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IN RAUM 333, TEIL 2
ОглавлениеNachts um elf ging ich mit bloßem Oberkörper zum Fens-ter und schaute hinaus. Unten in der Amir-al-Schuaraa-Straße stand ein junger Mann unter einer Laterne, wie es viele Studenten in den warmen Nächten vor den Sommerferien taten. Das Licht der Laterne fiel in den dunklen Raum, denn wir hatten das Licht ausgeschaltet. Ich hörte, wie die Tür geöffnet wurde, und sah Alis Silhouette den Raum betreten. Er zog sich aus und kam auf mich zu. Ich spürte seinen warmen, nackten Körper an meinem Rücken. Ich schloss das Fenster und gab mich ihm hin.
Das Quietschen des Betts beim Ritual des Sex war so laut, dass man es bestimmt noch im Nachbarzimmer hören konnte. Ali hielt ein und gab mir ein Zeichen, die Matratze auf den Boden zu legen. Ich erlebte den ersten Sex auf einer schmalen Matratze auf dem Boden im orange flackernden Licht einer Laterne. Er war sehr erfahren und reagierte behutsam, als er spürte, dass ich nicht wusste, wie ich mich bei diesem Initiationsritus verhalten sollte.
Ein Klappern auf dem Flur ließ uns erstarren. Ali drehte sich zum Nachttisch, um auf die Uhr zu sehen, es war drei Uhr morgens. Der eigenartige Lärm wurde immer lauter und verstummte plötzlich direkt vor unserem Zimmer; durch den Spalt unter der Tür sahen wir einen Schatten. Der Gedanke, jemand könnte uns erwischen, versetzte mich in Panik. Zum ersten Mal verzog sich Alis schöner Mund zu einer Grimasse. Draußen bearbeitete jemand heftig die Zimmertür. Ich hielt die Luft an, vor Angst, er könnte die Tür aufbrechen. Plötzlich verstummte der Lärm.
Ich atmete auf.
Schweigend stand ich auf und legte meine Matratze wieder auf das Bettgestell; dann zog ich die Hose an. Danach zog auch Ali sich an. Er kam zu mir und gab mir einen sanften Kuss, aber ich sah die Angst in seinem erschrockenen Gesicht. Wir lagen jeder in seinem Bett und versuchten, ein wenig zu schlafen. Von den Moscheen erklang der Aufruf zum al-Fadschr *. Von einem Minarett auf dem Hügel, auf dem sich das Studentenwohnheim befand, hörten wir die tiefe Stimme des Muezzin: As-salat chairun min an-naum *. Die Worte flogen über die Dächer der Villen davon. Ich starrte mit offenen Augen an die Decke, die von den Straßenlaternen erhellt war; ein eigenartiger Impuls überkam mich, ich sprang auf, wusch mich und betete. Nach dem Adhan * rief der Muezzin: «Betet für al-Assads Seele.»
Der Ruf war beendet, und ich hörte Ali schnarchen. Ich kroch unter das Laken und versuchte zu schlafen.
Es mochte gegen sieben Uhr am Morgen sein, als jemand an die Tür klopfte und etwas rief. Ali war schon wach; er flüsterte: «Keine Angst, er soll uns nur wecken.» Er kam zu meinem Bett und setzte sich zu mir. Der Mann draußen ging weiter und klopfte an alle Türen. «Aufwachen, aufwachen, kommt zur Übertragung der Trauerfeier!»
Die Stimme war immer noch in der Ferne zu hören, als Ali sein Handtuch nahm und die Tür öffnete. Jemand hatte ein Plakat mit dem Porträt von Hafiz’ Sohn Baschar an die Tür geklebt; als Ali direkt daneben stand, sah es aus, als befände sich eine dritte Person zwischen uns beiden. Er witzelte: «Nein, wir machen keinen Dreier.» Ich trat in den Flur. Das Bild von Baschar al-Assad, umrahmt von der Nationalflagge, klebte auf jeder Tür. Ali sagte: «Geh wieder rein, wir sind hier, um uns zu lieben, nicht um zu trauern.» Dann schloss er hinter mir die Tür.
Ich verbrachte den ganzen Sommer mit Ali in Zimmer 333. Es war meine erste Liebesaffäre, bevor ich im September zurück nach Damaskus ging, um mein Studium fortzusetzen.