Читать книгу Marder ahoi! Eine mörderische Kreuzfahrt - Kirsten Klein - Страница 6
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ОглавлениеIn der nobelsten Villa des nobelsten Wohnviertels, sitzt zur selben Zeit Chihuahua-Mädchen Lady im Salon auf einem weißen Nappaledersofa und blickt verdrossen auf einen Reiseprospekt, der vor ihr auf dem Couchtisch aus Carraramarmor liegt.
Schon wieder eine Kreuzfahrt! Lady seufzt. Wochenlang weder Gras noch Erde unter den Pfoten, dafür fast den ganzen Tag lang auf Sophias seidenbekleidetem Schoß rumhocken...
Also manchmal versteht Lady die Menschen einfach nicht. Wenn sie mal durch eine Pfütze springt, wird Sophia gleich sauer. Aber auf so einem unübersichtlich riesigen Teich, da steht sie am liebsten an der Reling und schwärmt ihr was vor.
Fast den ganzen Tag hat Sophia heute mit Anton, ihrem frisch Angetrauten, vor diesem Fetzen Papier gesessen und sich begeistert, als wär's 'ne leckere Leberwurst. Dabei ist da drauf nicht mal ein richtiges Schiff, alles nur aus Papier – riecht eklig, und schmecken tut's erst recht nicht.
Lady weiß das aus Erfahrung, hat als Welpe mal einen Prospekt gefressen.
Und diesmal werden sie zu allem Übel diesen blöden Kerl am Hals haben. Na ja, Sophia stört sich ja nicht daran, lässt sich hingebungsvoll von Kopf bis Fuß von ihm abschlecken.
Anton passt es nicht, wenn Lady das sieht. Deshalb hat er sich jetzt mit Sophia ins Schlafzimmer verzogen – und Lady die Tür vor der Nase zugeknallt. „So eine Unverschämtheit“, blafft die Hündin empört, „mich einfach aus unserem gemeinsamen Bett auszusperren!“
Sophia meint, sie wäre eifersüchtig. Aber da irrt sie sich gewaltig. Wenn Lady ihr das bloß verklickern könnte... Diesen Anton, den konnte sie von Anfang an nicht riechen. Der stinkt noch viel mehr als der Prospekt da. Und er weiß genau, dass sie ihn durchschaut hat. Zuerst, ja, da hat er versucht, sich auch bei ihr einzuschmeicheln. Überhaupt – er hat sie dazu missbraucht, um an Sophia ranzukommen! Ist ja nichts Neues, diese Masche. Viele Männer, die sich nicht trauen, mit ihrer Sophia zu flirten, versuchen's über Lady. „Ach, was für ein niedliches kleines Hündchen Sie da haben...“
Und so stolz wie Sophia auf sie ist, verliert die dann manchmal völlig den Verstand.
Gegen ein nettes Herrchen hätte Lady ja gar nichts einzuwenden, aber der da... Ah, wenn sie nur zur Schlafzimmertür schaut, könnte sie zum Werwolf mutieren. Vor allem ärgert es Lady, dass Anton sie für so dumm hält. Den Schlüssel hat er nicht herum gedreht, das hätte sie gehört. Wenn es sein muss, wenn er ihrer Sophia auch nur eins ihrer wunderschönen rotblonden Haare krümmt, dann kann er sein blaues Wunder erleben!
Angespannt lauscht Lady, hört gedämpft Sophias Kichern. Erst kürzlich hat ein Marder Antons alten Nissan zusammengebissen. Eigentlich kann Lady diese Viecher ja nicht leiden, aber den – den hätte sie vor Freude sogar geküsst.
Und was macht ihre Sophia? Kauft dem Anton doch tatsächlich am selben Tag einen Porsche. Der steht jetzt sicherheitshalber in der Garage.
Sophia stößt einen Schrei aus. Wie eine Sprungfeder schnellt Lady vom Sofa, stürmt zur Schlafzimmertür und hüpft aus dem Stand auf die Klinke. Die Tür springt auf und Lady aufs Bett, zwickt Anton gehörig in seinen nackten Po. Er fährt herum, will nach ihr treten, aber Sophia hält ihn zurück. „Nein, sie hat doch nur gedacht, du wolltest mir was tun!“, stößt sie hervor und schließt ihr Hündchen schützend in die Arme.
Triumphierend schaut Lady in Antons Augen. Wenn Blicke töten könnten, wäre es jetzt aus mit ihr.
„Versöhnt euch“, fordert Sophia. Anton bleckt die Zähne, aber Sophia will darin unbedingt ein Lächeln sehen. Fast erstarrt Lady, als er ihr mit seiner von Angstschweiß klebrigen Pranke über den Kopf streicht, verkneift sich mühsam ein Knurren. Ich beiße nicht, beschließt sie. Jetzt ist nicht der geeignete Zeitpunkt dafür.