Читать книгу Mond der verlorenen Seelen - Kim Landers - Страница 13

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„Oh, mein Gott, Amber, was ist passiert?“

Amber blinzelte aus geschwollenen Augen zu Mom, die mit besorgter Miene auf sie herabsah.

„Ich wurde gegen die Wand geschleudert.“ Das Sprechen fiel ihr schwer, ihre Stimme klang gepresst. „Au!“, schrie Amber auf, als Mom ihre Schürfwunden an Stirn und Armen mit einer Jodtinktur bestrich. Es brannte wie Feuer.

„Was?“, rief Mom und hielt sofort in der Bewegung inne. Entsetzen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab.

„Sie wurde von Dämonen angegriffen. Oben im Turm“, antwortete Aidan.

Amber wunderte sich, wie ruhig seine Stimme klang, als wäre eine solche Begegnung alltäglich. Deutlich sah sie wieder das Bild Aidans vor sich, wie er als dunkler Racheengel die Dämonen vertrieb. In diesem Moment hatte sie bewundert, mit welch geballter, animalischer Kraft er sich den Geschöpfen der Finsternis entgegengestellt hatte. Aber sich gleichzeitig vor ihm gefürchtet, als ihr bewusst wurde, wie weit die Verwandlung fortgeschritten war. Mit jedem Tag erschien er ihr fremder. Sie erkannte Facetten an ihm, die sie zuvor noch nie wahrgenommen hatte. Sie hoffte, ihre Liebe war stark genug, sein menschliches Ich zu erhalten. Aber die aufkommenden Zweifel wurden immer stärker und bildeten eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen. Am schlimmsten empfand sie es, wenn er sich zurückzog und mit ihr weder über seine Gedanken noch über seine Gefühle sprach. Auch jetzt wirkte er abweisend, als befände sich sein Geist auf einer Reise in die dunkle Welt.

„Dämonen? Oh, mein Gott, Amber. Das ist ja schrecklich.“ Mom presste ihre Hände an die feuerroten Wangen.

„Was waren das denn für Dämonen?“, meldete sich ihr Bruder Kevin zu Wort.

Seine Neugier war nur schwer zu bremsen, doch gerade ihr verdankten sie so viel. In Gefahrensituationen hatte er seine Cleverness bewiesen und wuchs über sich hinaus.

„Ich weiß es nicht.“ Amber berichtete zitternd von ihren Begegnungen am Nachmittag und dann im Turm. Der Schock saß ihr noch tief in den Gliedern, aber vor Mom riss sie sich zusammen. Diese wurde abwechselnd rot und weiß, ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen.

„Du gehst alleine nirgendwo mehr hin. Ich werde sonst noch verrückt vor Angst.“ Mom sah sie eindringlich an.

„Herrgott, Mom, soll mich vielleicht jedes Mal einer von euch begleiten?“

„Dann gehst du eben eine Zeit lang nicht mehr aus dem Haus, bis es vorbei ist.“ Der bestimmende Tonfall ärgerte Amber.

„Wann wirst du endlich begreifen, dass ich erwachsen bin und allein entscheiden kann? Ich passe schon …“

„Na, das haben wir ja erlebt“, unterbrach Mom und rollte mit den Augen.

Amber konnte Moms Furcht verstehen, aber sie hasste es, mit mütterlicher Fürsorge überschüttet zu werden.

„Mom, was soll das bringen? Dämonen gehen durch die Wände“, schaltete Kevin sich ein und setzte eine wichtige Miene auf.

Er hatte viel über sie gelesen, das wusste Amber. Lässig lehnte er mit verschränkten Armen am Türrahmen und wartete auf eine Reaktion.

„Das sind ja herrliche Aussichten. Wollt ihr mir damit sagen, dieser ganze Horror mit den Monstern geht von vorne los? Und die tauchen hier auf und wollen uns umbringen? Das kann doch nicht wahr sein! Wir müssen was dagegen tun. Sofort. Vielleicht wie beim letzten Mal. Vielleicht hilft wieder das Schwert. Aidan, bitte …“

Sie drehte sich Hilfe suchend zu Aidan um. Der bemühte sich, gelassen zu wirken, doch Amber spürte, dass alles nur Fassade war. Wenn Mom geahnt hätte, dass auch er zu den dunklen Geschöpfen zählte, fände sie vor Angst und Entsetzen keinen Schlaf mehr. Aber Amber konnte sich ihr nicht anvertrauen. Mom war labil, nach Dads Tod besonders.

„Aidan, du wirst doch nicht zulassen, dass Amber so was noch mal passiert!“

Sein Zögern verunsicherte Mom, die gebannt an seinen Lippen hing. Amber spürte den inneren Kampf, den er mit sich ausfocht, zerrissen zwischen der Liebe, die ihm gebot, sie zu beschützen und dem Ruf der Finsternis, für die ein Sterblicher keine Bedeutung besaß.

„Ich werde Amber beschützen, das verspreche ich“, antwortete er nach einer Weile.

Für diesen Augenblick hatte seine menschliche Seite gesiegt, aber würde es das nächste Mal auch so sein?

Mom atmete erleichtert auf und lächelte. „Danke, Aidan.“

Sie wirkte so zerbrechlich, dass es Amber rührte. Sie hatte sich die Welt schon immer schöngeredet und sprach nur ungern über die Vergangenheit. Vielleicht wollte sie alles nur vergessen. Amber war aufgefallen, wie selten sie Dad erwähnte, obwohl ihr Blick oft abwesend war und von Trauer und Einsamkeit sprach. Ambers Herz krampfte sich zusammen, denn auch sie fühlte diese Ohnmacht und Leere seit Dads Tod. Aber anstatt darüber zu reden, schwiegen sie die Geschehnisse tot. Als könne man das Vergangene einfach vergessen.

Kevin sah unsicher von einem zum anderen und wippte auf den Zehenspitzen. Er war sensibel genug, die unterschwelligen Spannungen zu spüren.

„Dieser Dämon im Glen gehört zur Sorte der Aufhockdämonen“, sagte er in die bedrückende Stille.

Amber nickte.

„Weißt du auch, wer die anderen gewesen sind?“ Amber zuckte mit den Achseln und drehte sich zu Aidan um.

„Ich weiß es auch nicht.“ Aidans Miene versteinerte, und er schwieg. Sie hasste es, wenn er sich in Schweigen hüllte.

„Verdammt, Aidan, was verschweigst du uns?“, donnerte sie los.

„Nichts.“

Seine gespielte Gelassenheit brachte sie auf die Palme. „Ich glaube dir nicht. Du kennst die Dämonen, oder wie sonst hättest du mit ihnen fertig werden können?“

„Was weißt du schon? Nur weil du jeden Tag zu Hermit rennst und eine Druidin werden willst, macht es dich nicht zur Expertin für Dämonen.“

Sie zuckte zusammen, denn seine Worte verletzten sie. Er wusste doch genau, wie viel ihr daran lag. „Was stört dich an meinen Besuchen bei Hermit? Oder an ihm selbst?“ Amber war aufgesprungen.

„Hast du denn nicht begriffen, wie gefährlich die Lehre der Druiden sein kann, was sie aus meinem Vater gemacht hat?“ Aidan redete sich in Rage.

„Nicht die Lehre der Druiden war daran schuld, sondern seine Gier nach Unsterblichkeit.“

Aidan presste ärgerlich die Lippen aufeinander. „Ich muss an die frische Luft“, sagte er und ging mit ausholenden Schritten zur Tür.

Immer, wenn es auf einen Streit hinauslief, lief er davon. „Aidan!“, rief Amber ihm hinterher, aber er drehte sich nicht mehr um.

„Lass ihn. Bestimmt braucht er ein wenig Zeit. Für ihn war das alles auch nicht leicht. Er hat auch seinen Vater verloren.“ Mom tätschelte mitfühlend Ambers Hand.

„Ich weiß. Ich möchte ihm so gern helfen, aber ich komme nicht an ihn ran. Ich spüre nicht einmal seine Stimmungen. Er ist so … anders geworden.“

„Wenn du ihn liebst, halte zu ihm, kämpfe um ihn.“

Wenn Mom wüsste, wie schwer ihr das fiel.

Mond der verlorenen Seelen

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