu gerne wissen, woran seine Mutter dachte und was ihn von seinem Vater unterschied.

»Sigurd war nicht ansatzweise ein guter Kämpfer wie du.« Königin Runa machte eine kurze Pause, ehe sie mit ihrer sanften Stimme fortführte. »Trotzdem hatte er etwas, was du nicht hast und das war sein Glaube an sich selbst. Ich habe davor und danach nie wieder einen Menschen im Eislande getroffen, welcher derartig auf sich selbst vertraute, wie Sigurd. Er war dabei aber nicht überheblich, nein, ganz und gar nicht. Sigurd wusste lediglich, dass er, wenn er an sich selbst glaubte, alles erreichen konnte.«

Mit diesen Worten stand Königin Runa auf und verließ ohne Verabschiedung die Kemenate ihres Sohnes. Robin blieb sprachlos zurück. Seine Mutter musste wütend auf ihn sein, sonst fand sie nie solche direkten Worte oder verschwand ohne Verabschiedung.

Die Worte hatten auf jeden Fall eine Menge Eindruck auf Robin hinterlassen.

Der Königssohn saß in seinem Bett und starrte auf sein vorhin gelesenes Buch. Jedoch war das Interesse daran verflogen. Nach der Ansprache seiner Mutter konnte er nicht weiterlesen, als wäre nichts passiert.

Robin ging auf das einzige Fenster seiner Kemenate zu, zog den Vorhang zur Seite und öffnete die zwei Fensterflügeln. Frische und kalte Luft durchzog den vom Kaminfeuer erwärmten Raum. Er genoss die eisige Brise kurz, ehe er das Fenster wieder schloss, da er kaum Kleidung an seinem Körper trug und keine Krankheit riskieren wollte.

Als Robin es sich wieder in seinem Bett unter einer Decke gemütlich gemacht hatte, klopfte es abermals an der Tür. Sein bester Freund Sven und seine beste Freundin Alva traten ein und bereiteten Robin eine freudige Überraschung. Er war froh, die beiden zu sehen und begrüßte sie freundlich, umwickelt mit seiner Decke, um keine Intimitäten preiszugeben. Nicht unbedingt wegen Sven, eher wegen Alva, bei deren Anblick Robin jedes Mal das Herz aufging.

Sven wohnte mit seinen Eltern im Burghof der Burg, wie zwei weitere gute Freunde, Torm und Krilo. All deren Eltern und Geschwister waren für unterschiedliche Aufgaben in der Burg und deren Instandhaltung zuständig. Sven, seine Mutter und sein Vater waren als Ärzte in der Burg tätig, auch wenn sich Sven noch in Ausbildung befand, die so lange dauerte, bis sein Vater nicht mehr als Arzt arbeiten konnte und Sven seine Aufgaben übernehmen musste.

Torm und seine Großfamilie, die aus insgesamt fünf Kindern bestand, waren für Reinigungsarbeiten zuständig. Die Reinigungstruppe war die von der Anzahl her größte Abteilung im Burghof, denn das Anwesen der Burg war groß und daher gab es wirklich jede Menge zu reinigen.

Torms Vater war sogar Leiter der Reinigungsabteilung und koordinierte somit das stattliche Personal dieses Abteils. Dies war eine große Herausforderung und Verantwortung, die eines Tages Torm, als Ältester der Kinder, übernehmen würde.

Sein Kumpel Krilo dagegen war als Handwerker angestellt. Er war insbesondere auf die Herstellung von Gegenständen aus Stein spezialisiert sowie allfällige Reparaturen und Instandhaltungen. Beim Aufbau der Kampfarena für das große Turnier war Krilo ebenso beteiligt, wodurch es ihm nicht erlaubt war, selbst daran teilzunehmen. Seine betagte Mutter, die seit Jahren an einem gebrochenen Herzen litt, lebte ebenfalls im Burghof, doch war sie nicht mehr in der Lage einer Arbeit nachzugehen.

Robins beste Freundin Alva lebte nicht im Burghof und dennoch war sie eine der häufigsten Besucher von Robin, obwohl ihr Weg kein kurzer war. Dies wusste Robin jedoch nicht, Alva hatte ihm nie verraten, wo sie wohnte und lebte. Sie hatte sich ein eigenes kleines Häuschen, im Süden von Königsburg, im Gebirge erbaut. Dort konnte sie ihre benötigte Ruhe finden und ihrem bevorzugten Zeitvertreib, dem Beobachten und Füttern ihrer Lieblingstiere, den Langohren, ungestört nachgehen.

Robin und Alva hatten eine tiefe Verbindung zueinander, auch wenn sie sich erst seit gut einem Jahr kannten. Er mochte speziell ihre schüchterne, sensible und ruhige Art. Alva war eine besondere junge Frau, ungefähr im selben Alter wie Robin und mit langen braunen Haaren und einem hinreißenden Lächeln beschenkt.

Keineswegs sollte der Fehler begangen werden, sich davon täuschen zu lassen. Alva war eine extrem begabte Kämpferin, welche die Konstellation von Gruppen nicht ertrug und sich daher immer gerne von anderen abschottete und somit eine besondere Art von Eigenständigkeit erlernte.

Sie tat sich schwer anderen zu vertrauen, außer den zahlreichen Langohren, die in ihrem Haus ein- und ausgingen, wie ihnen beliebt war. Sie lebte allein in ihrem Haus, ihre Eltern durfte sie nie kennenlernen. Daher war es nicht überraschend, dass sich Alva all ihre Fertigkeiten eigenständig beibringen musste, egal ob es das Bogenschießen, Verarzten von Tieren oder andere handwerkliche Tätigkeiten waren. Alva war ein Naturtalent. Alle, die ihr jemals begegnet waren, wussten das - nur sie selbst nicht.

Sven und Alva waren in der Absicht gekommen, Robin aufzumuntern und zur Teilnahme am Turnier zu ermutigen. Nach der Begrüßung erkundigten sich die Zwei bei Robin nach dessen Gefühlslage.

»Es ist alles gut, mit jedem Tag geht es mir besser und ja, das Leben muss weitergehen«, erwiderte Robin, noch immer geknickt.

»Nimm dir die Zeit, die du brauchst, niemand stresst dich«, sagte Alva sanft und erfasste dabei seine Hand.

»Ja, aber das Turnier steht kurz bevor, Zeit zur Trauer habe ich leider nicht. Keine Ahnung, wie mein Vater dies damals bei meinem Großvater König Thanos geschafft hat.«

»Selbst dein Vater wird lange Zeit getrauert haben. Mit Sicherheit über das Turnier hinaus. Vielleicht verstand er die Kämpfe um den Königsthron als willkommene Abwechslung?«, antwortete Sven und stellte damit eine berechtigte Frage in den Raum. Alva pflichtete ihm nickend bei.

»Ich weiß nicht. Es wäre toll, noch einen letzten Tag mit meinem Vater verbringen und alle meine offenen Fragen stellen zu können«, äußerte Robin einen großen Wunsch. Er wusste, dass König Sigurd schwer krank war, dennoch kam sein Tod für Robin zu überstürzt. Darüber hinaus bildeten sich die Fragen in seinem Kopf erst nach Sigurds Tod.

»Das glaube ich dir«, bekräftigte Alva ihren Freund.

»Dies wirst du eines Tages tun können, aber bis dahin wirst du die Antworten auf deine Fragen eigenständig gefunden haben. Das ist der Sinn des Lebens, das Wunder des Daseins.«

Nach dieser Aussage wusste Robin wieder, wie wichtig es war, gute Freunde wie Alva oder Sven zu haben. Da die beiden ähnlich zurückhaltend waren wie er selbst, hatte sich eine besondere Verbindung gebildet. Natürlich mochte Robin alle seine Freunde, doch in bestimmten Momenten brauchte es eben spezielle Worte, die sich besser und angenehmer anfühlten.

»Danke Alva. Eure Worte tun mir richtig gut. Mein größtes Problem ist nur, dass ungemein viel Druck auf mir lastet. Es geht nicht nur um Eislande, sondern ebenso um meine Familie und obendrein um deine Familie, Sven. Und die von Torm und Krilo, sowie mehrere andere«, sagte Robin bedrückt in Richtung Sven.

»Mach dir keine Sorgen, egal wer neuer König oder Königin wird«, sagte Sven und sah zu Alva, die ihm zulächelte, »er oder sie wird all die Menschen im Burghof nicht entlassen, woher soll derart rasch Ersatz herbeigezaubert werden?«

»Ich weiß es nicht, dennoch plagt mich ein schlechtes Gewissen, sollte ich den Hoffnungen nicht gerecht werden«, gab Robin kleinlaut zu. Seine Selbstzweifel waren weiterhin eine große Hürde und verhinderten, dass er den Weg gehen konnte, den er noch vor sich hatte.

»Robin, niemand zwingt dich dazu, nach dem Tod deines Vaters wieder die Kraft zu finden, um am Turnier anzutreten. Jedoch glaube mir, alle Menschen im Eislande wünschen es sich«, meldete sich Alva zu Wort.

»Genau!«, rief Sven zustimmend heraus. »Sieh es nicht als Ballast, sondern als zusätzliche Motivation. Eine Menge Menschen, von weit her, wollen dich kämpfen sehen. Tausende reisen nur an, um den Sohn des beliebtesten Königs aller Zeiten anfeuern zu können.« Nach einer kurzen Nachdenkpause musste Sven schmunzeln und setzte fort. »Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen, als von wildfremden Menschen unterstützt und geliebt zu werden«, stellte Sven grinsend fest, der ebenfalls oft mit großer Nervosität zu kämpfen hatte.

»Mich werden sie bestimmt ausbuhen, nur weil ich eine Frau bin und eigentlich keine Waffe in der Hand halten dürfte«, merkte Alva an und alle drei lachten. »Im Ernst, selbst wenn du nicht gewinnen solltest, sei wie du bist und die Menschen werden dich lieben und feiern.«

»Genau. Und wenn sie dich ausbuhen, nachdem du bereits in Runde eins gegen mich ausgeschieden bist, wir werden dich trotzdem lieben«, sagte Sven belustigend und brachte damit Robin zum Lachen.

Robin merkte, dass das Gespräch mit der Zeit immer lockerer geworden war und er verstand, dass all sein Grübeln sowieso niemanden half. Er wollte nicht mehr länger darüber nachdenken, ob er antreten sollte oder nicht. Es war an der Zeit eine Entscheidung zu treffen und sich dem Schicksal zu überlassen.

Alva, die ohne Bedenken am Turnier teilnehmen wollte, stellte nochmals vehement fest, dass sie Robin ins Boot holen wollte. »Ich möchte unbedingt gemeinsam mit dir fürs Turnier üben, wie einst, als wir uns in der Kampfarena kennenlernten und du mich noch schlagen konntest.« Alle Drei lachten, obwohl Robin wusste, dass etwas Wahres daran war.

Alva hatte einen besonders agilen Kampfstil und sie war sowohl in der Verteidigung als auch in der Offensive beinahe ohne bekannte Schwächen. Dies machte es jedem Gegner unsagbar schwer, einen wunden Punkt bei ihr zu finden.

Robin kannte ihre wenigen Schwächen, dennoch zeichnete Alva aus, dass sie nie nur blind ihren Stärken vertraute, sondern stets an ihren Schwachstellen arbeitete.

Nachdem sich Alva wie die sichere Siegerin des großen Turniers um die Krone und somit als neue Königin dargestellt hatte, ging Sven auf die Knie und verbeugte sich vor Alva. »Meine Königin, ich bitte dich, mich in deine Leibgarde aufzunehmen. Ich werde bis zum bitteren Ende an deiner Seite kämpfen.«

Wieder folgte ein lautes Gelächter aller drei Verbündeten und Robin war froh, solch tolle Menschen als seine Freunde bezeichnen zu dürfen. Sie hatten es geschafft, einen Teil seiner Blockaden zu lösen und ihn aufzumuntern, sich seinem Schicksal zu stellen. Robin hatte insgeheim eine Entscheidung getroffen und er war glücklich damit.


Robin, Alva und Sven verließen die Burg und gingen gemeinsam zur Kampfarena, die sich nicht weit östlich der Burg befand. Die Luftdistanz war gering, doch war der Weg um einiges länger, denn die Burg konnte nur südlich über den einzigen Ausgang verlassen werden. Daher spazierten die drei Freunde unter anderem am Burghof vorbei, wo Robin und Sven unzählige Male gegrüßt wurden. Alva war vergleichsweise unbekannt, lebte sie doch ein Stück weit entfernt von hier.

Sobald sie das Areal der Burg verlassen und mehrere Häuser hinter sich gelassen hatten, erreichten sie den zur Kampfarena führenden Weg. Diese hatte zwei Eingänge, einen im Westen und einen im Osten.

Die Eingänge bestanden aus jeweils zwei kleinen offenen Türmen, die in die Mauern integriert waren. Diese Türme boten mehrere Vorbereitungsräume für die Teilnehmenden. Die Außenmauern der Kampfarena waren mit mehreren Flaggen vom Eislande dekoriert.


Sobald einer der Eingänge durchquert war, erschien das ovale Kampffeld, das derart groß war, dass zig Menschen gleichzeitig üben konnten, ohne sich gegenseitig zu behindern. Den Kampfbereich grenzten hohe Mauern ein, wobei sich oberhalb steile leere Felder befanden, die als Zuschauer-ränge dienten. In diesen waren verschiedene Wege errichtet worden, die am oberen Ende Zugänge bildeten.

Für das Turnier waren Tribünen und Sitzplätze auf den leeren Feldern errichtet worden, um der Menge einen besseren Komfort zu ermöglichen. Um weitere Plätze zu schaffen, errichteten die Bediensteten am oberen Ende zusätzliche Hoch-Tribünen. Selbst das Kampffeld musste verkleinert werden, um der erwarteten Menge genug Plätze bereitzustellen. Auf dem Kampffeld waren jedoch nur Logen und Tribünen für besitzstarke Familien und die am Turnier teilnehmenden Kämpfer und Kämpferinnen aufgestellt.

Diese Bauwerke reduzierten den offiziellen Kampfbereich für das große Turnier, wobei der Bereich anschließend eine ideale Fläche für zwei Duellanten gebildet hatte. Außerhalb der Kampfarena waren verschiedene Sitzmöglichkeiten geschaffen worden, wo die Menschen ihre erworbenen Speisen und Tränke verzehren konnten. Für Unterhaltung sorgten unterschiedliche Künstler und Künstlerinnen, die auf die eine oder andere Münze hofften.

Bevor Robin, Alva und Sven die Kampfarena betraten und sich in ihre Vorbereitung stürzten, begaben sie sich zur Anmeldestelle, die beim westlichen Eingang platziert war. Als Robin seinen Namen auf der Liste eingetragen hatte, bekam er einen Abdruck auf den rechten Handrücken verabreicht, der ihn als Teilnehmer am Turnier auszeichnete.

Diese endgültige Bestätigung der Teilnahme erlöste ihn, denn ab sofort musste er sich nicht mehr den Kopf zerbrechen und darüber nachdenken, ob es die richtige Entscheidung sei. Mit der Anmeldung startete Robin in die Vorbereitungen für das große Turnier um den Königsthron und die Herrschaft über das Eislande. Gemeinsam mit seinen Freunden übten sie oftmals Tag und Nacht an ihren Kampfstilen und Taktiken.

Den Menschen im Eislande war es nur gestattet, unter Einhaltung gewisser Regeln in der Kampfarena zu üben sowie gegeneinander zu kämpfen. An allen anderen Orten waren Kämpfe strengstens untersagt und hatten bei Nichteinhaltung hohe Strafen zur Folge. Dieses Kampfverbot im Lande führte dazu, dass Königsburg stets die Hochburg der besten Kämpfer blieb, da die restlichen Städte und Dörfer keinerlei Arenen besaßen. Unter König Sigurd war diese Regelung kaum überprüft und keine Menschen abgestraft worden, solange sie nur zivilisiert miteinander kämpften und nicht um Leben und Tod.

Häufigster Übungspartner von Robin war Alva, von der er erstaunt war, wie stark sie mittlerweile geworden war. Natürlich wusste er, solange nur zum Spaß gekämpft wurde, konnte kaum abgeschätzt werden, wie stark jemand wirklich war. Aber langsam wurden die Kämpfe ernster, das Turnier rückte näher und Robin war anhand der Schaukämpfe mit Alva überzeugt, dass sie das Zeug hatte, das Turnier zu gewinnen und neue Königin zu werden. Es war schwierig zu sagen, ob nun Robin oder Alva in den Kämpfen besser war, denn abwechselnd konnte einmal Robin und einmal Alva siegen, zu ausgeglichen waren deren Kräfte.

Wenn Robin gegen Sven oder Torm antrat, konnte er meist als Gewinner aus den Begegnungen gehen. Doch auch diese waren gut auf das Turnier vorbereitet und konnten mit Sicherheit für eine Überraschung sorgen, so das Urteil von Robin. Seine weiteren Freunde Asger und Himal übten desgleichen verbissen für das Königsturnier, meist miteinander, was nahe lag, denn die Zwei waren privat ein unzertrennbares Pärchen.

Robin sah zu Asger und bemerkte dessen Zurückhaltung, im Kampf gegen seinen Partner. Dessen langen blonden Haare und der wuchernde rötliche Vollbart bewegten sich mit dem Wind, während sein großer Körper Standhaftigkeit ausstrahlte. Robin schätzte an Asger, welchen Wert er auf Loyalität und Gerechtigkeit legte.

Auf ihn war Verlass, auch wenn der an Medizin sowie Pflanzenkunde interessierte junge Mann, oftmals recht unscheinbar auftrat.

Sein Partner Himal, der mit seinen 26 Jahren ein Jahr älter war, tickte ähnlich in Sachen Gerechtigkeit. Jedoch gehörte sein Interesse weniger der Medizin, als dem politischen und geschichtlichen Treiben vom Eislande. Wie bei Torm, schätzte Robin an Himal dessen ausgeprägten Humor, mit dem er selbst den ruhigen Asger aus der Reserve locken konnte.

Krilo, der als Handwerker jederzeit einsatzbereit sein musste, durfte zwar nicht am Turnier teilnehmen, jedoch kämpfte er trotzdem mit seinen Freunden. Er war mit seinen 27 Jahren der Älteste seiner Freunde und hatte lange, leicht lockige braune Haare. Da sich Krilo selbst kaum Erfolg auf einen Sieg beim Turnier ausrechnete, war das Teilnahmeverbot für ihn kein Problem. Robin sah dies allerdings anders, er war der Ansicht, dass Krilo ein ausgezeichneter Kämpfer war, mit einer guten Mischung aus Stärke und Klugheit.

Während sich Robin und seine Freunde vorbereiteten, bemerkten sie eine andere Gruppe von jungen Kämpfern, die nicht weniger intensiv an ihren Fähigkeiten arbeiteten. Robin wusste, wer sie waren. Vor etwa zehn Jahren bildeten sich zwei Gruppierungen, Robin und seine Freunde sowie Gunnar und seine Freunde. Obwohl sie alle im selben Alter waren, war jeglicher Kontakt untereinander konsequent vermieden worden, da die Interessen und Vorstellungen zu weit auseinandergingen.

Gunnar und seine jüngeren Brüder Haldor und Hakon, welche am selben Tag geboren worden waren, gehörten zu Einars Familie. Womit sie ebenfalls Nachfahren von Wodan dem Zwölften waren und besonderen Status im Eislande genossen. Deren Gruppe ergänzten Gunnars beste Freunde, Kari und Yas.

Immer wieder kam es zu Wortgefechten und kleinen Reibereien zwischen den zwei verfeindeten Gruppierungen, da manch einer gerne provozierte und offen Streit suchte. In den letzten Jahren allerdings nahm jeglicher Unfrieden ab, jeder ging seinen Weg und kam dadurch kaum in Berührung mit Mitgliedern der anderen Gruppe. Bisher funktionierte dies erstaunlich gut, doch das Turnier und die Vorbereitungen darauf ließen die alte Fehde wieder hochkochen. Robin traute Gunnar und seiner Truppe nicht und er wusste, er und seine Freunde mussten weiterhin auf der Hut sein.

Nicht nur Gunnar und seine Kameraden behielt Robin im Auge, auch andere ihm unbekannte Kämpfer entgingen ihm nicht, als sie übten. Er war überrascht über deren Kampfstil, der sich gehörig jenem der Bewohner von Königsburg unterschied. Zudem bewunderte Robin ihren Mut und ihren Willen, von weit her in die Hauptstadt zu reisen, um Nachfolger seines verstorbenen Vaters, König Sigurd, zu werden.

Wenn Robin eine Pause von der Vorbereitung einlegte, beobachtete und analysierte er seine möglichen Gegner beim Turnier heimlich. Er versuchte Stärken und Schwächen der fremden Kämpfer auszumachen, um in einem etwaigen Duell einen Überraschungsmoment zu kreieren. Robin wusste selbst, er war nicht der Kräftigste, aber er war klug genug, um zu wissen, dass durch eine perfekte Technik und Taktik jeder Gegner besiegt werden konnte.

Je länger Robin sein Umfeld beobachtete, desto klarer wurde ihm, dass Gunnar die größte Hürde zur Eroberung des Königsthrons werden würde. Robin fand keine Schwächen in Gunnars Kampfstil. Hinzu kam, dass er eine unmenschliche Kraft in den Armen besaß und somit jeden Gegner mit nur einem Schlag besiegen konnte. Der Königssohn fragte sich, woher Gunnar diese Kraft und Ausdauer nahm, um ununterbrochen derart explosive Schläge setzen konnte.

Gunnar strahlte mit seiner Größe und seinem Auftreten eine unbändige Selbstsicherheit aus, welche Robin ordentliches Kopfzerbrechen bereitete.


Die Gelehrten schrieben die Termine für das Turnier und die Qualifikation, auf Tafeln vor der Kampfarena, aus. Es dauerte nicht lange ehe eine unvorstellbare Hektik in ganz Königsburg entstand. Die Nachricht verbreitete sich über das gesamte Lande und die Menschen brachen in Richtung Königsburg auf, um künftige Geschichte hautnah zu erleben. Die Bürger und Bürgerinnen außerhalb der Hauptstadt hofften, dass der neue Herrscher des Landes, wie König Sigurd, ein offenes Ohr für deren Interessen habe. Königsburg dürfe dem Rest des Landes nicht wieder enteilen.

Einen Tag vor der Qualifikation ließen die Gelehrten alle Angemeldeten vor der Kampfarena antreten. Königin Runa, als derzeit höchstes Oberhaupt, hatte die Ehre und Pflicht, die Teilnehmenden willkommen zu heißen und in die Geschichte des Turnierkampfes einzuweihen.

»Ich heiße euch im Namen der Gelehrten und des Königshauses in der Hauptstadt Königsburg willkommen. Hoffentlich hattet ihr alle eine angenehme Reise und keine Probleme auf der Suche nach einer Unterkunft. Niemand soll während des Turniers leer ausgehen und auf der Straße schlafen müssen, es ist genug Platz für alle vorhanden, dies haben wir sichergestellt.« Die Anwesenden applaudierten und nickten anerkennend.

»Seit 1636, nach Erlass von König Stian, dem Zehnten, findet ein Turnierkampf um den Königsthron statt. Nachdem mein Mann, König Sigurd, vor kurzem einer langwierigen Krankheit erlegen ist, suchen wir mit Hilfe des Turnierkampfes seinen Nachfolger. Der Gewinner aller Duelle wird anschließend zum neuen König gekrönt. Doch bevor das Turnier starten kann, muss ich euch mitteilen, dass die Gelehrten des Landes aufgrund der hohen Nachfrage entschieden haben, erstmals eine Qualifikation einzuführen.«

Robin konnte beobachten, dass einige Kämpfer überrascht wirkten, obwohl diese Information eigentlich bereits zu allen durchdringen hätte müssen. Es folgte viel Getuschel, ehe Königin Runa fortführte.

»Diese Qualifikation ist notwendig, um den großen Ansturm an Anmeldungen gerecht werden zu können und die besten Kämpfer und Kämpferinnen für das Turnier zu finden. Ihr habt die Ehre, an einem doppelten Jubiläums-Turnierkampf teilzunehmen, denn es findet nicht nur der zehnte Turnierkampf im Eislande statt, es wird ebenso der zwanzigste König der Historie gekrönt.« Es ertönten erste Jubelschreie und folgend noch eine Woge Applaus.

»Etliche von euch fragen sich bestimmt, wie eine derartige Qualifikation ablaufen wird. Dazu meldet sich nun ein Gelehrter zu Wort. Ich wünsche euch großen Erfolg in der Qualifikation und würde mich selbstverständlich darüber freuen, möglichst viele Gesichter von euch beim Turnier wieder zu sehen.« Königin Runa beendete ihre Rede und war mit einem frenetischen Applaus verabschiedet worden.

»Guten Tag. Wir Gelehrten haben uns eine Aufgabe überlegt, die nur die besten Kämpfer des Landes bewältigen können.« Die wenigen Kämpferinnen sahen sich fragend an, denn während Königin Runa sie miteinbezogen hatte, ignorierten die Gelehrten sie offensichtlich. Robin missfiel dies und er sah Alva traurig an.

»Um sich für den Turnierkampf zu qualifizieren, muss eine Wegstrecke von unterschiedlichen Punkten in Königsburg, über den Gebirgsweg Richtung Nord-Osten, entlang der Gebirge und abschließend durch die Höhle der Zeit bis zum Haus von Aegir zurückgelegt werden. Und dies innerhalb eines Tages, wobei der Start für morgen angesetzt ist, sobald die Sonne am höchsten steht.«

Unruhe entstand unter all den Zuhörern, das Haus von Aegir war allen bisher nur ein Begriff, der mit großem Abstand verehrt worden war. Die Mythen besagten, dass der Weg zum Haus von Aegir ein beschwerlicher und gefährlicher war. Niemand im Lande riskierte sein Leben freiwillig, keiner traute sich der Legende von Aegir auf den Grund zu gehen.

Dies führte dazu, dass bis dato nur die wenigsten Menschen vom Eislande diesen Weg bis zum nördlichsten Ende vom Lande zu gehen wagten. Der erste Abschnitt der Höhle der Zeit, in dem sich die historischen Malereien befanden, war stets das Ende der Entdeckungsreise, zu gefährlich wirkte der weitere Pfad durch die Höhle in den Norden. Jedoch warteten auch auf dem Gebirgsweg und den vereisten, mit Schnee bedeckten Gebirgen, zahlreiche Gefahren auf die Qualifikanten.

Am Ende des langwierigen Gebirgsweges befand sich der Eingang zur Höhle der Zeit, der nach dem ersten Teilabschnitt voller Malereien mit mehreren Pfaden aufwartete, wobei nur einer zum Haus von Aegir führte. Unter Zeitdruck konnte dies zu einem gravierenden Problem werden, die Höhle in der vorgegebenen Zeit zu durchqueren. Abschreckend war zudem, dass sich nach Erzählungen der Menschen bereits hunderte Mutige in der Höhle verirrt hatten und nie mehr gefunden worden waren.

»Sobald die Höhle durchquert und sich das Haus von Aegir vor euren Augen erheben wird, ist es eure Aufgabe, dieses besondere Glas«, der Gelehrte hob ein kleines Glas in die Höhe, »welches ihr die ganze Reise über bei euch haben werdet, mit dem Wasser Aegirs zu füllen.«

Alle rissen deren Augen auf und konnten kaum glauben, was sie zu hören bekamen. Anspannung machte sich breit, keiner konnte sich vorstellen, was sie die nächsten Tage erwarten würde.

»Bitte beachtet, nur wer das Glas innerhalb eines Tages füllt, ist für das Turnier qualifiziert«, stellte der betagte Gelehrte nochmals fest. Er starrte weiterhin in verwirrte Gesichter, denn niemand verstand, was es mit dem Glas und Wasser auf sich hatte.

»Ich wünsche großen Erfolg!«, beendete der Gelehrte seine Rede, während er genüsslich grinste.

Die Schlacht der Fünf Lande

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